Macbeth

Endlich! Endlich ganz oben! In den Händen die Macht, die andere nach ihrer Pfeife tanzen lässt. Nur – um welchen Preis? Woher kam der Antrieb? Und wohin führt das alles? Zu Sewan Latchinians klug ausbalancierter Inszenierung von Shakespeares „Macbeth“ in der Bearbeitung von John von Düffel an den Hamburger Kammerspielen.

Lady Macbeth (Jacqueline Macaulay) treibt ihren Mann (Hans-Werner Meyer) zur Machtübernahme. – Foto: Bo Lahola

Die Kritik

Keine Hexen, kein Banquo, kein Macduff – nur zwei Personen: Macbeth und seine Frau, Lady Macbeth. Fasziniert von Shakespeares Tragödie hat John von Düffel, Dramaturg (u.a. von 2000 bis 2009  am Thalia Theater) und Autor von Essays, Romanen und Theaterstücken, das Stück neu und sehr frisch übersetzt und sich auf seinen Kern konzentriert. Ihm geht es um Macbeth’  alptraumhaften Weg zur Machtergreifung und sein Umgang mit ihr. An den Hamburger Kammerspielen hat Sewan Latchinian von Düffels Bearbeitung mit Jacqueline Macaulay und Hans-Werner Meyer, beide großartig in ihrer Darstellung, als differenziertes Wechselspiel inszeniert.

Schwarze, rechtwinklig angeordnete Wände mit Treppenstufen bieten verschiedene Räume und Ebenen (Bühne und Kostüme: Stephan Fernau). Ein ausgeklügeltes Lichtkonzept (Daniel Kuglig, Sebastian Mania) taucht die jeweiligen Abgrenzungslinien in gleißendes Licht, lässt die übrige Bühne im Dunkeln und trennt so die einzelnen Bilder des Stücks voneinander. Im Verbund mit der Musik (Georg Münzel) unterstützt es zudem die sich unaufhaltsam zuspitzende Tragödie um einen Mann, dessen Wahnvorstellungen ihn zuerst an die Spitze und dann in den Abgrund führen.

Nüchtern plant Lady Macbeth den Mord am König, sobald er bei ihnen zu Gast ist.

Wirbelnde, nebelhafte Wolken werden an die Wände projiziert und lassen schemenhaft das Gesicht von Macbeth auftauchen, bevor es wieder in der nächsten Wolke verschwindet (Video: Stephan Fernau). Dazu wispern einander bis zur Unverständlichkeit überlagernd Stimmen aus dem Off die Weissagung der Hexen. Hinter seinem metallenen Kampf-Schild kriecht Macbeth hervor. Ungläubig staunend, meint er, dass ihn hier eher ein Dämon an der Nase herumführt, als dass es sich um eine Weissagung handelt. Lady Macbeth ist da ganz anderer Ansicht. Jacqueline Macauley im Morgenmantel (spätestens ab dieser Szene heben die Kostüme die Geschichte in die Gegenwart) reibt sich die Hände, ist aufgeregt über diese Nachricht wie ein kleines Mädchen. Zunächst ist sie es, die die Zügel in die Hand nimmt. Während Hans-Werner Meyers Macbeth Unsicherheiten und Skrupel zeigt, plant sie nüchtern den Mord am König, sobald er bei ihnen zu Gast ist. Freudige Anspannung und glänzende Augen wechseln mit nüchternen, kalten Anweisungen an den zaudernden Gatten: „Wasch dich!“, und er gehorcht. Den Mord am König will sie für die Öffentlichkeit dessen Leibwächtern unterschieben, denn: „Wenn wir die Macht haben, machen wir die Wahrheit. Was wir sagen, ist Gesetz.“ Klingt fast so, als läse man Berichte über aktuelle Diktatoren und solche, die es werden wollen. 

„Ich will die ganze Welt in Trümmern sehn. Auf in den Untergang!“

Auch Macbeth gibt sein Zaudern auf. Blutüberströmt und noch entsetzt hat er sich nach dem Mord gezeigt, aber schon bald erscheint er in schickem Anzug mit Schärpe, ist König und am Ziel seiner Wünsche. Nichts soll ihm diese Position mehr nehmen, jetzt ist er der Starke in der Beziehung zu Lady Macbeth. Sie wird jetzt von Ängsten geplagt, verkriecht sich vor der Welt wie ein Kind unter einer Decke.  Man weiß ja von Herrschenden, die auch, wenn die Wahrheit gegen sie spricht, ihre Macht nicht aufgegeben wollen und lieber Chaos säen, als nachzugeben. „Ich will die ganze Welt in Trümmern sehn. Auf in den Untergang!“, brüllt Macbeth und ruft seine Anhänger auf: „Los, folgt mir! Jetzt zeigt sich, wer wir sind und wer wir waren.“  Der das sagt, ist nicht Donald Trump, aber die Worte klingen, als kämen sie aus seinem Mund. Und das ist das Erschreckende an diesem „Macbeth“: Seine Geschichte lebt immer wieder auf, in unterschiedlichen Formen, in unterschiedlichen Ländern.

Ohne dass Lachtinians Inszenierung mit irgendeinem Zaunpfahl winken muss, wird die permanente Aktualität dieses Herrscherpaares deutlich. 90 Minuten dauert dieser pausenlose, konzentrierte Abend. Man sollte ihn nicht verpassen. 

Weitere Informationen unter: https://hamburger-kammerspiele.de

INFORMATIONEN FÜR LEHRKRÄFTE

Inhaltliche Schwerpunkte
  • illegale Machtergreifung
  • Verdrehung von Wahrheiten
  • Festhalten an der Macht bis zum Untergang
Formale SchwerpunKte
  • abstraktes, funktionales Bühnenbild
  • Realismus in der Spielweise
  • Teichoskopie
Vorschlag für Altersgruppe/Jahrgangsstufe
  • ab 16 Jahre, ab Klasse 10/11
  • empfohlen für den Englisch-, Deutsch- und Theaterunterricht.
Zum Inhalt

Macbeth hat eine Vision von der Machtübernahme des Throns von Schottland. Ihm ist nicht ganz klar, ob es sich um eine Weissagung handelt, oder ob es nur eine Wahnvorstellung ist. Als er seiner Frau davon erzählt, ist diese Feuer und Flamme von der Idee und plant, wie die sich in die Tat umsetzen lässt. Da der König demnächst bei ihnen zu Gast ist, sei es ihrer Meinung nach ein Leichtes, dessen Leibwächter betrunken zu machen, den König daraufhin zu ermorden und die Tat dann den Wächtern unterzuschieben. Nachdem Macbeth zunächst Skrupel äußert, setzt er auf Druck seiner Frau die Tat um und gaukelt der Öffentlichkeit einen feigen Mord am König durch dessen Wächter vor. Er erfährt jedoch, dass ihm die rechtmäßigen Erben des Throns nicht glauben. Um seine Position zu erhalten, beginnt er, alle Widersacher zu ermorden. Alpträume plagen ihn auch deshalb, dennoch wird er in seinem Gebaren immer wahnsinniger, während seine Frau immer verzagter wird. Den letzten Kampf gegen seine Widersacher verliert er und stirbt, nicht ohne vorher sein Volk in den Untergang geschickt zu haben.

Mögliche Vorbereitungen

Als vorbereitende Hausaufgabe oder Referat:

William Shakespeare: Macbeth (Inhaltsangabe)

Im Unterrichtsgespräch:

Charakterisierung Macbeth’ und seiner Frau

Parallelen zu aktuellen Herrschern aufzeigen

Speziell für den Theaterunterricht

In der Inszenierung ist ein deutlicher Statuswechsel bzw eine Statuswippe zu erkennen. Insofern bieten sich Übungen zum Status an:

Körperhaltungen probieren

Die Gruppe steht im Kreis. Schulterbreiter Stand, Hände in die Hüften, Kinn nach oben > Macht
Beine übereinander gestellt, Kopf schräg > Unsicherheit
Am T-Shirt zupfen, von unten jdn. ansehen > Unterwürfigkeit, Unsicherheit 

Informationen zur Darstellung von A- und B-Status (über Handout)

A-Status/ Hochstatus: herrschend; Körperhaltung groß, stark; herrisch, von oben herab, macht sich breit, nimmt viel Raum ein, beansprucht Platz in Breite und Höhe, spricht viel, nimmt an man hört gerne zu, spricht laut, spricht langsam und sorgfältig, Leute werden warten und zuhören, fummelt nicht herum, hält Blickkontakt, geht wohin sie will, andere müssen aus dem Weg gehen; geht nahe an andere heran, Selbstvertrauen, bewegt sich langsam, wohlüberlegt; Körperspannung; ist unnahbar; strahlt aus: komm mir nicht so nahe 

B-Status/ Tiefstatus: gesenkter Kopf, an Klamotten ziehen; Trippelschritte; klein machen, langsam; hektisch, schüchtern; sitzt auf Stuhlkante, will keinen Platz beanspruchen, spricht schnell, nicht sehr laut, Reihe von ohs oder ähs, weil unsicher, verzieht nervös das Gesicht; Übersprungshandlungen; keine Spannung, zusammengefallen; strahlt aus: ich tue niemandem etwas 

Der Begriff stammt von Keith Johnstone, kommt aus dem Improvisationstheater ; hat nichts mit sozialer Position zu tun; muss nicht mit Wertung verbunden sein; A-Status muss nichts Besseres sein; z.B. im engen Flur muss einer in den B-Status gehen und sich klein machen, damit man aneinander vorbeikommt. 

Statusübergänge
Übergänge von Hoch- zu Tiefstatus meist fließend; bzw. gibt es Abstufungen. von 1 (niedrigstes) bis 5 (höchstes) 

Statusübung – bzw spiel 

Die Spielleitung teilt  zwei Fünfer-Gruppen. ein. Gruppe 1 verlässt den Raum, Gruppe 2 nennt einen Ort, an dem die Szene spielen soll,. Gruppe 1 bekommt Ort genannt, jeder: TN bekommt (geheim!) eine Nummer, die ihren/seinen jeweiligen Status darstellt. Die Gruppe betritt die Bühne, stellt den Ort mit den Personen in dem jeweiligen Status dar. Die anderen müssen den Status aufgrund der jeweiligen Körperhaltung erraten. Dann weiter mit Gruppe 2, 3 usw 

Aufgabe (zwei gleiche Staus)

A hat B in seine Wohnung eingeladen, B besucht ihn. Beide sind im Hochstatus
A hat B in seine Wohnung eingeladen, B besucht ihn, beide sind im Tiefstatus Reflexion: schwierige Situation, evtl eskalierend, beklemmend (10 Min)

Die Spielleitung verteil verschiedene Aufgaben zur Statuswippe:

Aufgaben

Tut euch paarweise zusammen und probt eine Szene, in der der ursprüngliche Status kippt

wechselt. Schafft dafür zunächst eine Situation, in der der Status deutlich wird (Achtet auf Körperhaltung) und vollzieht dann einen klar erkennbaren, sinnvollen Statuswechsel. Dabei dürft ihr eigenen Text verwenden.

Mögliche Situationen:

Du stehst im Supermarkt an der Kasse, hinter dir ist eine lange Schlange. Als du bezahlen willst, merkst du, dass du zu wenig Geld und keine EC-Karte hast.

Du bist zum ersten Mal mit deinem Traummann/deiner Traumfrau verabredet – und kommst 15 Minuten zu spät.

Der Türsteher eines angesagten Clubs lässt dich nicht rein.

Du hast Karten für ein Konzert im Vorverkauf gekauft. Als du sie am Eingang vorzeigen willst,

stellst du fest, dass du sie zu Hause vergessen hast.

u.ä.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert