Doughnuts

Wenn Gewissheiten zu bröckeln beginnen-  Toshiki Okadas kurzweilige Inszenierung im Thalia in der Gaußstraße 

Gäste in der Hotellobby (Maike Knirsch, André Szymanski, Björn Meyer, Toini Ruhnke) – Foto: Fabian Hammerl

DIE KRITIK

Wir kennen das. Man hat einen Termin, hat alles Notwendige beisammen  – und dann: Stau. Oder die Bahn fällt aus. Oder der Bus. Oder das extra bestellte Taxi. So nämlich ergeht es den Gästen einer Konferenz, die sich in einer Hotellobby versammelt haben und auf ihr vorbestelltes Großraumtaxi warten. Aber es kommt nicht. Dafür wird der Nebel draußen immer dichter und die Teilnehmer und Teilnehmerinnen der  Konferenz, in der ausgerechnet existentielle Fragen der globalen Zukunft verhandelt werden sollen, werden zunehmend nervöser. Aber was hilft es? Die Gespräche beginnen sich im Kreis zu drehen. Es wird viel geredet, aber einen Kern, einen Sinn gibt es nicht. Es ist wie bei einem Doughnut: Viel Teig rundherum und in der Mitte ein Loch. Nicht von ungefähr also hat der Japaner Toshiki Okada sein Stück „Doughnuts“ genannt. Nach seiner Einladung zum Berliner Theatertreffen 2020 mit „The Vakuum Cleaner“ (Münchener Kammerspiele) inszenierte er jetzt erstmalig am Thalia in der Gaußstraße.  

Eigenartige Verrenkungen verraten das Innere der Figuren 

Inhaltlich passiert eigentlich: nichts.  In der realistisch gestalteten, rund wie ein Doughnut angelegten Hotellobby (Bühne: Dominic Huber) warten die Gäste der Konferenz  und reden.  Über das Warten, den Nebel und andere Belanglosigkeiten. Spannend ist aber nicht ihr Text, sondern das, was in ihrem Inneren los ist. Okada, inspiriert vom japanischen Nō -Theater, lässt die Figuren eigenartige Verrenkungen und merkwürdige Choreografien vollführen. Das Ensemble (Johannes Hegemann, Maike Knirsch, Björn Meyer, Toini Ruhnke, Steffen Siegmund, André Szymanski) zeigt dabei eine erstaunliche Gelenkigkeit und gibt sich dennoch ganz lässig. Als sei es völlig normal, wenn jemand beim Sprechen ständig vom Sessel rutscht, unter dem Tisch herumkriecht oder sämtliche Gliedmaßen verdreht. Erstaunt und amüsiert schauen wir diesen Figuren zu, die in nur 60 Minuten die Absurdität unserer modernen Existenz auf den Punkt bringen.

https://www.thalia-theater.de/stueck/doughnuts-2021

INFORMATIONEN FÜR LEHRKRÄFTE

Inhaltliche Schwerpunkte
  • Es gibt in der Welt eine immer größer werdende Leerstelle, Gewissheiten fehlen
  • Die Menschen verlieren den Anschluss an eine sich mit Hochgeschwindigkeit drehende Welt.
Formale Schwerpunkte
  • Verhältnis von Körper und Sprache: Was drückt die Bewegung aus? Was die Sprache? 
  • Konfrontation von streng choreografierter, nicht-realistischer Darstellung mit realistisch gestaltetem Ort
Vorschlag für Altersgruppe/Jahrgangsstufen
  • ab 16 Jahre/ Jahrgangsstufe 10
  • geeignet für den Theater- und Philosophieunterricht
Zum Inhalt

Ein paar Gäste treffen sich in einer Hotellobby. Sie liegt im 22. Stock  und bietet an sich  grandiose Aussicht, allerdings herrscht an diesem Tag ein immer undurchdringlich werdender Nebel. Nichts ist mehr klar, Konturen verschwimmen. Außerdem kommt das bestellte Großraumtaxi nicht, das die Gruppe zu einer Konferenz bringen soll, in der die existentiellen Fragen der globalen Zukunft verhandelt werden. Das Warten dehnt sich, man erfährt, dass ein Bär in einem Supermarkt aufgetaucht ist. Aber stimmt das? Während des nicht enden wollenden Wartens wird die eigene Denkweise hinterfragt und die Absurdität des modernen Menschen deutlich.

Mögliche Vorbereitung

Charakterisierung des modernen Menschen im 21. Jahrhundert: Welche Gewissheiten hat er? Wodurch wird sein Leben beeinflusst? Welche Rolle spielen (soziale) Medien?

Speziell für den Theaterunterricht

VORSCHLÄGE FÜR ÜBUNGEN
Übungen zur Körperwahrnehmung: 

Im Kreis stehen, Oberkörper nach vorne fallen lassen, dann langsam Wirbel für Wirbel aufrichten. Die Arme heben und versuchen, durch maximale Streckung die Zimmerdecke zu erreichen. Die Füße bleiben fest auf dem Boden. (zweimal wiederholen).

Geburt 

Alle Spieler:innen legen sich verteilt im Raum auf den Boden (Rückenlage), schließen die Augen. Auf Zuruf der Spielleitung werden nach und nach folgende Bewegungsabläufe durchgeführt:

  • tief in den Bauch atmen
  • Augen öffnen
  • den Raumausschnitt genau betrachten, den man in der liegenden Position wahrnehmen kann (ohne den Körper zu drehen)
  • Hände betrachten: Finger, Gelenke bewusst bewegen
  • auf die rechte Seite rollen
  • auf den Bauch rollen
  • auf die linke Seite rollen
  • Füße entdecken: Füße und Beine isoliert bewegen, drehen, alle Bewegungsmöglichkeiten bewusst austesten
  • Rücken auf den Boden pressen und heben (Hohlkreuz)
  • sich in den Sitzstand aufrichten, dabei Bauchmuskeln wahrnehmen, sich wieder auf den Rücken legen, wieder in den Sitzstand (Sit ups)
  • verschiedene Sitzpositionen auf dem Boden ausprobieren
  • vom Sitzen in den Kniestand
  • aus dem Kniestand in den Stand aufrichten
  • sich nach oben recken
  • Körperspannung, aufrechte Haltung
  • Blick geradeaus richten, „Fokus“
  • das Gehen entdecken: in Zeitlupe gehen, dabei jeden einzelnen Bewegungsablauf wahrnehmen
  • beim Gehen über den heutigen Tag nachdenken
  • eine Pose finden, die einen wichtigen Moment des Tages ausdrückt
  • Freeze in dieser Pose  
Sich zueinander verhalten (ohne nachzudenken):  

Gruppe steht als Pulk, Spielleitung wählt eine Person aus, die sich von der Gruppe entfernt. Die Gruppe reagiert entweder geschlossen oder teilt sich auf bei den Reaktionen. Die Person reagiert darauf usw. Es hier geht darum, möglichst ohne nachzudenken auf den Körper zu hören, sich von ihm führen zu lassen. Dadurch entstehen ganze Geschichten. Musikuntermalung hilft.

Ein Körperteil führt

Zu Musik geht die Gruppe durch den Raum. Jede:r wählt einen Körperteil, der den Gang führt (Nase, Bauch usw). Mehrere Möglichkeiten ausprobieren.

Drei Ebenen

Auf der Bühne werden von drei Spieler:innen drei unterschiedliche Ebenen eingenommen: A (liegt = untere Ebene), B (kniet = mittlere Ebene), C (steht = obere Ebene). In dem Moment, in dem Spieler:in D die Bühne betritt und eine Ebene einnimmt, muss die Person, die diese Ebene vorher besetzt hat, eine andere einnehmen (D steht, also geht C z.B. in die mittlere Ebene, B muss dann eine andere Ebne einnehmen usw). Es entsteht ein ständiger Wechsel.

In einer weiteren Variante können sich die jeweiligen Spieler:innen zueinander verhalten, wodurch ein richtiges Spiel entsteht.