Stefan Puchers konzentrierte Adaption von Shakespeares „Julius Caesar“ im Malersaal
Die Kritik
Der Typ ist eine Zumutung. Ganz in Gold gewandet brüllt er gegen den dunkel grollenden Sound aus der Anlage und schert sich den Teufel darum, ob die „People of Rome“ seine englisch-japanische Rede voller haltloser Versprechungen auch nur im Ansatz verstehen. Aber er ist Caesar, Herrscher über die Römer und besoffen von sich selbst. Das knallrot geschminkte Gesicht der Schauspielerin Sashiko Hara lässt an Bluthochdruck, unkontrollierte Wutausbrüche und Donald Trump denken, und sicher lieferte der und ähnlich geartete Machthaber eine Vorlage für Stefan Puchers Inszenierung von „Caesar“ im Malersaal des Hamburger Schauspielhauses. Pucher hat Shakespeares Drama „Julius Caesar“ nicht nur um den „Julius“ verkürzt, er hat in dieser Koproduktion mit dem Lausitz Festival 2022 auch den auf den Mord folgenden Bürgerkrieg und den Selbstmord von Brutus ausgelassen. Ihn interessieren vielmehr die Verschwörer, die den Mord planen und ausführen.
„Opferer, nicht Schlächter lasst uns sein.“
Da ist zunächst Brutus, bei Josef Ostendorf ein behäbiger, nachdenklicher Mann. Eigentlich ist er Caesars Freund, aber er erkennt, dass der abgedreht und nicht länger gut für die Republik ist. „Opferer, nicht Schlächter lasst uns sein“, erklärt er den anderen seine Position. Cassius (Sandra Gerling) ist da deutlich weniger überlegt. Er fühlt sich von Caesar benachteiligt, ist nervös, unbeherrscht und entwickelt sich mehr und mehr zum Strippenzieher des Komplotts. Wenig Haltung zeigt dagegen Cinna (Samuel Weiss). Sein Blick irrlichtert von einem zum anderen, manchmal setzt er an, um etwas beizutragen, verstummt aber wieder. Er macht halt mit, weil die angesagten Leute dazu raten. Als Helfer von Caesar erweist sich anfangs Antonius (Bettina Stucky). Er versucht dessen Kauderwelsch ins Verständliche zu übersetzen und bietet ihm dreimal die Krone an, die dieser verschmäht. Nach Caesars Ermordung erweist er sich als perfider Demagoge, der in einem Paradebeispiel für manipulative Reden das Volk gegen die vermeintlichen Befreier Brutus und Cassius aufhetzt.
„Ein schlichter, gerader Mann“
Nachdem er dem toten Caesar die Augen geschlossen und die Hände der Verschwörer mit dem Blick zu einer imaginären Kamera geschüttelt hat, stellt er sich vor das Volk. Im Jogginganzug (Kostüme: Annabelle Witt), denn er ist ja „ein schlichter, gerader Mann“, ein Populist, dem das Volk, repräsentiert durch zwei im Publikum sitzende Plebejer (Samuel Weiss, Yorck Dippe), willig zu folgen bereit ist.
Zu diesem Zeitpunkt ist bereits der schwarze Hintergrund mit dem Satz Si Vis Pacem Para Bellum/ „Wenn du Frieden willst, rüste zum Krieg“ abgehängt worden, aus der übergroßen, den Mord an Caesar nachstellenden Statue (Bühne: Nina Peller) rinnt rotes Blut, in dem sich die Verschwörer die Hände gewaschen haben. Die Spaltung der Bürger Roms, ein Krieg ist unabwendbar. Schon während des Komplotts hatte der Poet Cinna (Yorck Dippe) das Geschehen mit gesungenen Sonetten in einen größeren Zusammenhang eingeordnet und auch jetzt, am Ende, lässt die Wut der Plebejer in einer flammenden Rede von Samuel Weiss bis ins Heute blicken. Blutrotes Licht beschließt den knapp 100minütigen, kompakten Abend.
https://schauspielhaus.de/stücke/caesar
INFORMATIONEN FÜR LEHRKRÄFTE
Inhaltliche Schwerpunkte
Das Gebaren des sich immer weiter vom Volk entfernenden Machthabers, die Verschwörung derjenigen, die Rom befreien wollen; Populismus und die Manipulation des Volkes.
Formale Schwerpunkte
- Durchbrechen der vierten Wand: Publikum wird in die Rolle des Volkes versetzt (Schauspieler als Vertreter der Plebejer im Publikum)
- Elemente des epischen Theaters: Einsatz von gesungenen Sonetten als Kommentare zum Geschehen und Einführung in die historischen Ereignisse vor Beginn der Vorstellung durch den Poeten Cinna (Yorck Dippe)
- Sichtbar Machen des Mediums Theater: Bühnenarbeiter verändern Bühnenelemente (zwei schwarze, mobile Treppen), tragen die Leiche herein, reißen den Hintergrund herunter
Vorschlag für Altersgruppe/Jahrgangsstufe
- ab 15 Jahre / 10. Jahrgang
- geeignet für Deutsch-, Geschichts-, WiPo- und Theaterunterricht
Zum Inhalt
Caesar hat sich zunehmend vom Volk verabschiedet und ist zu einem selbstherrlichen Machthaber geworden. Gefährten wie Cassius, Brutus und Cinna sind der Meinung, dass er die Idee der Republik verraten hat und Rom nunmehr mehr schadet als nützt. Sie beschließen ihn an den Iden des März bei einem Auftritt im Senat zu töten. Deutlich werden dabei die unterschiedlichen Motive und Haltungen der einzelnen Figuren. Antonius spielt zunächst nur eine untergeordnete Rolle (übersetzt Caesars Reden, reicht ihm die Krone), entwickelt sich dann aber zu einem perfiden Demagogen und Populisten, der mit seiner Rede das Volk gegen Brutus und Cassius aufwiegelt. Eben wurden sie noch als Befreier von dem Tyrannen Caesar gefeiert, jetzt werden sie vom Volk gehetzt.
Mögliche Vorbereitung
- Analyse von Reden (Aufbau, Verwendung rhetorischer Mittel)
- Referat zum historischen Julius Caesar; zur römischen Republik
Speziell Für den Theaterunterricht
Darstellung von Begriffen
- Raumlauf; die Spielleitung nennt nacheinander bestimmte Begriffe (Macht, Unterdrückung, Verschwörung, Geheimnis, Angst etc), jede:r in einer Pose darstellt.
- Die Schüler:innen werden in Gruppen eingeteilt, jede Gruppe bekommt zwei möglichst gegensätzliche Begriffe, die sie gemeinsam als Standbild darstellen sollen. Bei der Präsentation müssen die anderen Gruppen die Darstellung genau beschreiben und dann die beiden Begriffe erraten.
Einsatz und Funktion von Songs oder Gedichten innerhalb eines Stückes/ einer Szene
- Verwendung einer bereits erarbeiteten Szene aus dem laufenden Unterricht oder Erstellen einer neuen Szene. Dazu einen Song- oder Gedichttext finden und ihn in die Szene integrieren; zuerst die Szene ohne, dann mit dem Song- oder Gedichttext präsentieren; Wirkung deutlich machen
- bei der Behandlung von Regiestilen: Brechts Gedanken zum epischen Theater vorbereitend lesen oder referieren lassen
Bedeutung/Aussage von Kostümen
- Schüler:innen bringen jede:r ein Kostüm (auch Alltagskleidung) mit. Sinnvoll wäre, diese Teile auf einem schwarzen Grundkostüm zu präsentieren: ein oder zwei Schüler:innen treten damit wie Models auf, die Gruppe beschreibt, wie z.B. Pumps oder Gummistiefel wirken, welche Figuren assoziiert werden.