Schaf oder Wolf? Verlierer oder Gewinner? Die Entscheidung dürfte nicht allzu schwer fallen. Man muss ja einfach nur seine Überzeugung ändern, an sich glauben – und schon ist man auf der Seite der Gewinner. Behauptet jedenfalls Maximilian Krach, Protagonist aus „Mindset“. Kai Hufnagel hat den Debütroman von Sebastian Hotz für die Bühne des Altonaer Theaters bearbeitet und dort temporeich und mit viel Witz inszeniert.

Die Kritik
Einfach mal was behaupten, posten und als Wahrheit hinstellen. So geht das heute in den sozialen Medien. Ob das, was da steht, wirklich stimmt – schwer zu überprüfen. Aber es wirkt, setzt Maßstäbe, fordert heraus. Maximilian Kracht beherrscht dieses Spiel. Der selbsternannte Erfolgscoach weiß angeblich, dass jeder (und in diesem Fall muss nicht gegendert werden, denn es geht ihm nur um Männer) durch Durchhaltevermögen und den Glauben an sich selbst sein Leben vom Gejagten, also dem Schaf, zum Jäger, dem Wolf, ändern kann. Die Änderung des Mindset – das ist die Zauberformel.
„Mindset“ ist der Titel des Debütromans von Sebastian Hotz. Der 29jährige Satiriker und Podcaster hat sich als „El Hotzo“ vor allem auf Twitter und Instagram mit scharfzüngigen, manchmal grenzwertigen Beiträgen einen Namen gemacht, 2023 erschien sein erster Roman, der die als Wahrheit verkaufte Hochstapelei im Internet mit sehr viel Witz, wenn auch mit wenig Tiefgang unter die Lupe nimmt. Kai Hufnagel hat daraus für das Altonaer Theater eine Bühnenfassung erstellt und sie mit vielen ausgesprochen lustigen Einfällen zu einer kurzweiligen Komödie inszeniert.
Krachs Programm Genesis Ego kann Menschen wie Mirko helfen, vom Gejagten zum Jäger zu werden.
Ausstatter Johannes Fischer hat dafür eine nicht-realistische, multifunktional nutzbare Bühne gestaltet: Stahlgestänge mit schrägen und geraden Streben und fahrbare Podeste mit Stufen und Schrägen dienen als Showbühne, Bushaltestelle oder Schützenfest-Tribüne, dazu gibt es jede Menge weiße Plastik-Gartenstühle (Monoblock Lyra Weiß), die als Autos, Betten oder Laptops verwendet werden. Auf einer dieser Showbühnen präsentiert sich Maximilian Krach, der Erfolgscoach. Mats Kampens Krach, perfekt sitzender grauer Anzug, weißes T-Shirt, weiße Sneaker, breitet die Arme aus und erzählt breitbeinig und selbstsicher von seinem Werdegang vom einfachen, ausgebeuteten Pizzaboten hin zu einem, für den eine Rolex und ein Bentley selbstverständliche Accessoires sind. Krach-Consulting mit seinem Programm Genesis Ego kann Leuten wie Mirko helfen, endlich vom Gejagten zum Jäger zu werden. Johan Richter zeigt ihn als immer zu warm angezogenen, schwitzenden und mit der Umhängetasche kämpfenden jungen Mann ohne jegliches Selbstbewusstsein. Noch nach 11 Jahren wird er in seiner Firma als „Der Neue“ wahrgenommen, dessen Name – Mirko? Mario? – sich keiner merken kann. Nur Angelika, warmherzig und pragmatisch gespielt von Katrin Gerken, erkennt ihn immer und nimmt ihn im Auto mit, wenn der ÖPNV mal wieder streikt.
Beifall klatschende Frauen im Hintergrund, Speichel leckende Männer im näheren Umfeld
„Mindset“ ist eine Satire auf Aufschneider und Hochstapler, die Sätze wie „Reich aussehen ist dasselbe wie reich sein“ heuausposaunten und tatsächlich daran glauben. Alpha-Männer dieser Art (mit Beifall klatschenden Frauen im Hintergrund und Speichel leckenden Männern im näheren Umfeld) laufen derzeit haufenweise durch die Welt, das bekannteste Exemplar heißt Donald Trump. So jemandem gönnt man ein Gegenüber wie Yasmin. Cool und vollkommen unbeeindruckt von Krachs Gehabe beim Auschecken spielt Chantal Hallfeldt die Rezeptionistin im Holiday Inn. Das liegt allerdings nicht in New York oder London, sondern in Mülheim an der Ruhr. Glamour sieht anders aus – auch für Krach. Dessen Dekonstruktion beginnt nach der Pause des zweistündigen Abends und wird von der Inszenierung genüsslich zelebriert. Möge es in der Welt der Alpha-Males öfter so zugehen.
Weitere Informationen unter: https://www.altonaer-theater.de/programm/mindset/
INFORMATIONEN FÜR LEHRKRÄFTE
Inhaltliche Schwerpunkte
- Dekonstruktion eines Hochstaplers
- Kritik an Selbstoptimierung und den sogennaten Wahrheiten auf Social Medias
Formale SchwerpunKte
- Multifunktionale Bühnenbild und Requisiten
- Komik durch Kostüm und Verwendung von (nicht vorhandenen) Gegenständen
Vorschlag für Altersgruppe/Jahrgangsstufe
- Ab 15 Jahre, ab Klasse 10
- Empfohlen für den Deutsch-, PGW- und Theaterunterricht
Zum Inhalt
Mirko arbeitet seit gut zehn Jahren in der IT seiner Firma, wird dort aber immer noch als „Der Neue“ nicht richtig wahrgenommen. Im Internet erfährt er von Maximilian Krach, dem selbst ernannten Erfolgscoach. Dessen Devise lautet, dass es jeder schaffen kann vom Gejagten (er nennt es „Schaf“) zu Jäger (bei ihm „Wolf“) zu werden. Man müsse dazu einzig und allein sein Mindset ändern, also an sich glauben und Durchhaltevermögen beweisen. Mirko gibt sein Bestes, muss aber bald erkennen, dass Krach nichts weiter als ein Hochstapler ist, dessen gesamte Existenz auf Unwahrheiten aufgebaut ist.
Mögliche Vorbereitungen
Recherche zu
- Sebastian Hotz (Wirken in den sozialen Medien, im Fernsehen)
- Sebastian Hotz: Mindset (Inhalt)
- Ideale von Männlichkeit und Weiblichkeit in den sozialen Medien
Im Unterrichtsgespräch:
- Welche Rolle spielen für euren Alltag soziale Medien?
- Inwieweit beeinflussen sie euch?
- Welche Möglichkeiten gibt es, kritisch damit umzugehen?
Speziell für den Theaterunterricht
Komik durch Kontraste
Vorübung
Alle Spieler:innen haben eine Jacke vor sich liegen, verteilen sich im Raum und ziehen diese Jacke an.
Ablauf der Bewegung merken und in einzelne Schritte gliedern
Dann Jacke wieder ausziehen und den Vorgang wiederholen
- erst jeder für sich, dann als Gruppe Rhythmus finden
- einige S zum Zugucken rausnehmen
- eventuell mit Musik untermalen
Hauptübung
Die Spielleitung gibt einer Spielerin/ einem Spieler die Anweisung, sich beim Anziehen der Jacke zu verspäten, sich in den Ärmeln zu verheddern und dennoch zu versuchen, mit der Gruppe mitzuhalten.
Zwei Zuschauende rausnehmen und anschließend Wirkung besprechen.
Überforderung (Status-Spiel)
Die Spielleitung teilt Paare ein und gibt folgende Situation vor:
B tritt bei einem Bewerbungsgespräch an, Personalerin ist A. Der Text kann improvisiert werden. Wichtig ist: Spieler:in A bleibt dabei ruhig und selbstsicher (Hochstatus)in unauffälligem Kostüm, Spieler:in B trägt bei ihrem Dialogpart eine rutschende Hose und eine ständig von der Schulter gleitende Tasche.
Präsentation und Feedback