Venus im Pelz

Manche denken bei dem Titel an den Film von Roman Polanski, manche an den Song von Velvet Underground. Und was ist mit David Ives Bühnenstück „Venus in Fur“? Wer es nicht kennt, sollte sich Kim Bormans gelungene Inszenierung von „Venus im Pelz“ im Theater Das Zimmer ansehen. 

Der Regisseur und Autor (Oliver Törner) mit der Schauspielerin Vanda (Lena Anne Schäfer) – Foto: Patrick Bieber

Die Kritik

Noch haben nicht alle Zuschauer:innen im Halbrund um die Bühne Platz gefunden, noch beleuchten Neonleuchten in kühler Organisationsstrenge den kleinen Theaterraum, da läuft bereits der Schauspieler Oliver Törner nervös hin und her. Schnauzt ein genervtes „Nein!“ in sein Handy, verschwindet wieder. Törner spielt den Autor und Regisseur Thomas Novacheck, eine der beiden Hauptfiguren in „Venus im Pelz“. Grundlage ist Leopold von Sacher-Masochs Novelle von 1870, 2011 hatte die Bühnenfassung von Davis Ives am Broadway Premiere, zwei Jahre später sorgte Roman Polanskis Verfilmung in Cannes für Furore. Unbeeindruckt von derlei großen Namen hat das winzige Theater Das Zimmer das Zwei-Personen-Stück in seinen Spielplan genommen und mit Kim Borman eine Regisseurin gefunden, die die beiden Akteure sensibel und konzentriert durch den knapp zweistündigen Abend (inklusive Pause) zu führen weiß. 

Die zu erzählende Geschichte ist kompliziert genug und verlangt Törner als Autor/Regisseur und Lena Anne Schäfer als Schauspielerin Vanda einiges ab. Geht es doch um ein Spiel, einen Rollentausch, in dem Geschlechterrollen an sich und Sexualität und Begierde ausgelotet werden. Doch der Reihe nach. 

Novacheck verliert mehr und mehr die Oberhand. Jetzt ist es Vanda, die sagt, wo es lang geht.

Thomas Novacheck ist genervt und müde. 35 Vorsprechen hat er hinter sich und noch immer keine passende Besetzung für die Rolle der Vanda in seinem Stück „Venus im Pelz“ gefunden. „Die reinste Verschwörung! Solche Frauen gibt’s einfach nicht!“, bellt er in sein Handy und packt seine Sachen zusammen. Er will jetzt nur noch nach Hause zu seiner Verlobten Sally. Da stolpert mit einem lauten „Scheiße!“ eine junge Frau herein. Angeblich war sie verhindert, pünktlich zu den Auditions zu kommen, jetzt beharrt sie auf einer Chance. Dass sie auch privat wie die Bühnenfigur Vanda heißt, sieht sie als Vorteil. So wie Schäfer ihre Figur anlegt, duldet sie von Anfang an keine Widerworte, bleibt dabei aber zunächst subtil. Man spürt, dass sie es auf eine Zweisamkeit mit Novacheck angelegt hat und dass sie sehr wohl weiß, was in dem Textbuch steht, obwohl sie das Gegenteil behauptet. Kostüme hat sie für sich und Severin, der Rolle des männlichen Parts im Stück, auch gleich mitgebracht. Bestimmte Novacheck anfangs noch das Geschehen, indem er versuchte, Vanda abzuwimmeln und auf ein späteres Vorsprechen zu vertrösten, verliert er mehr und mehr die Oberhand. Jetzt ist es Vanda, die sagt wo es lang geht. Sie besetzt Novacheck kurzerhand als Severin, übernimmt Regie und Technik  und zeigt, dass sie den gesamten Text auswendig kennt. Während Törners Figur immer unkonzentrierter, verwirrter und fügsamer bis hin zur Demütigung wird, gewinnt Schäfers Vanda an Dominanz, spielt lustvoll ihre Macht aus und springt dennoch kurz aus der Rolle, um die Situation und vor allem Novachecks mittlerweile totale Identifikation mit der Severin-Figur und deren Masochismus zu reflektieren. Aber sind es nicht oft Frauen, die gedemütigt werden? Die Schauspielerin Vanda steckt Novacheck in das Kostüm der Vanda-Figur und bindet ihn fest. Dann zieht sie ihre private Kleidung an und geht.

Ein vielschichtiger, sehenswerter Abend. 

Weitere Informationen unter: https://www.theater-das-zimmer.de/stueck/venus-im-pelz/

INFORMATIONEN FÜR LEHRKRÄFTE

Inhaltliche Schwerpunkte
  • Ergründen der Geschlechterrollen
  • Kunst des (Schau-)Spielens
  • Dominanz und Demütigung 
Formale SchwerpunKte
  • realistische Spielweise, darin: Wechsel der verschiedenen Rollenebenen
Vorschlag für Altersgruppe/Jahrgangsstufe
  • Das komplexe Thema und die entsprechende Spielweise sind anspruchsvoll und nur bedingt geeignet für Schulklassen.
  • Möglich aber ab 17 Jahre, ab Klasse 11/12
Zum Inhalt

Der Autor und Regisseur Thomas Novacheck sucht nach einer Schauspielerin für die Rolle der Vanda in seinem Stück „Venus im Pelz“, das er nach einer Novelle aus dem 19. Jahrhundert geschrieben hat. Nachdem er 35 Vorsprechen hinter sich gebracht hat und  nach Hause gehen will, erscheint plötzlich noch eine junge Schauspielerin, die trotz der Verspätung auf einem Vorsprechen beharrt. Dass sie wie die Bühnenfigur auch privat Vanda heißt – so sagt sie zumindest – erscheint ihr als Vorteil. Außerdem hat sie eine Tasche voller Kostüme mitgebracht und beschwatzt Novacheck so lange, bis er einwilligt, sie anzuhören und selbst die Rolle des Severin, ihres Bühnenpartners, übernehmen. Obwohl Vanda behauptet, den Text nur überflogen zu haben, stellt sich schnell heraus, dass sie das gesamte Skript auswendig kann, sehr genaue Vorstellungen von Regie und Technik sowie von der Darstellung der Figuren hat. Mehr und mehr  dominiert sie das Spiel, während umgekehrt Novacheck seine Autorität verliert, sich immer stärker mit der Rolle des masochistischen Severin identifiziert. Am Ende verlässt ihn Vanda und er bleibt er gedemütigt zurück.

Mögliche Vorbereitungen

Recherche zu „Venus im Pelz“ (Inhalt der Novelle von Leopold von Sacher-Masoch; Bühnenadaption und Verfilmungen)

Speziell für den Theaterunterricht

Der Status-Wechsel spielt in dieser Inszenierung eine entscheidende Rolle

Einführung von Hoch- und Tiefstatus über Szene mit zwei Stühlen und zwei Spielern. Die beiden Spieler werden mit Auftrag versehen, die anderen beobachten.

Auftrag an die beiden Spieler A und B:
  • Ihr habt Karten für ein total ausverkauftes Theaterstück. Ihr kommt sehr spät und seht, dass nur zwei Plätze nebeneinander frei sind. Das Problem ist: A  hasst B von ganzem Herzen, muss sich aber neben ihn setzen. B hat vor Monaten A etwas Schlimmes angetan, für das er/sie sich unendlich schämt. Jetzt trifft er /sie B erstmals wieder und muss sich neben ihn/ihr setzen. 
  • Macht eure Situation nur durch eure Körpersprache deutlich.
  • Besprechung dessen, was die anderen gesehen haben. Einführung der Begriffe Hoch – und Tiefstatus ; erklären, dass es innerhalb des jeweiligen Status auch Abstufungen gibt.
Statusspiele (Teilung der Gruppe)

Party:  (Gruppe 1) Ihr seid auf einer Party, drei von euch (abzählen) nehmen durch Gangart und Körperhaltung viel Raum ein, drei ziehen ständig an der eigenen Kleidung, drei legen beim Reden dem Gegenüber die Hand auf die Schulter oder nehmen ihn in den Arm, drei können nicht ruhig stehen, haben ständig die Hände am Körper, spielen mit Fingern etc.

Bürgersteig (Gruppe 2). 
  • Ihr begegnet euch auf einem sehr engen Bürgersteig. Wählt euch eine Zahl für eure Statusform
  • ( 1 tiefster Tiefstatus bis 5 höchster Tiefstatus; 6 tiefster Hochstatus bis 10 höchster Hochstatus).
  • Kurzes Üben, dann Präsentieren. Die jeweils zuschauende Gruppe muss Status und dessen Abstufungen erkennen/ erraten.
  • Besprechung im Kreis

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