Der Apfelgarten

Die Apfelernte ist auch nicht mehr das, was sie mal war. Die von Holts haben Schulden bis über beide Ohren, aber die Besitzerin des Obsthofs, Astrid von Holt, vergnügt sich seit Jahren in Berlin und gibt dort das Geld aus, was sie eigentlich nicht hat. Was wird aus dem Hof? Und was sind das für Menschen, die dort leben oder gelebt haben? Klingt ein bisschen nach Tschechow und soll es auch in der gelungenen Übertragung von Dörte Hansen und Antú Romero Nunes. Zur begeistert aufgenommenen Uraufführung von „Der Apfelgarten“ am Thalia Theater. 

Was wird aus dem Apfelgarten? Ratlosigkeit bei allen Beteiligten (v.li: Björn Meyer, Cathérine Seifert, Nils Kahnwald, Maja Schöne, André Szymanski, Lisa Hagmeiser, Jirka Zett) – Foto: Krafft Angerer

Die Kritik

Die Lösung lautet: Tiny Houses. Das Bauernhaus abreißen, die Apfelbäume umhauen und dann auf das freie Land Tiny Houses setzen. „Tiny Häuser“ sagt Torben. Er ist Geschäftsmann mit Sitz in Stade, sein Vater und sein Großvater waren noch Landarbeiter auf dem Bauernhof der von Holts, aber er hat es nach oben geschafft, selbst wenn das mit dem Englischen noch nicht ganz so klappt. Torben kennt den Hof und weiß, dass die Familie aus dem Schuldenberg nur mit der von ihm gebetsmühlenartig vorgetragenen Lösung herauskommt: das Land verpachten und Tiny-Häuser draufsetzen, bevor es unter den Hammer kommt, und damit Geld verdienen. Nur stößt er mit diesem Vorschlag bei der Besitzerin Astrid von Holt leider auf taube Ohren.

Es geht um Apfel- und nicht um Kirschbäume, der Gutshof in Russland ist jetzt ein Obsthof im Alten Land, die Leute hier begrüßen sich mit „Moin“ und kommen einem irgendwie bekannt vor. So ist das eigentlich immer bei den Romanen von Dörte Hansen, deren „Mittagsstunde“ bereits mit großem Erfolg im Thalia Theater lief. Zusammen mit Regisseur Antú Romero Nunes  (Lieblingsregisseur vieler, vor allem auch  junger Menschen, seit er mit Inszenierungen von „Invasion“ oder „Moby Dick“ am Thalia Theater die Herzen im Sturm eroberte) hat sie Tschechows „Kirschgarten“ in die Gegenwart übertragen und bleibt doch sehr nah an dessen Handlungsverlauf. Denn „Der Apfelgarten“ verhandelt ähnliche Themen, wie sie zu Beginn des letzten Jahrhunderts bei Tschechow auftauchten. Dennoch legen Hansen und Nunes das Augenmerk stärker auf eine Gesellschaftsschicht, die die Augen vor den Problemen des Landes (und damit auch der Natur) verschließt, die statt an deren Lösung mitzuarbeiten und Verantwortung zu übernehmen, lediglich in Nostalgie und Gefühlsduselei badet und die sich schließlich einfach davonmacht, als es nichts mehr zu retten gibt. Der in jedem Reiseführer stehende Apfelgarten und der Hof werden letztlich meistbietend verkauft und plattgemacht, um für die gewinnbringenden Tiny Häuser Platz zu schaffen. Denn das Kuriose ist ja, dass die reißenden Absatz finden werden. Großstädter wollen eben gerne auf’s Land, weil dort alles noch so ursprünglich ist.

Die Figuren sind mit viel Wärme und Einfühlungsvermögen gezeichnet.

Zwei schräg auf einander zulaufende Wände stilisieren das ganz in blau gehaltene Wohnzimmer der Familie von Holt. Durch das mittig angebrachte Fenster sind ein paar in warmes Licht getauchte Bäume zu sehen, ein augenzwinkernder Verweis auf traditionelle Tschechow-Inszenierungen (Bühne: Matthias Koch). In gebeugter Haltung mit einem Tablett voller Gläser wartet Torben Grabowski (Thomas Niehaus) auf die Ankunft der Familie von Holt. Hansen ist sich in der Konzeption ihrer Figuren treu geblieben. Wie in ihren Romanen sind sie alle mit viel Wärme und Einfühlsamkeit gezeichnet, die Geschichten, in denen sie auftauchen, tragen immer auch eine tiefe Traurigkeit in sich. In Nunes’ Inszenierung bekommt diese Tiefe zumindest am Premierenabend nicht immer den nötigen Raum, weil das Schrille, allzu Lustige manchmal überbordet. Dass die schwierige Balance zwischen Traurigkeit und Komik gelingen kann, zeigen die stilleren Momente dieser Arbeit, etwa in dem verkorksten Dialog zwischen Torben und Wiebke (Cathérine Seifert), bei dem weder er noch sie das sagen kann, was er oder sie eigentlich will. Das ist einerseits durchaus komisch, aber gleichzeitig auch wirklich traurig – gerade das ist ja das Wesen guter Komödien. Durchaus möglich aber, dass sich die Inszenierung im weiteren Vorstellungsbetrieb etwas beruhigt und nicht zu sehr in den Klamauk driftet.  

Niehaus macht aus der verzweifelten Situation eine Glanznummer.

Thomas Niehaus als Torben gelingt es, bei seiner Figur einen dunklen Hintergrund durchschimmern zu lassen und dadurch diesen Emporkömmling zur Sensation des Abends zu machen. Denn Niehaus zeigt einen Menschen, der seine Vergangenheit nicht leugnet und sich sehr wohl an die Prügel seines Vaters erinnert, nun aber versucht, diese irgendwie witzig darzustellen. Er verschweigt nicht, dass er zur Landarbeiterfamilie gehörte und in keiner Weise auf Augenhöhe war mit den von Holts. Wenn die jetzige Hofbesitzerin Astrid von Holt (Maja Schöne) mit ihrer Tochter Anja (Lisa Hagmeister) und ihrem Assistenten Alex (Jirka Zett) auftaucht, verhaspelt er sich zwischen „Du“ und „Sie“. Das „Sie“ rührt noch her aus seiner alten untergeordneten Stellung, aber längst schon ist er Astrid überlegen, zumindest finanziell, denn seine Geschäfte florieren. Ein „Du“ wäre also durchaus angebracht. Niehaus macht aus dieser verzweifelten Situation eine Glanznummer, sein Torben versucht weltmännisch zu erscheinen, wenn er bei Erklärungen lässig „round about“ einstreut, allerdings etwas zu häufig, woran seine Unsicherheit zu erkennen ist. Nein, dieser Torben ist alles andere als ein knallhart kalkulierender Geschäftsmann. Er bietet Astrid mehrfach an, den Hof zu verpachten, bevor er unter den Hammer kommt. Nur dringt er damit bei ihr nicht durch. Gunnar, ihr Bruder (bei André Szymanski ein serviler Typ ohne Haltung) bietet sich an, Geld von der reichen Tante zu besorgen, aber auch das lehnt Astrid ab. Maja Schönes Astrid ist einen Tick zu schrill und überdreht. Sie kommt direkt aus Berlin, wo sie über Jahre ihr Geld auf den Kopf gehauen hat. Sie lacht zu viel und zu laut, will die prekäre Situation des Hauses nicht erkennen, sondern lieber Party machen und bleibt zu eindimensional. Dabei birgt diese Figur einen großen Kummer: Ihr kleiner Sohn ist vor Jahren im Fluss hinter dem Apfelgarten ertrunken, deshalb ist sie nach Berlin geflohen.  Eine Schauspielerin wie Maja Schöne kann das in ihre Figur mitnehmen, man müsste sie nur lassen.

Die alte Beke (Gabriela Maria Schmeide) bleibt im Haus zurück. – Foto: Krafft Angerer

„Nach Charlottenburg“ – wie Tschechows drei Schwestern „nach Moskau!“ – sehnt sich auch Jirka Zetts Alex (sprich: „Älex“)zurück. Er hat diesen Vornamen angenommen, nachdem er vom Land in die Stadt gegangen ist. Das Dorf, das Land sind ihm zuwider, er will jemand anderes sein, ein Hauptstädter mit attraktivem Aussehen. „Ich liebe diesen Ort nicht“, mault auch Astrids Tochter Anja, bei Lisa Hagmeister eine störrische junge Frau, die sich für den merkwürdigen Dennis begeistert. Nils Kahnwald zeigt ihn als einen zauseligen Freak, der sehr genau sieht, was auf dem Hof schiefläuft. Das sieht auch  Nachbar Bert (Björn Meyer als dröniger Kauz), aber er hat eigene Interessen. Er umgarnt die alte Bente, die bei Gabriela Maria Schmeide mit Altländer Tracht (Kostüme: Lena Schön, Helen Stein) nicht mehr in der aktuellen Gegenwart lebt. Ihren Sohn Gunnar ermahnt sie damals, als er noch ein kleiner Junge war, eine warme Jacke anzuziehen, sie selbst wähnt sich als junge Frau, die man ins Kino ausführen will. Natürlich will sie auf dem Hof bleiben und ihn weder verpachten noch verkaufen. Ähnlich geht es ihrer Stieftochter Wiebke (Cathérine Seifert). „Ich kann hier sowieso nicht weg. Ich bin hier festgewachsen, an diesen Mauern, wie eine Flechte“, stellt sie fest. Seifert zeigt sie als Eigengewächs aus dem Dorf, derb und wortkarg. Der Hof ist ihre Heimat, und die verteidigt sie bis zuletzt. Nachdem Torben das Haus für einen Spottpreis ersteigert und endgültig abgeschlossen hat, bleibt sie mit Bente zurück. Stumm setzt sie sich auf einen Stuhl mit Blick auf die Eingangstür. Ein Gewehr im Anschlag. 

Zwei Stunden und zehn Minuten dauert dieser pausenlose Abend. Er vergeht wie im Flug. Man könnte ihn glatt noch einmal sehen.

Weitere Informationen unter: https://www.thalia-theater.de/stueck/der-apfelgarten-2024

INFORMATIONEN FÜR LEHRKRÄFTE

Inhaltliche Schwerpunkte
  • Zerstörung landwirtschaftlicher Betriebe zugunsten von wirtschaftlich effektiven Maßnahmen
  • Verantwortungslosigkeit und Desinteresse der Hofbesitzer
  • Landflucht vs Attraktivität des Landlebens
  • Ignorieren von Traditionen und Menschen
Formale SchwerpunKte
  • Realismus in Spielweise und Kostümen
  • Stilisiertes Bühnenbild
  • Trennung der einzelnen Bilder/Akte durch Vorhang
Vorschlag für Altersgruppe/Jahrgangsstufe
  • ab 16 Jahre, ab Klasse 10/11
  • empfohlen für den Deutsch- und Theaterunterricht.
Zum Inhalt

Die Apfelplantage der Familie von Holt hat abgewirtschaftet. Sie bringt nicht mehr die erwarteten Erträge, der Hof selbst ist überschuldet und wird zum Verkauf angeboten. Um das noch zu verhindern, holt Torben Grabowski die Besitzerin Astrid zurück nach Hause. Astrid hat sich, nachdem ihr kleiner Sohn Gregor im Fluss hinter dem Apfelgarten ertrunken ist, nach Berlin abgesetzt und dort ein großstädtisches Leben in Saus und Braus geführt und ihren Schuldenberg geflissentlich ignoriert. Jetzt taucht sie wieder auf dem Hof auf, zusammen mit ihrer erwachsenen Tochter Anja und ihrem Assistenten Alex. Anja, findet das Landleben öde und verbindet kaum etwas mit dem Hof, Alex kommt zwar aus dem Dorf, hier lebt auch noch seine Mutter, allerdings soll das alles schon längst nicht mehr in seiner Biografie stattfinden. Seit er mit Astrid nach Berlin gezogen ist, hat er sich mit Alex (sprich: „Älex“) einen neuen Vornamen gegeben und achtet nur noch auf sein elegantes Äußeres. Torben hat beste Absichten. Er kennt den Hof sozusagen von Grund auf: Sein Vater und sein Großvater waren hier als Landarbeiter angestellt, er selbst hat sich nach oben gearbeitet und ist als Geschäftsmann in Stade sehr erfolgreich. An dem Hof liegt ihm etwas. Deshalb schlägt er Astrid vor, ihn zu verpachten und den Apfelgarten abzuholzen, um darauf Tiny Häuser aufzustellen, diese dann an Großstädter zu vermieten und damit die Schulden zu begleichen. Schließlich gebe es ja eine Begeisterung für das Landleben. Astrid will von diesen Plänen allerdings nichts wissen. Sie badet in Nostalgie, ignoriert aber die prekäre Situation. Auch den Vorschlag ihres Bruders Gunnar, Geld von der reichen Tante aus Buxtehude zu leihen, schlägt sie in den Wind. Dabei beachtet sie nicht, dass ihre alte, mittlerweile nur noch in der Vergangenheit lebende Mutter Beke an dem Hof hängt. Ebenso wie ihre Stiefschwester Wiebke, die den Laden schon die ganze Zeit irgendwie bis zur Selbstaufgabe zusammengehalten gehalten hat. Aber Astrid macht lieber Party, statt sich der Verantwortung zu stellen, und so kommt es, dass die Zeit bis zur Versteigerung verstreicht und schließlich Torben den Hof für einen Spottpreis ergattert. Jetzt bestimmt er, wie es weitergeht. Nur Beke und Wiebke bleiben im Haus. Allerdings setzt sich Wiebke mit einem geladenen Gewehr der Haustür gegenüber.

Mögliche Vorbereitungen
  • Recherche zu Anton Tschechow
  • Über Referat oder Recherche: Inhalt von „Der Kirschgarten“
  • Recherche zu den verschiedenen Komödiendefinitionen
  • Recherche zu Dörte Hansen und ihrem Werk (Welche Schwerpunkte setzt sie?)
Im Unterrichtsgespräch
  • Inwiefern entspricht „Der Kirschgarten“ einer Komödie?
  • In welchen Punkten nähern sich Dörte Hansens Romane und Romanfiguren den Figuren von Tschechow an?
Speziell für den Theaterunterricht

Die Spielleitung verteilt den Text zu Antú Romero Nunes (s.u.).

Aufgabe (evtl. auch als vorbereitende Hausaufgabe):

Welche Schwerpunkte setzt Nunes in seiner Arbeit? Was ist ihm am Theater wichtig?

Text: Scheitern ist die höchste Kunst

Nichts ist mehr authentisch – nur noch das Theater. Der junge Regisseur Antú Romero Nunes erobert die deutschen Bühnen. VON MOUNIA MEIBORG

(…)

Die fünf Prozent gehen Antú Romero Nunes nicht mehr aus dem Kopf. Nur fünf Prozent der Deutschen, das hat er irgendwo gelesen, gehen ins Theater. Fünf Prozent! Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand FDP wählt, schwul ist oder keinen Job hat, ist höher.

Antú Romero Nunes ist einer der erfolgreichsten jungen Theaterregisseure im Land. Aber er sieht Theater, wie es die meisten Deutschen sehen: nicht als Regel, sondern als Ausnahme. Nicht als selbstverständlich, sondern als ziemlich kurios.

Eigentlich müsste sich Nunes keine Sorgen machen. Seine Vorstellungen sind oft ausverkauft. Mit 29 Jahren ist er fester Regisseur am Berliner Gorki-Theater. Die Liste der renommierten Häuser, an denen er gearbeitet hat, ist lang – Thalia Theater Hamburg, Schauspiel Frankfurt, Essen, Düsseldorf, Zürich, Wiener Burgtheater –, Preise hat er auch schon bekommen. Eigentlich ist alles bestens. Aber bei jeder neuen Arbeit denkt Nunes an die fünf Prozent – und vor allem: an die fehlenden 95 Prozent.

Dann schaut er von außen auf den Betrieb, in dem er steckt, und fragt sich: Wie kann eine junge Deutsche, die frisch von der Schauspielschule kommt, eine Griechin spielen, die vergewaltigt wurde und ihr Kind verloren hat? Wie soll ein Regisseur das inszenieren? Und warum sollte ein Zuschauer das glauben? Schließlich merke der ja, dass die Frau eine Schauspielerin ist und nicht vor ihrem verlorenen Zuhause, sondern vor einer Bretterwand steht.

Ein Schwabe mit portugiesisch-chilenischen Wurzeln ist der Regisseur Antú Romero Nunes. Geboren wurde er 1983 in Tübingen. Am Melchinger Lindenhof-Theater auf der Schwäbischen Alb lernte er sein Handwerk. Für seine Produktion »Das Prinzip Meese« wurde er im Jahr 2010 zum »Nachwuchsregisseur des Jahres« gewählt, im Jahr 2011 erhielt er den Kurt-Hübner-Regiepreis. Nunes ist Hausregisseur am Maxim-Gorki-Theater in Berlin.

(..) Nunes [hat] die Aufgaben für alle Beteiligten neu definiert. Der Regisseur und die Schauspieler sollen sich dem Stoff von ihrer eigenen Person aus nähern. Alles andere, sagt er, sei unehrlich. „Sonst ist ja keiner da auf der Probe. Über den Obdachlosen da draußen zu reden wäre anmaßend. Also reden wir erst mal über uns.“ Und die Zuschauer dürfen dabei zugucken. (…)

Nunes’ Inszenierungen anzuschauen ist ein bisschen, wie auf einer Probebühne zu sitzen. Zum Beispiel bei den Räubern, die letzten Herbst in Berlin Premiere hatten. Da erzählt der Darsteller Michael Klammer, wie schwer es sei, heute noch die Figur des Räuberhauptmanns Karl Moor zu spielen. Ratlos steht er an der Rampe – weil Henry Hübchen das doch schon so toll gemacht habe, damals, 1990 an der Volksbühne.

Die Illusion zerstören und die Mittel offenlegen: Das ist im Theater natürlich nichts Neues. (…).Längst aber ist dieses ästhetische Prinzip zur Bühnenmode verkommen. Kaum ein Stadttheater-Abend, an dem nicht irgendwann ein Schauspieler aus seiner Rolle aussteigt und den Zuschauern erklärt, das sei ja alles nur Theater. Meist hat das nicht viel mit dem zu tun, was davor oder danach passiert. Es ist ein kurzer Schenkelklopfer: Mann, sind wir ironisch!

Nunes dagegen meint es ernst mit der Dekonstruktion. In den Räubern sieht man einen Darsteller, der nicht spielen will, was das Publikum von ihm erwartet. „Was willst du sehen, Räuber und Mörder? Ja, mach den Scheiß doch selber!“, sagt er zu Beginn. Der Schauspieler pöbelt, denkt man – und sieht zugleich den Räuber, der sich der bürgerlichen Gesellschaft verweigert. Der Afrosüdtiroler Michael Klammer kommentiert nebenbei noch die Debatte um blackfacing, also um weiße Schauspieler, die schwarze Schminke auftragen und Schwarze darstellen: „Ist das Zebra jetzt weiß mit schwarzen Streifen oder schwarz mit weißen Streifen? Da muss doch mal Klarheit rein!“ Kurz darauf schimpft er als Karl Moor über die starre Gedankenwelt des „schlappen Kastratenjahrhunderts“.

Klammer nähert sich Schillers Text von außen und kriecht dann umso tiefer in ihn hinein. Der Umweg – die Probensituation, seine Not als Schauspieler, die Schwierigkeiten mit dem alten Text – wird zum Teil der Erzählung. Die Zuschauer haben großen Spaß an dieser lustigen, klugen Alleinunterhalter-Show. Schade um die 95 Prozent.

Quelle: Zeit-Online (gekürzt), letzter Zugriff: 13. April 2013  10:43 Uhr 

Besprechung im Plenum.

Spiel mit den Figuren aus „Der Apfelgarten“ .

Die Spielleitung liest zunächst die Inhaltsangabe zu „Der Apfelgarten vor (oder verteilt sie) und teilt danach den Kurs in vier Gruppen. Jede Gruppe erhält eine kurze Darstellung einer Figur aus dem Stück (vgl. Programmheft Nr 270 vom Thalia Theater zu „Der Apfelgarten, S. 30 – 32). Anmerkung: Die abgedruckte Konzeption der Figur ist vorläufig. Im Laufe der Proben haben sich einige Punkte geändert.

Aufgabe:
  • Lest euch die Beschreibung eurer Figur genau durch und ergänzt sie notfalls mit eigenen Ideen.
  • Überlegt euch auf der Basis der Inhaltsangabe Fragen, die ihr den anderen Figuren stellen wollt.
  • Wählt eine Person aus, die sich danach den Fragen der anderen Gruppen stellt. Ihr könnt dabei auch die Person austauschen.
  • Löst die Gruppen auf und erstellt im Anschluss eine Szene, in der die vier Figuren aufeinandertreffen. Das Thema sucht ihr euch selbst. (Dabei entstehen je nach Anzahl der jeweiligen Gruppenmitglieder mehrer Szenen)
Beschreibung der Figuren

Astrid von Holt: Hofbesitzerin und Bauerntochter mit Attitüde (alter Landadel), hat eine Schwäche für törichte Männer. Der Vater ihrer Kinder Anja und Gregor starb im Champagnerrausch. Sie stürzte sich in eine Amor for mit einem unsteten Geliebten. In dieser Zeit ertrank ihr Sohn Gregor im Fluss. Sie verließ das Alte Land, um alles zu vergessen und lässt ihre Teenagertochte Anja auf dem Hof zurück. Neustart in der Partystadt Berlin. Sie eröffnet in einem Charlottenburger Hinterhof eine Galerie. Der Geliebte folgt ihr und konsumiert in großem Umfang Drogen aller Art. Sie versucht ihn durch bedingungslose Liebe zu heilen, kauft ein Haus im Havellland. Doch es hilft nichts, der Geliebte betrügt und bestiehlt sie. Astrid ist eifersüchtig, versucht sich zu vergiften und kehrt zurück ins Alte Land.

Wiebke, Stieftochter von Beke, ist als Kind mit ihren Eltern ins Alte Land gekommen. Die Eltern haben bei der Apfelernte geholfen und sind dann weggezogen. Wiebke blieb zurück und wurde von Beke aufgenommen. Wiebke hält den Hof aufrecht. Sie ist tüchtig, weil sie arbeiten muss. Sie ist unter der Vorgabe „du musst dich gut verheiraten“ aufgewachsen, blieb aber Junggesellin. Sie ist gegenüber dem Haus loyal bis zur Selbstaufgabe.

Torben Grabowski: ein Geschäftsmann, kein richtiger Altländer. Seine Großeltern sind als Vertriebene in die Gegend gekommen. Sein Vater war Apfelpflücker, später Kleinbauer. Torben liebt Astrid „wie eine Verwandte … mehr als eine Verwandte.“ Als sein Vater ihn im Suff einmal verprügelt hat und zwei Zähne ausschlug, wusch Astrid ihm das blutige Gesicht und gab ihm das Gefühl, dass er mehr sein könnte als nur ein „dummer Bauer“. Und das ist er dann auch geworden. Nach einer Lehre als Maurer und Fliesenleger hat Torben mit Fleiß ein mittelständisches Bauunternehmen aufgebaut: seine Firma! Er ist ein Aufsteiger, nennt sich selbst „Selfmademan“. In seiner Tasche hat er bündelweise Bargeld und im Kopf viele Ideen.

Alex, persönlicher Assistent von Astrid, kommt aus der Gegend. Er wollte immer weg. Als sich die Chance anbot, Astrid zunächst als Praktikant nach Berlin zu folgen, konnte er das Alte Land verlassen. Für ihn ist Charlottenburg die ganz große Welt. Er ist immer etwas verspätet, steht gerne im Weg, hat aber gute Kontakte in die Berliner Nightlife-Szene. Irgendwann wird er das ganz große Ding starten. Bis dahin bleibt er an der Seite von Astrid und lebt von ihrem Geld.

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