Der letzte Pinguin

Alles gut gemeint. Alles woke. Alles voll im Klimaschutz. Was sich tatsächlich dahinter verbirgt, zeigt Sönke Andersens neueste Komödie. Zur kongenialen Inszenierung von Murat Yeginer am Ohnsorg Theater.

Tatsächlich Pinguine! – Foto: Oliver Fantitsch

Die Kritik

Sie ist ganz klar „immer noch eine von den Guten“. Sagen nicht nur frühere Mitstreiter, sondern auch sie selbst. Als Ministerin in Schleswig-Holstein hat sie sich jahrelang für die Umwelt stark gemacht, jetzt setzt sie sich als Europa-Abgeordnete in Brüssel für vom Klimawandel bedrohte Tierarten ein. Hannelore Strackmann-Siebeknecht macht anscheinend alles richtig. Um ein Schutzgebiet für die letzten frei lebenden Pinguine in der Antarktis einzuweihen, hat sie eine Kreuzfahrt dorthin initiiert. Natürlich mit Prominenz der PR wegen. Eine in jeder Hinsicht fatale Entscheidung, wie sich im Laufe der so unterhaltsamen wie bitterbösen Komödie von Sönke Anderen herausstellen wird.

„Der letzte Pinguin“ ist sein viertes Stück für das Ohnsorg Theater, Oberspielleiter Murat Yeginer besorgt auch hier die plattdeutsch/ hochdeutsche Uraufführung. Das ist ein Glück, denn Yeginer und Andresen  haben ein ähnliches Gespür für das, was eine gute Komödie ausmacht, nämlich einen ernsten Kern in Witz und Satire zu verpacken. Wer hier lacht – und das passiert eigentlich den gesamten zweistündigen Abend über – bekommt trotzdem ein, vielleicht sogar mehrere gesellschaftlich relevante Themen mitserviert, über die man später ins Gespräch kommen kann.

Ort der Handlung ist ein Kreuzfahrtschiff der „Colour Tours“. Ausstatterin Anika Sedello hat dafür die Bühne als Salon sowie den Rahmen des Schiffes schlohweiß gestaltet. Dahinter öffnet sich ein knallblaues Meer, später werden dort Eisberge und Eisschollen zu sehen sein. Blau wie das Meeres ist auch das Kostüm der Europa-Abgeordneten und das der Servicekraft, eine täuschende Einheit von Mensch und Natur. Denn eine Kreuzfahrt in unberührte Teile der Welt zum Schutz bedrohter Arten ist schon ein Widerspruch in sich.

Gendern nicht vergessen: „Pinguin:innen“ also, nicht „Pinguine“

Hannelore Strackmann-Siebeknecht (Laura Uhlig) merkt das nicht. Sie bewegt sich in einer super woken Blase. Positiv rüberkommen lautet das erste Gebot, und vor allem gendern nicht vergessen: „Pinguin:innen“ also, nicht „Pinguine“. Für die Entrechteten in der Welt hat sie noch immer ein Herz, zum Beispiel für die ausgebeutete philippinische Servicekraft, nur überhört sie, dass Daau Villaflor (Nina Balthasar) nicht von den Philippinen, sondern aus Hamburg-Uhlenhorst kommt. Uhlig zeigt die feine Überspitzung einer Politikerin, die jede Bodenhaftung verloren hat. Ein Indiz dafür ist die Liste ihrer alle Generationen und Sparten berücksichtigende Ehrengäste: Da ist der abgehalfterte Schlagersänger Momme Petersen, der bei Erkki Hopf die Reise und seinen ausbeuterischen Manager Hank Schneider (Dieter Schmitt) nur im Dauersuff aushalten kann. Da ist das schrille, ständig fotografierende und filmende Influencer-Pärchen (Linda Stockfleth, Vincent Lang), da ist das Gewinnerpaar aus Süderbrarup: die grüne Ideen unterstützende (allerdings einen Nerzmantel tragende) Ines Strunz (Verena Peters), ein bekennender Fan von Momme Petersen, und ihr bärbeißiger, manches auf den richtigen  Punkt bringender Gatte Rüdiger (Peter Kaempfe). Schließlich ist da noch der Wissenschaftler Gisbert Wolf, bei Anton Pleva ein Nerd, der sich nicht zu schade ist, Sprache und Tänze der Pinguine vorzuführen. 

Dass diese Kreuzfahrt nicht zum gewünschten Erfolg führt, ist klar. Und dennoch gibt es ein glückliches Ende. Fragt sich nur für wen.

Weitere Informationen unter: https://www.ohnsorg.de/events/der-letzte-pinguin-2/

INFORMATIONEN FÜR LEHRKRÄFTE

Inhaltliche Schwerpunkte
  • der Klimawandel und seine Folgen
  • vordergründiges Engagement für die Umwelt
  • Realitätsferne bei Influencern und Politikern
  • Korruption
Formale Schwerpunkte
  • Zusammenstellung von Figuren aus unterschiedlichen Generationen und Kontexten
  • Nebeneinander der Figuren (jede verfolgt eigene Interessen und Gespräche)
Vorschlag für Altersgruppe/Jahrgangsstufe
  • ab 14 Jahre, ab Klasse 9
  • geeignet für Geografie- und Theaterunterricht
Zum Inhalt

Die EU-Abgeordnete Hannelore Strackmann-Siebeknecht  hat eine Kreuzfahrt initiiert, mit der sie in der Antarktis ein Schutzgebiet für die letzten frei lebenden Pinguine einweihen will. Damit das Ganze eine breite Öffentlichkeit erfährt, hat sie eine illustre VIP-Gesellschaft zusammengestellt: ein Influencer-Pärchen für die Handy-affine junge Generation, einen Schlagersänger mit Manager für die reiferen Mitmenschen, ein Ehepaar aus einem norddeutschen Dorf, das die Fahrt bei einer Verlosung gewonnen hat und somit den Normalbürger anspricht, und letztlich einen Wissenschaftler, der zwei Jahre lang bei den Pinguinen gelebt hat. Dessen Anwesenheit garantiert ein Interesse von Naturwissenschaft-Fans. Für die Einweihung auf der bislang unberührten Insel werden weitere Hochkaräter aus der Politik erwartet. Alles prima also. Doch dann läuft die Fahrt aus dem Ruder. Schlagersänger Momme Petersen betrinkt sich hemmungslos und kündigt seine Karriere auf, die Influencer sind plötzlich offline und den Ausführungen des Wissenschaftlers will keiner zuhören, da alle mit eigenen Problemen beschäftigt sind. Außerdem gerät der Zeitplan durcheinander. Das Schiff kommt viel zu früh zur Insel, die angekündigten Politiker sind noch nicht da, aber leider auch keine Pinguine, und die VIP-Gäste haben sich so zerstritten, dass sie die Insel nacheinander auf sehr unterschiedliche Weise verlassen. Zurück im ewigen Eis bleibt Hannelore Strackmann-Siebeknecht, umringt von ein paar Pinguinen.   

Mögliche VorbereitungeN
Über Referate oder als vorbereitende Hausaufgabe:
  • Mobilität und Klimawandel: Folgen von Verkehrsmitteln wie Auto, Bahn, Kreuzfahrtschiffe, Flugzeuge für den Klimawandel. Wie lassen sie ich eindämmen?
  • Position politischer Parteien zum Klimawandel
  • Reflexion zum eigenen Umgang mit dem Klimawandel.
  • Die Welt der Influencer:innen: Wieviel Realität steckt darin?
  • Welche Rolle hat sie  a) auf die Gesellschaft, b) auf das eigene Verhalten?
Speziell für den Theaterunterricht
Übung 1

Die Spielleitung verteilt Karten, auf denen folgende Charaktere stehen: Influencer/Influencerin;  engagierter Politiker/ engagierte Politikerin; ehrgeiziger Manager/ehrgeizige Managerin; ausgebrannter Schlagerstar; nerdiger Naturforscher/ nerdige Naturforscherin; Schlagerfan; Landwirt/ Landwirtin

Mehrer Spieler:innen können die gleichen Karten bekommen, sodass es von einem Charakter mehrere Varianten gibt.

Die Gruppe geht durch den Raum und versucht für ihre jeweilige Figur eine Gangart, eine typische Bewegung und einen typischen Satz zu finden.

Übung 2

Die Spielleitung lässt unterschiedliche Charaktere einander nacheinander begegnen ( z.B. Landwirt:in trifft Manager:in) und sich mit dem ausgewählten Satz begrüßen. Hier sind unterschiedliche Variationen möglich.

Übung 3

Die Spielleitung teilt alle gleichen Charaktere in je eine Gruppe ein. Die jeweilige Gruppe stellt ihre Figuren mit Gang und Bewegung dar und versucht in ein Gespräch zu kommen. Dabei kann der ausgewählte Satz als Impuls dienen). 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert