Die Weiße Rose

Was waren die Ikonen der „Weißen Rose“ für Menschen? Wie lebten sie vorher? Wann formiert sich ihr Widerstand? Petra Wüllenwebers Stück „Die Weiße Rose“ spürt diesen Fragen nach. Sewan Latchinian inszeniert es mit einem jungen Schauspielteam in den Hamburger Kammerspielen.

Foto: Bo Lahola

DIE KRITIK

Es geht ganz schnell. Auf das Urteil folgt die Vollstreckung, alles an einem Tag. Die Nazis hatten es eilig, die Widerständler der Weißen Rose aus dem Weg zu schaffen. Nur schwach beleuchtet ist die Bühne der Hamburger Kammerspiele, schemenhaft zeichnen sich auf einem Podest ein metallenes Doppelstockbett mit groben Decken, ein Tisch und darüber ein vergittertes Fenster ab (Ausstattung: Ricarda Lutz). „Nur noch zwei Stunden“, flüstert Sophie Scholl (Marie Schulte-Werning), als die Wärterin (Julia Berchtold) sie abholt. Ihr Vergehen: zusammen mit ihrem Bruder und den übrigen Mitgliedern der Gruppe Flugblätter verteilt zu haben. „Freiheit“ hatten sie gefordert und „Nieder mit Hitler!“ 

Die Weiße Rose, eine überwiegend studentische Widerstandsgruppe, ist geprägt durch die Gesichter  der Geschwister Scholl. Ihr Mut zum Handeln gegen die übermächtige Hitler-Diktatur lässt nachfolgende Generationen bis heute uneingeschränkt in Bewunderung versinken. Über ihre aktive Zeit 1942/43 ist vieles bekannt. Aber welche Menschen steckten dahinter? Aus welchem Elternhaus stammten sie? Wie lebten und dachten sie vorher? 

Robert Scholl kann nicht verstehen, warum Sophie und Hans  mit Begeisterung in die Hitler-Jungend eintreten.

Petra Wüllenweber, Regisseurin und Autorin von Kinder-und Jugendbüchern, beleuchtet diesen Aspekt in ihrem Stück „Die Weiße Rose“, Sewan Latchinian hat es jetzt an den Kammerspielen inszeniert. Geschickt wechselt der zweieinhalbstündige Abend (inklusive Pause) zwischen dem letzten Tag, den Verhören  und Ereignissen aus der Vergangenheit. Auf der vorderen Bühne sehen wir Robert Scholl (Alexander Klages), den Vater von Hans und Sophie. Ein zweifelnder, gebeugter Mann, der so gar nicht verstehen kann, warum seine beiden Kinder mit Begeisterung in die Hitler-Jugend eintreten. Sophie und Hans (Lennart Hillmann) erwarteten etwas Neues, Spannendes, eine Veränderung, an der sie teilhaben wollten. Wir sehen, wie Hans noch voller Hoffnung auf den Sieg seinen Rucksack für den dreimonatigen Sanitätsdienst an der Ostfront packt. Und völlig desillusioniert zurückkommt, weil er die ganze Grausamkeit des Krieges erfasst hat. Er ist der erste, der sich dem Widerstand verschreibt, Sophie folgt etwas später, der Arbeitsdienst hat ihr die Euphorie am NS-System gründlich ausgetrieben. 

Die Hauptfiguren sind mit jungen Schauspiel-Absolvent*innen besetzt.

Was letztlich genau zu ihrem Sinneswandel geführt hat, hätte sicher noch etwas schärfer herausgearbeitet werden können, denn hier erscheint der Weg zur Weißen Rose eher zufällig, man könnte es fast als eine Laune verstehen. Möglicherweise liegt das aber auch an dem Spiel von Marie Schulte-Werning. Sie legt ihre Sophie als unbeschwertes Girlie  an, das Flugblätter wie Party-Flyer verteilt, neckisch mit dem Soldaten Fritz Hartnagel ((Ingo Meß) flirtet und mit ihrer Freundin Susanne (ebenfalls Julia Berchtold) kichert. Die Umschwung zur Kämpferin wird noch zu wenig deutlich, ebenfalls ihr Mut und ihre Verzweiflung. Da ist noch Luft nach oben. Mit ihr, Lennart Hillmann, Julia Berchthold und Riccardo Ferreira sind die Hauptfiguren mit jungen Schauspiel-Absolvent*innen besetzt. Hillmann macht gerade im zweiten Teil nach der Pause Hans’ Willen zum Kampf und in dem spannenden Gespräch mit Professor Huber (Ingo Mey) das Problem der Verantwortung deutlich. Julia Berchtold überzeugt sowohl als Freundin Susanne, als auch als mitfühlende Aufseherin Else und als strenge, zuletzt aber sehr weiche Wärterin. Großartig in seiner Wandlungsfähigkeit ist Riccardo Ferreira. Er ist der leise, höfliche, dafür umso gefährlichere Gestapo-Beamter, der jovial-köllsche Nazi, der im Zuschauerraum Spenden für die Front sammelt, oder der linkische, treuherzige Familienvater Christoph Probst, ein Mitstreiter der Scholls. Die letzte Szene zeigt die Verurteilung von Probst und Hans und Sophie Scholl. Probst weint, Hans gibt ein letztes Statement. Beide gehen ab, Sophie wird aufgerufen, schaut ins Publikum und geht.

https://hamburger-kammerspiele.de/programm/die-weisse-rose/

INFORMATIONEN FÜR LEHRKRÄFTE

Inhaltliche Schwerpunkte
  • Was für Menschen stecken hinter den Ikonen Hans und Sophie Scholl?
  • Wie standen sie anfangs zum Nazi-Regime?
  • Warum traten sie in die Hitler-Jugend ein?
  • Wann und warum findet der Weg in den Widerstand statt?
  • Wie positionieren sich einzelne Mitglieder des Widerstands?
Formale Schwerpunkte
  • Schneller Wechsel zwischen verschiedenen Zeitebenen durch
  • Teilung der Bühne
  • Lichtwechsel
  • Einsatz von Erzählpassagen (Markierung einzelner Übergänge, Reflexionen zu einzelnen Handlungen)
Vorschlag für Altersgruppe/Jahrgangsstufen
  • ab 14 Jahre, ab  Klasse 8/9,
  • empfohlen für: Geschichts-, Deutsch- und Theaterunterricht
Zum Inhalt

22. Februar 1943. Die letzten Stunden der Geschwister Scholl. Nur noch zwei Stunden, dann wird das Todesurteil an ihnen vollstreckt. Mit der Widerstandsgruppe „Die Weiße Rose“ hatten sie Flugblätter verfasst und Freiheitsparolen gegen Hitler an das Gebäude der Münchener Universität geschrieben, bei der Verteilung des sechsten Flugblattes waren sie verhaftet worden. Aber sie waren nicht immer gegen die Nazis. Im Gegenteil. Mitte der Dreißiger Jahren folgten sie Hitler begeistert, versprach er doch eine Erneuerung der Gesellschaft. Euphorisch traten Sophie und Hans in die Hitler-Jugend ein, sehr zum Kummer ihres Vaters, einem Zweifler und demokratischen Denker. Hans wird als Medizinstudent 1942 zum Sanitätsdienst an die Ostfront beordert und erkennt dort Wahnsinn und Grausamkeit des Krieges. Zurück in Deutschland beginnt er sich dem Widerstand zu verschreiben. Sophie, die zunächst noch engagiert im Arbeitsdienst tätig ist, folgt ihm, als auch sie ein Studium in München aufnimmt. Beide beginnen zusammen mit Gleichgesinnten, u.a. ihrem Professor Huber, Flugblätter zu verfassen und unter Einsatz ihres Lebens zu verteilen. Als die Geschwister Scholl am 18. Februar 1943 das sechste Flugblatt vor den Hörsälen auslegen und den Rest in den Hof fallen lassen, werden sie von der Gestapo verhaftet. Im Wechsel zwischen den Zeitebenen Verhör und der Zeit davor wird die Geschichte der Geschwister Scholl nachgezeichnet.

Mögliche VorbereitungeN

In Gruppen, über Referate oder Vortrag der Lehrkraft:

  • Die Situation in Deutschland von 1933 – 1943: Hitlers Ziele, die Reaktion in der Bevölkerung, Umgang mit der Jugend, Propaganda und ihre Auswirkung
  • Die Geschwister Scholl (Herkunft, Eintritt in den Widerstand, Ziele)? Hier sei auch auf das informative Programmheft der Kammerspiele verwiesen. 
  • Vergleich zwischen Angriffskriegen damals und heute
Speziell für den Theaterunterricht
Gestern und heute

Teilung de Spielfläche in zwei Hälften. Die Gruppe wählt aus der laufenden Szenenarbeit eine Szene. In Dreier- oder Vierergruppen wird eine Szene erdacht und erarbeitet, die zeitlich davor oder danach spielt. Die Gruppen versuchen, die gegebene Szene mit der neuen zu verbinden, indem sie die eine Hälfte der Bühne als das „Gestern“, die andere als das „Heute“ bespielen. Alle Gruppen präsentieren nacheinander. Idealerweise entsteht dadurch eine Bereicherung der aktuellen Produktion.