Dr Fischer aus Genf oder Die Bomben Party

Figurentheater – ist das nicht was für Kinder? Wer das immer noch denkt, sollte sich die liebevolle und fantasiereiche Inszenierung  der Bühne Cipolla von „Dr Fischer aus Genf oder Die Bomben-Party“ im Altonaer Theater ansehen. 

Alfred (Sebastian Kautz) auf einer seltsamen Party – Foto G2 Baraniak

Die Kritik

Eine skurrile Gesellschaft hat sich da um den langen Tisch versammelt: ein Gastgeber wie aus einem Gruselfilm, eine aufgedrehte Frau mit welkem Dekoltee, ein trotteliger greiser Steuerberater, ein sonnenbebriller General mit knalliger Uniform, ein bekiffter, selbstverliebter Schauspieler, ein desillusionierter Anwalt. Und mittendrin Alfred, ein ganz normaler Durchschnittstyp – ein echter Mensch. Das muss hier insofern erwähnt werden, als sich Alfred (Sebastian Kautz) in einer Gesellschaft von Puppen befindet. Überdeutlich und sehr komisch geraten die fantasievoll gestalteten Figuren (Melanie Kuhl) und überspitzen so noch die Karikaturen aus Graham Greens Roman „Dr. Fischer aus Genf oder Die Bomben-Party“, einer Koproduktion des Altonaer Theaters mit der Bühne Cipolla. Den Namen hat sich das in Bremen beheimatete Figurentheater nach dem Magier in Thomas Manns „Mario und Zauberer“, seiner ersten Produktion 2011, gegeben. Seither ist die Bühne Cipolla bereits mehrfach ausgezeichnet worden, u.a. 2019 mit dem Monica-Bleibtreu-Preis für „Der Untergang des Hauses Usher“. Mit der Uraufführung von „Dr. Fischer aus Genf oder Die Bomben-Party“ hat das Team um Sebastian Kautz ein weiteres Stück in seinem Portfolio. Thema ist die Gier, nicht zu Unrecht eine der Todsünden. Der Milliardär Dr. Fischer „möchte wissen, ob Habgier Grenzen hat“. Deshalb lädt er sich unterschiedliche Leute ein, demütigt sie, indem er ihnen absurde Spielregeln verordnet. Wer besteht, bekommt einen Preis. Je absurder Regeln – am Ende wird eine Art Russisch Roulette gespielt – desto gigantischer der Preis. Dr Fischers Tochter Anna hat sich schon lange von ihrem Vater losgesagt, aber ihr Verlobter Alfred will sich ihm wenigstens einmal vorstellen und gerät in diese merkwürdige Gesellschaft. 

Großartig und unbedingt sehenswert ist die Inszenierung.

Handlung und Aussage des Stückes sind relativ einfach, großartig und unbedingt sehenswert ist jedoch die Inszenierung. Sebastian Kautz hat nicht nur die Spielfassung geschrieben und Regie geführt, er spielt auch die Figuren und natürlich auch Alfred, ist also die vollen 80 Minuten ununterbrochen im Einsatz. Als Alfred trägt er eine  – im Stück thematisierte – Prothese, hinter der er seinen rechten Arm versteckt und mit der er die verschiedenen Figuren betätigt. Manchmal nimmt er auch den linken Arm dazu, wenn sich zum Beispiel zwei Puppen streiten. Dabei gibt er jeder eine eigene Stimme und Tonlage, manchmal auch einen Akzent, verleiht ihr sogar einen eigenständigen Gang. Dann versteckt er sein Gesicht hinter Kopf und Brust der jeweiligen Figur, so dass der Rest seines Körpers deren Bewegungen darstellt. Das Lichtdesign (Frank Barufke, Gero John, Sebastian Kautz)  unterstützt den Eindruck, dass hier lebendige Gestalten als Mit- und Gegenspieler zu einem „echten“ Menschen auf der Bühne stehen. Diese besondere Theaterform hat etwas Nostalgisches und berührt auf ganz eigene Weise. Zumal Gero John, links auf der Bühne mit Cello und Loopstation platziert, die Handlung mit Live-Musik untermalt. Kostümiert mit Weste und Glitzer-Sneakers tritt er bedarfsweise als Dr. Fischers Diener auf, der mal die Kuckucksuhr aufzieht, mal aus der Hälfte einer Disco-Kugel sechs silberne Knall- oder besser Bomben-Bonbons hervorzaubert. Überhaupt das Bühnenkonzept: minimalistisch und unglaublich durchdacht. Rechts findet sich ein dreiseitiges Schild, das gedreht Bushaltestelle oder „Biestroh“ und aufgeklappt mit lila-rotem Licht einen Rettungswagen darstellt. Der Mülleimer darunter fungiert umgedreht als Grabstein, der Deckel als Bus.  

„Das Bühnenbild muss in einen Ford Transit passen“, hat Sebastian Kautz in einem Interview gesagt. Klar, denn die Bühne Cipolla ist als Tour-Theater konzipiert. Aber bis zum 4. Mai ist es noch am Altonaer Theater zu sehen. Man sollte es nicht versäumen.

Weitere Informationen unter: https://www.altonaer-theater.de/programm/dr-fischer-aus-genf-oder-die-bomben-party/

INFORMATIONEN FÜR LEHRKRÄFTE

Inhaltliche Schwerpunkte
  • Grenzenlose Habgier 
  • Menschenfeindliches Handeln
Formale SchwerpunKte
  • Figurentheater
  • multifunktionales Bühnenbild
  • Live-Musik
Vorschlag für Altersgruppe/Jahrgangsstufe
  • ab 14 Jahre, ab Klasse 8
  • empfohlen für Deutsch-, Kunst- und Theaterunterricht
Zum Inhalt

Dr Fischer ist Milliardär und Menschenfeind. Er selbst hält sich für eine Art Gott, der mit den Menschen machen kann, was er will. Und da er weiß, dass Gier zu ihren Grundeigenschaften gehört, lädt er sie zu skurrilen Partys ein. Dort lässt er sie demütigenden Regeln gehorchen (zum Beispiel ekelhafte Dinge essen) und belohnt diejenigen mit reichen Geschenken, die gehorchen. Seine Tochter Anna hat sich deshalb schon lange von ihm losgesagt. Als sie jedoch den netten Durchschnittstypen Alfred kennenlernt und sich mit ihm verlobt, will dieser zumindest einmal mit dem Vater Kontakt aufnehmen. Tatsächlich wird Alfred vorgelassen und sogar zu einer der Partys eingeladen. Angewidert von dem dekadenten Spiel verweigert er es, überhaupt mitzumachen. Das imponiert DR Fischer, der ihn prompt zu einer weiteren Party einlädt, bei der das Spiel auf die Spitze getrieben wird, denn jetzt geht es bei einer Reihe von Knallbonbons um eine Art Russisch Roulette: In fünf der Bonbons findet sich ein Millionen-Scheck, in einem eine Bombe. Alfred, der Anna bei einem Skiunfall verloren hat und mit seinem eigenen Leben nichts mehr anfangen kann, geht darauf ein und hofft, dass er die Bombe bekommt. Aber getötet wird am Ende nicht er, sondern Dr. Fischer.

   

Mögliche VorbereitungeN
Als Hausaufgabe oder über Referate
  • Recherche zum Inhalt von „Dr Fischer aus Genf oder Die Bombnen-Part“y
  • Recherche zu den sieben Todsünden, speziell zu Gier
  • Recherche zu Graham Green
Speziell für den Theaterunterricht

Recherche zu Figurentheater

Übungen zu Objekt- und Figurentheater:

Die Spielleitung lässt jede Spielerin/ jeden Spieler ein beliebiges Objekt mitbringen.

Die Gruppe setzt sich in einen Kreis, jede:r stellt der Reihe nach ihr/sein Objekt mit einer ausgedachten Kurzbiografie vor: „Das ist…“ 

Aufgabe:
  • Gebt eurem Objekt eine Stimme und eine Geschichte. Denkt daran: Die Art, wie ich das Objekt handhabe, überträgt sich auf Charakter und Verhalten des Objekts (Zärtlichkeit, Brutalität usw)
  • Geht in einen kurzen Dialog mit eurem Objekt.

Präsentation und Feedback

Aufgabe:
  • Welche der vorgestellten Objekte passen zusammen oder könnten gemeinsam in einer Szene auftreten?
  • Stellt diese Objekte (max. drei) zusammen und erarbeitet eine kurze Szene, in der die Objekte, aber auch die Spieler.innen als Menschen mitspielen.
  • Präsentation und Feedback 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert