Ein Sommernachtstraum

So eine Sommernacht kann schon einiges durcheinanderbringen. Die Kontrolle ist ausgeschaltet, das Chaos übernimmt. Zu Mona Kraushaars rasanter Inszenierung von Shakespeares „Ein Sommernachtstraum“ am Ernst Deutsch Theater. 

Alle irgendwie verzaubert:Anatol Käbisch, Luis Quintana, Alina Danko und Marie Scharf (v.l.) – Foto: Oliver Fantitsch

Die Kritik

Vernunft spielt keine Rolle mehr. Ist einfach ausgetrickst. Genauso wie jeder sorgfältig kalkulierte Plan. Dafür brechen ungefiltert Gefühle und Begierden hervor und führen, wen wundert’s, ins Chaos. So ungefähr ließe sich Shakespeares „Ein Sommernachtraum“ auf den Punkt bringen, eine seiner wohl berühmtesten und meistgespieltesten Komödien. Vor allem dann, wenn sich der Sommer ankündigt. So beschließt auch das Ernst Deutsch Theater seine Spielzeit 2023/24 mit diesem nicht umzubringenden Stück. Inszeniert hat es  Mona Kraushaar. 2013 war sie für ihre Produktion von „Was ihr wollt“ an diesem Haus  mit dem Theaterpreis Hamburg – Rolf Mares ausgezeichnet worden, mit Shakespeare kennt sie sich aus. Es ist das Anarchische, Grenzenlose,  aber auch die Täuschung, das sie in ihrem „Sommernachtstraum“ mit nur fünf Spielenden hervorhebt.

„Viel Spaß und habt Mut! Alles wird gut.“

Die bis zur Brandmauer geöffnete schwarze Bühne (Katrin Kersten) zeigt zunächst nur rechts ein Klavier und im Hintergrund eine rote Ottomane. Im weiteren Verlauf der zweieinhalb rasanten, nur von einer Pause unterbrochenen Stunden fällt ab und zu der echte Theatervorhang, manchmal werden nur Gaze-Vorhänge unterschiedlicher Farben gezogen, bis am Ende doch wieder alles weggeschoben und nur die nackte Brandmauer zu sehen ist. War also alles nur Illusion, die Realität in ihrer ganzen Nüchternheit hat uns wieder. In diese Schmucklosigkeit tritt zu Anfang bei eingeschaltetem Saallicht das Ensemble an die Rampe und stellt in einem Prolog klar, dass wir hier nichts anderes als ein Spiel sehen. Mit einem aufmunternden „Viel Spaß jetzt und habt Mut! Alles wird gut“, verlassen die Fünf die Bühne, der Theatervorhang fällt, das Spiel beginnt.

Kurz zur Erinnerung: Vor dem Hochzeitsfest von Theseus mit der von ihm besiegten Amazonenkönigin Hippolyta gibt es  Ärger: Egeus’ Tochter Hermia weigert sich, den vom Vater auserwählten Demetrius zu heiraten, weil sie Lysander liebt. Gemeinsam mit ihm flieht sie, weiht aber vorher ihre Freundin Helena ein. Die empfindet sich als hässlich, nicht zuletzt weil sie von dem von ihr geliebten Demetrius abgewiesen wird. Hermia und Lysander verirren sich auf ihrer Flucht in einem Wald, in dem auch Helena und Demetrius auftauchen. Soweit die erste Ebene. Die zweite spielt im Wald, wo Elfenkönig Oberon herrscht, Stress mit seiner Gattin Titania hat und seinen Diener Puck beauftragt, mit einem Zaubersaft für Verwirrung zu sorgen. Damit nicht genug. Es kommt noch eine dritte Spielebene dazu: Eine Handwerkertruppe probt ausgerechnet in diesem Wald ein Stück für die Hochzeit von Theseus. Einer von ihnen, Klaus Zettel, wird ebenso Opfer von Pucks unkonzentriertem Umgang mit dem Saft wie auch Lysander und Demetrius, kurz: Es herrscht ein heilloses Durcheinander.

Eigentlich ist es völlig egal, wer hier wer ist.

Mona Kraushaar setzt dieses Chaos genussvoll mit einem vor Spiellust überbordenden Ensemble um. In Windeseile wechseln die fünf Schauspielenden Rollen und Kostüme (Kostüme: Nini von Selzam): Alina Danko (als Hermia, Handwerker Flaut und Elf Bohnenblüte), Luis Quintana (als Theseus, Oberon, Lysander, Handwerker Peter Sequenz und Elf Senfsamen), Anne Kulbatzki (als Philostrat, Puck und Die Wand), Marie Scharf (als Hippolyta, Titania, Demetrius und Handwerkerin Stephanie) und Anatol Käbisch (als Helena, Handwerker Klaus Zettel und Elfe). Das alles hat Tempo und macht Spaß, die Handwerkerszenen mit dem sich als Rampensau gerierenden Klaus Zettel ebenso wie die völlige Verwirrung der Liebespaare oder die trockenen Kommentare des Klavier spielenden Puck. 

Die Handwerker proben: Luis Quintana, Alina Danko, Anatol Käbisch und Marie Scharf (v.l) – Foto: Oliver Fantitsch

Je weiter die Sommernacht voranschreitet, desto schneller geschieht der Rollen-und Kostümwechsel. Bald gibt es keine klare Trennung mehr durch die Kostüme, die Grenzen zwischen den Ebenen verschieben sich, und eigentlich ist es auch völlig egal, wer hier wer ist und wer was zu tun hat oder für wen etwas empfindet. Es geht um das  anarchische Gefühl und den Spaß, alles andere ist zweitrangig. Mit dem Song „What a wonderful world“, beschließt Puck/ Kulbatzki das Stück. Die Vorhänge werden zurückgezogen, übrig bleibt nur die kahle Brandmauer. Gut, es braucht Nüchternheit und  Vernunft, aber was wäre das Leben ohne Spiel, ohne Verrücktheiten? Zu Recht wurde die Inszenierung bei der Premiere begeistert gefeiert. Man sollte sich diesen anarchischen Spaß nicht entgehen lassen.  

Weitere Informationen unter: https://www.ernst-deutsch-theater.de/programm/veranstaltung/ein-sommernachtstraum-339

INFORMATIONEN FÜR LEHRKRÄFTE

Inhaltliche Schwerpunkte
  • Verzauberung und Auslöschung der Vernunft
  • Verwirrung der Gefühle
Formale SchwerpunKte
  • Verteilen von ca 20 Rollen auf fünf Spielende 
  • rasanter Rollen- und Kostümwechsel
  • Begleitung durch Musik
Vorschlag für Altersgruppe/Jahrgangsstufe

ab 15 Jahre, ab Klasse 10

empfohlen den Englisch-, Deutsch- und Theaterunterricht

Zum Inhalt

Theseus, der Herzog von Athen, plant seine Hochzeit mit Hippolyta, der von ihm besiegten Amazonenkönigin, als er erfahren muss, dass es Schwierigkeiten gibt: Egeus’ Tochter Hermia will nämlich nicht Demetrius heiraten, den der Vater für sie ausgesucht hat, weil sie Lysander liebt. Das Problem ist: Wenn sie sich dem väterlichen Willen widersetzt, droht ihr die Todesstrafe. Hermia lässt sich allerdings nicht beirren und beschließt, mit Lysander zu fliehen. Vorher weiht sie noch ihre unglückliche Freundin Helena ein. Die liebt ausgerechnet Demetrius, den ja Hermia heiraten soll, nur hat der leider für Helena gar nichts übrig. Bei ihrer Flucht verirren sich Hermia und Lysander in der Nacht in einem Wald, wo auch plötzlich Helena und Demetrius  auftauchen, letzterer permanent von der liebeswütigen Helena verfolgt. Die vier Athener wissen nicht, dass der Wald die Welt der Elfen ist, die vor allem nachts tätig werden. So zum Beispiel ihr König Oberon.  Der will seine Gattin Titania will, weil sie ihm einen Knaben vorenthält. Er bittet also seinen Diener Puck, sie mit einem besonderen Saft zu verzaubern, während sie schläft. Im Wald treffen sich aber auch ein paar Handwerker, die das Stück „Pyramus und Thisbe“ für die Hochzeit des Herzogs einstudieren. Nach der langen Probe legen sie sich ebenso wie die vier durch den Wald irrenden Athener zum Schlafen hin. Aus Versehen, vielleicht aber auch nur, weil es ihm Spaß macht, tropft Puck den Saft nicht nur auf Titania, sondern auch auf Demetrius und Lysander, und den Handwerker Klaus Zettel verwandelt er in einen Esel. Wie von Oberon gewünscht, verliebt sich Titania beim Erwachen in das erste Wesen, das sie sieht, und das ist der Esel. Demetrius und Lysander verlieben sich gleichermaßen in Helena und Hermia hat das Nachsehen. Erst als langsam der Morgen graut, verfliegt der Zauber. Das Durcheinander hat ein Ende, die Paare finden zueinander und die Handwerker können bei der Hochzeit ihr Stück aufführen.  

   

Mögliche Vorbereitungen
  • Lektüre von Shakespeare: Ein Sommernachtstraum oder 
  • Recherche zum Inhalt
  • Recherche zu Shakespeares Komödien
Speziell für den Theaterunterricht
Haltung und Gang

Die Gruppe geht in neutraler Haltung durch den Raum. Nach einem akustischen Zeichen gibt die Spielleitung eine Figur vor. Die Spielenden sollen eine entsprechende Haltung und einen entsprechenden Gang einnehmen sowie sich zu ihrer Umgebung verhalten, bis die Spielleitung mit einem Signal die Figuren wieder auflösen lässt. Der Raumlauf geht weiter, bis eine neue Anweisung kommt.

Beispiele: 

  • Ihr seid Adlige an einem Hof. 
  • Ihr seid verliebt. 
  • Ihr fühlt euch hässlich und ungeliebt. 
  • Ihr seid zarte Elfen.
  • Ihr seid der Chef einer Handwerkergruppe.
  • Ihr haltet euch für einen großartigen/ eine großartige Schauspieler:in
  • Ihr seid Kobolde.
Angelehnt an das Impro-Theater ist folgende Übung möglich:

Die Gruppe (10 Personen max.) sitzt im Kreis. Zwei Spielende stehen in der Mitte und improvisieren eine Szene. Festgelegt sind der Ort und die Personen, angelegt an den „Sommernachtstraum“; d.h. das erste Paar beginnt z.B. als „Liebespaar“ im „Palast“. Jemand aus der Gruppe klatscht sich nach kurzer Zeit ein, die Spielenden gehen ins Freeze, der/die neue Spieler:in übernimmt die Haltung eines der beiden Spielenden (der/die dann wieder in den Kreis tritt). Die Gruppe gibt jetzt einen neuen Ort und neue Personen eventuell mit Eigenschaft vor. Eventuell kann die Spielleitung vorher entsprechende Karten vorbereiten.

Beispiele für Orte: Wald, Palast, hohler Baum, Mooswiese, Probebühne, Straße, Waldweg, 

Beispiel für Personen: Herzog, adliges Mädchen, verliebter Mann, Diener, Handwerker, eingebildeter Schauspieler, abgewiesenes Mädchen, abweisender Mann  

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert