Nimmerland

Es braucht nur einen guten Gedanken und die Vorstellung kann beginnen. Zu Brigitte Dethiers kluger, zauberhafter Stückentwicklung am Jungen Schauspielhaus.

In NImmerland kann jeder fliegen – Foto: Sinje Hasheider

Die Kritik

Diese Inszenierung zu beschreiben, ohne allzu viel zu verraten? Schwierig. Also lassen wir es lieber gleich. Nur so viel: Sie strotzt vor Überraschungen. Schon am Anfang weiß das Publikum nicht, was jetzt eigentlich passiert. Denn Regisseurin Brigitte Dethier unterläuft alle gängigen Erwartungen. „Nimmerland“ – das ist die fiktive Insel, auf der Peter Pan als Anführer der sogenannten „verlorenen Jungs“ lebt und als einziges Kind niemals erwachsen wird. Dethier zeichnet nicht dessen Geschichte nach. Sie begreift „Nimmerland“ als einen Ort ohne Zeit und Grenzen. Einen Ort, an dem sich Kinder wie Erwachsene an besondere Erlebnisse erinnern oder ihren Träumen nachhängen können. Gemeinsam mit dem Ensemble des Jungen Schauspielhauses hat sie aus diesen Überlegungen ein Stück entwickelt, in dem die Wirklichkeit (hier u.a. die Theaterwirklichkeit) Impulse schafft für eigene Welten. Fluchten, wenn man so will, die den Alltag für einen Moment vergessen und Kräfte sammeln lassen. 

Das Blau des Jogginganzuges wird nach und nach zum Fell eines Plüschtieres.

Auf der Großen Bühne am Wiesendamm sind zunächst nur ein Turnpferd aus dem Sportunterricht, ein Wagen mit kunterbunt bezogenen Matten, ein Schlagzeug und ein Hubwagen zu sehen (Bühne: Kathrin Plötzky). Irgendwann fällt ein schwarzes Tor aus dem Hintergrund auf die Drehbühne, die kreist einmal, und das schwarze Tor bietet auf seiner Rückwand die Ansicht eines Himmels, dazu eine Tür als Eingang in eine andere Welt. Nacheinander treten die Schauspieler:innen Jara Bihler, Hermann Book, Severin Mauchle, Christine Ochsenhofer, Alicja Rosinski und Nico-Alexander Wilhelm (auch für die musikalische Leitung verantwortlich) ein. Zunächst zögerlich, da niemand weiß, was einen erwartet. Tatsächlich wandeln sich in dieser neuen Welt allmählich ihre Alltagsklamotten zu immer fantasievolleren  Kostümen (Hanna Roxane Scherwinski): das Blau des Jogginganzuges wird nach und nach zum Fell eines Plüschtieres oder ein grünes Taschentuch wandelt sich zu einem üppigen Rock. Die Schauspieler:innen erzählen, was sie träumen oder an was sie sich erinnern, bleiben dabei bei ihren tatsächlichen Namen, so dass die Wirklichkeit nie ausgeblendet wird. Durch die Erzählungen verwandelt sich ihre Welt und sie sich mit ihnen. So wird zum Beispiel der Traum vom Fliegen wahr, als sich Alicja Rosinski sich vom Turnpferd in die ausgestreckten Arme der anderen fallen lässt und von ihnen getragen wird. Und Severin Mauchle kann sich sogar in einen Stern verwandeln. 

Am Ende sind alle im Land ohne Zeit und Grenzen.

Aus einem Müllcontainer wird ein überdimensionales Tuch gezogen und mit Haken an unzähligen Seilen befestigt. Je nachdem, wie diese gezogen werden, ergeben sich Schneelandschaften, Gebirge oder Zelte, in die sich die Schauspieler:innen verkriechen und mit einer Taschenlampe ihre Gesichter anleuchten. Nur deren Schatten sind zu sehen, wenn sie etwas erzählen. Dieses kluge und poetische Nachdenken über „Nimmerland“ wird von der Schlagzeugerin Lisa Wilhelm begleitet und rhythmisiert. Wenn am Ende das Riesentuch von der Bühne über die Zuschauerreihen gebreitet wird,  sind plötzlich alle gemeinsam in diesem Land ohne Zeit und Grenzen. Wie man auch nach der Vorstellung dahin kommt? Man braucht gute Gedanken und den Hinweis von Peter Pan: „Die zweite rechts, und dann geradeaus bis morgen früh.“ Was für eine wunderbare Inszenierung!

Weitere Informationen unter: https://https://junges.schauspielhaus.de/stuecke/nimmerland-8

INFORMATIONEN FÜR LEHRKRÄFTE
Inhaltliche SchwerpunkTe
  • die Kraft der eigenen Vorstellung
  • die Auseinandersetzung mit Erinnerungen, Ängsten und Träumen
Formale Schwerpunkte
  • poetische Verwendung von Alltagsgegenständen
  • Veränderung von Alltagskleidung in Fantasiekostüme 
  • Veränderung eines schmucklosen Ortes in eine Fantasiewelt
Vorschlag für Altersgruppe/Jahrgangsstufe
  • ab 8 Jahre, Klasse 3 – 6
  • empfohlen für den Deutsch- und Theaterunterricht 
Zum Inhalt

Die Stückentwicklung beruht auf einzelnen Erinnerungen und Assoziationen, es gibt also keine erzielbare Handlung. Menschen aus der alltäglichen Wirklichkeit betreten durch ihre Träume, Erinnerungen oder Ängste eine neue Welt. Sie trägt in Anlehnung an die legendäre Insel Peter Pans den Namen „Nimmerland“. Darin hebt sich ihr wahres Alter auf, Grenzen verschwimmen, Fantasie und Realität mischen sich zu neuen Bildern und Erlebnissen. 

Mögliche VorbereitungeN

Die Schüler:innen beantworten auf vier unterschiedlichen Zetteln (pro Frage ein Zettel) die entsprechende Frage und malen eventuell etwas dazu. Einen Namen sollten sie möglichst nicht auf dem Zettel notieren. Anschließend werden die Zettel unter der jeweiligen Frage (die Lehrkraft hat sie auf je einem Zettel notiert und an die Wand geklebt) unter den „Überschriften“-Zettel geheftet. 

Fragen:
  • Welches Erlebnis ist euch in Erinnerung?
  • Wie stellt ihr euch eure Zukunft vor?
  • Wovor habt ihr Angst?
  • Welchen Lieblingstraum habt ihr?

Die Schüler:innen sehen sich die Antworten der Reihe nach an, danach ergibt sich ein Unterrichtsgespräch:

  • Was ist euch aufgefallen?
  • Habt ihr zu bestimmten Antworten weitere Fragen?
  • Welche Bedeutungen haben Erinnerungen, Träume und Ängste?
  • Welchen Einfluss haben sie auf die Wirklichkeit?
Speziell für den Theaterunterricht
„Fliegen“

Eine Person aus der Gruppe legt sich mit geschlossenen Augen auf den Boden (Rückenlage). 10 – 12 Mitglieder der Gruppe bilden eine Kreis um die liegende Person. Sie krabbeln leise auf die Person zu, berühren sie vorsichtig an Armen, Beinen und Kopf (damit die Person weiß, dass die anderen da sind). Auf ein stummes Zeichen (nicken o.ä.) greifen die anderen unter Rücken, Po, Beine, Schultern, Arme und Kopf der liegenden Person und heben sie hoch über ihre Köpfe. Achtung: an Hals, Kopf und Nacken muss besonders verstärkt werden. 

Sie tragen die Person eine paar Sekunden lang und lassen sie dann langsam auf den Boden sinken.

Einen Gegenstand poetisieren

Die Gruppe setzt sich im Kreis auf den Boden, die Spielleitung legt ein größeres Tuch (Bettlaken o.ä.) in die Mitte. Wer eine Idee hat, wie man das Tuch verwenden kann, geht in die Mitte und macht es vor. Die anderen sagen dann, was es ist.

Beispiel: Tuch zusammenknüllen und es in den Armen wiegen > Baby

Variation: Stock statt Tuch

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