Die Fan -Gemeinde jubelt. Endlich ist Carmen Korns Bestseller „Töchter einer neuen Zeit“ auf einer Bühne zu sehen! Am Ernst Deutsch Theater hat Regisseur Gil Mehmert den ersten Teil der Jahrhundert-Trilogie dramatisiert, inszeniert und damit allen Fans Glücksmomente beschert. Der Beifall bei der Premiere wollte schier nicht enden.

Die Kritik
3. Mai 1945. Britische Truppen befreien Hamburg, fünf Tage später endet der Zweite Weltkrieg mit dem Sieg der Alliierten über Nazi-Deutschland. Isabella Vértes-Schütter, Intendantin des Ernst Deutsch Theaters, hat als politisch denkender Mensch alles daran gesetzt, die Premiere von „Töchter einer neuen Zeit“ kurz vor diesem Datum und achtzig Jahre später auf die Bühne ihres Hauses zu bringen. Denn in dem 2016 erschienenen ersten Band von Carmen Korns Trilogie geht es um die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg und die Hoffnung, aus den Fehlern gelernt zu haben und dann miterleben zu müssen, wie diese Träume zerbrechen. Der rechte Rand erstarkt, die Nationalsozialisten bauen ein Terror-Regime auf und führen Deutschland in den Zweiten Weltkrieg und in den Untergang. Man muss keinen Abschluss in Politikwissenschaften haben, um die Aktualität der Geschichte zu erkennen.
Die Dramatisierung des Romans ist eine echte Herausforderung.
Korns Roman umfasst auf knapp 600 Seiten ein umfangreiches Figurenpersonal an sehr unterschiedlichen Orten in einer Zeitspanne von 1919 bis 1945. Eine echte Herausforderung für eine dramatische Umsetzung also, die Mehmert jedoch unbeeindruckt mit einem 14köpfigen Ensemble auf sich nimmt. Im Zentrum stehen vier Frauen: Henny Godhusen (Pia Koch) lässt sich in der Hamburger Frauenklinik Finkenau zur Hebamme ausbilden. Ihre aus einfachen Verhältnissen stammende, selbstbewusste Kollegin Käthe (Katharina Pütter) wird später die Kommunisten unterstützen, Ida (Amber-Chiara Eul) hat mit Karl Landmann (auch in weiteren Rollen: Mark Weigel) einen wohlhabenden Hamburger Kaufmann geheiratet, den sie nicht liebt und mit dem Chinesen Tian (Dominik Gruber) betrügt. Und da ist letztlich Lina (auch in weiteren Rollen: Merle Hoch), eine alleinstehende Lehrerin, die mit Louise (Ines Nieri) eine zu der damaligen Zeit ungewöhnliche Partnerschaft eingeht. Korn, die selbst auf der Uhlenhorst lebt, hat ihren Roman in Hamburg angesiedelt. Lokalkolorit stellen neben den Ortsbezeichnungen (Duvenstedt, Alster) die Musiker Robin Brosch, Jonathan Wolters, Karsten Schnack mit dezent live gespielten Gassenhauern her. Mit Schiebermützen und Ringelshirts (Kostüme: Claudio Pohle) fügen sie sich ins Geschehen und übernehmen sogar kleine Rollen.

Die vielen Ortswechsel besorgt Nadin Schumachers überbordendes Bühnenbild. Da ist zunächst ein Haufen von Möbeln und beweglichen Türen, die von Szene zu Szene in Windeseile von den Schauspieler:innen verschoben, umgebaut und/ oder umgestaltet werden: Metallene Bettgestelle, eben noch Lager in der Frauenklinik, werden auf die Kante gestellt zur Schiffsreling oder mit einer Baskenmütze als Steuer zum Auto umfunktioniert. Türen werden gedreht und öffnen sich zur Wohnung der Lehrerin Lina oder zum eleganten Salon von Ida, Schauspieler:innen deuten Einrichtungsgegenstände an, indem sie auf Knien ein Tablett oder ein Waschbecken halten. Das alles zeugt von Fantasie und Spielfreude, hat Witz und macht Tempo. Letzteres überfordert jedoch vor allem zu Anfang diejenigen, die mit Korns Roman nicht vertraut sind. Personal und Orte wechseln mit einem Affenzahn, manche Szenen beschränken sich auf ein bis zwei Dialoge, dauern kaum eine Minute und ehe man sich’s versieht, werden die Möbel erneut verrückt, wechseln Licht und Figuren, und man fragt sich: Wer ist nochmal wer und hat welches Problem mit wem? Im Laufe des mit drei Stunden (inkl. Pause) doch etwas zu langen Abend wird aber auch der und die letzte mit den Figuren und ihren Schicksalen vertraut und wünscht sich dennoch, dass die Inszenierung noch konzentrierter und der politische Hintergrund ein wenig schärfer herausgearbeitet worden wäre. Dem Premierenpublikum war dieser Gedanke zumindest nicht anzumerken. Es feierte alle Beteiligten mit stehendem Applaus und bescherte dem größten deutschen Privattheater einen Erfolg, der ihm unbedingt zu gönnen ist.
Weitere Informationen unter: https://www.ernst-deutsch-theater.de/programm/veranstaltung/toechter-einer-neuen-zeit-373
INFORMATIONEN FÜR LEHRKRÄFTE
Inhaltliche Schwerpunkte
- Hoffnung auf ein friedliches Leben nach dem Ersten und später nach dem Zweiten Weltkrieg
- Pro und Contra Kinderwunsch
- Erstarken der Nationalsozialisten
- Widerstand gegen die Nazis
Formale SchwerpunKte
- Zergliederung der Handlung in viele Mini-Szenen
- Rollenwechsel
- Multifunktionales Bühnenbild mit Requisiten
- Live-Musik als Lokalkolorit
Vorschlag für Altersgruppe/Jahrgangsstufe
- Ab 16 Jahre, ab Klasse 10/11
- Empfohlen für Deutsch-, Geschichts- und Theaterunterricht.
Zum Inhalt
„Töchter einer neuen Zeit“ behandelt am Beispiel von vier Frauen und ihren Schicksalen die Zeit zwischen 1919 und 1945. Allen gemeinsam ist die Hoffnung auf ein friedliches Leben, das auch die Frage aufwirft, ob man Kinder in die Welt setzen soll oder nicht.
Henny Godhusen beginnt unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg eine Ausbildung als Hebamme in der Frauenklinik Finkenau. Ihre Kollegin Käthe stammt aus einfachen Verhältnissen, hat aber eine klare Meinung und ein starkes Selbstbewusstsein. Mit dem Erstarken der Nazis, beginnt sie, sich für die Kommunisten zu engagieren. Im Gegensatz zu Käthe lebt Ida in einer eleganten Wohnung am Hofweg mit ihrem wohlhabenden Mann Kurt Landmann. Sie genießt dessen Geld, ist aber nicht glücklich mit ihm und kennt auch das Leben außerhalb ihrer Gesellschaftsschicht kaum. Lina, die vierte der Frauenriege, ist Lehrerin und beginnt mit Louise eine für damalige Verhältnisse unerhörte Liebesbeziehung. Die Dramatisierung des Romans begleitet die vier Frauen durch diese 26 Jahre mit all ihren Schicksalsschlägen
Mögliche Vorbereitungen
- Recherche zum genauen Inhalt von Carmen Korn: „Töchter einer neuen Zeit“ (sowie eventuell zu den beiden nachfolgenden Romanen: „Zeiten des Aufbruchs“ und „Zeitenwende“
- Recherche zum historischen Hintergrund, insbesondere für Hamburg (1919 – 1945)
Speziell für den Theaterunterricht
Geschenke machen
Die Gruppe steht im Kreis. Ein:e Spieler:in A gibt nach rechts zu Spieler:in B einen imaginären Gegenstand weiter, indem sie dessen Größe, Maße und Gewicht mit der Art der Übergabe darstellt. B nimmt den Gegenstand entsprechend in Empfang wandelt ihn dann aber ab und gibt ihn mit neuen Maßen, Gewicht und Größe an Spieler:in C usw.
Gegenstände mit dem Körper darstellen
Die Spielleitung teil Dreier-Gruppen ein. Zwei oder drei Gruppen stehen auf der Bühne, die anderen Gruppen sitzen unten im Zuschauerraum und geben einen Gegenstand vor, den die jeweiligen Gruppen als Ensemble darstellen sollen (z. B. Tisch, Standuhr, Waschbecken usw.). Die unten Sitzenden wählen aus, welches Ergebnis das überzeugendste ist.
Drei Durchgänge, danach Wechsel.
Multifunktionales Requisit
Die Gruppe sitzt im Kreis, in der Mitte liegt ein bettlakengroßes Tuch. wer eine Idee hat, wie man das Tuch benutzen bzw was man mit ihm darstellen kann, geht in die Mitte, demonstriert die Idee und legt das Tuch zurück, bis der/die nächste mit einer Idee in die Mitte geht. (Tipp: Das Tuch kann als Tischdecke, als Leichentuch, als Schlange, als Baby usw verwendet werden).