Brüste und Eier

Christopher Rüpings sehenswerte Romanadaption am Thalia Theater

Foto: Krafft Angerer

Die Kritik

Zugegeben, der Titel klingt irgendwie ordinär. „Ich hätte gerne zwei Karten für ‚Brüste und Eier‘ “, geht nicht allen ganz selbstverständlich über die Lippen. Aber so lautet nunmal der Titel des 2020 erschienen Romans der japanischen Autorin Mieko Kawakami – ein Bestseller in ihrer Heimat. Nicht zu Unrecht, denn dessen Thema ist aktuell und bietet eine Menge Diskussionsstoff. Regisseur Christopher Rüping, u.a. am Thalia Theater verantwortlich für „Tschick“, „Panikherz“ und „Paradies“, hat daraus eine Bühnenfassung erstellt und sie am Thalia Theater zur Uraufführung gebracht. Noch bevor es richtig losgeht, fragt die Schauspielerin Maike Knirsch direkt ins Publikum: „Wer von euch hat Kinder? Einmal bitte kurz die Hand heben.“ Unsicheres Umherblicken bei den Zuschauern, dann heben aber doch diejenigen, die sich angesprochen fühlen, die Hand. „Okay, danke. Und wer will Kinder?“ Spannende Frage. Ein paar Hände gehen hoch. „Und warum?“ Jetzt wird es brenzlig. Warum will man Kin

„Wer will Kinder und warum?“

Und damit sind wir mitten drin in einem zentralen Thema des Abends: Welche Gründe gibt es für eine Frau, ein Kind zu bekommen? Gesellschaftlicher Druck? Die Stimme der Natur? Reiner Egoismus?  Die dreißigjährige Schriftstellerin Nastuch (Maike Knirsch) weiß es nicht. Überhaupt fragt sie sich, welches Frauenbild im 21. Jahrhundert existiert. Welche Schönheitsideale bestimmen dieses Bild? Muss eine Frau immer auch eine leidenschaftliche Sexualpartnerin sein? Und wie lässt sich über Intimes reden? Sie selbst ist ohne Partner, hat wenig bis gar keine Lust am Sex, würde aber trotz allem vielleicht doch gerne ein Kind bekommen, um es, wie sie sagt, „kennenzulernen“. Eine Samenspende wäre vielleicht eine Lösung, bringt aber neue Komplikationen mit sich. Immerhin müsste ein geeigneter Spender gefunden werden. Mit einem Haufen ungelöster Fragen tigert Natsuko über die fast leere Bühne. Aus einer Art hell Gewächshaus purzeln plötzlich sechs Menschen an einer Leine (wer will, kann das als Nabelschnur deuten) heraus. Sie alle sind Inkarnationen ihres zukünftigen Kindes, alle tragen wie von Kindern gestaltete Masken und erzählen rückblickend Natsukos Geschichte. 

Federleichtes Spiel zu einem existenziellem Thema

Vom Besuch der älteren Schwester Makiko (Oda Thormeyer), die sich von ihrem mühsam zusammengekratzten Geld die Brüste vergrößern lassen will, um in der Bar, in der sie arbeitet, mit der jungen Kolleginnen konkurrieren zu können. Über deren pubertierende Tochter  Midoriko (Julian Greis), die sich vor ihrem eigenen Körper ekelt, alles schrecklich, peinlich, doof findet und nur schriftlich mit ihrer Mutter kommuniziert. Bis hin zur Geburt von Natsukos Kind, für das sie sich letztlich entscheidet. Existentielle Themen, die hier in Form eines kindlichen Maskenspiels, mit Tanzeinlagen oder maßlosen Übertreibungen  dargeboten werden. Das wirkt leicht, manchmal komisch und berührt dennoch, wie überhaupt diese Inszenierung im Wechsel von stillen Momenten und überbordender Spielfreude zu überzeugen weiß. Die Premiere am 4. April 2022 wurde zu Recht mit jubelndem Beifall belohnt. Niemand sollte sich von der Länge des Abends (immerhin gut 3 1/2 Stunden und damit in Teilen zu lang) und schon gar nicht von dem Titel abschrecken lassen. 

https://thalia-theater.de

INFORMATIONEN FÜR LEHRKRÄFTE

Inhaltliche Schwerpunkte

Das Frauenbild im 21. Jahrhundert:

  • Schönheitsideale und ihre Auswirkungen
  • Umgang mit dem eigenen Körper
  • Scham
  • weibliche Sexualität
  • die Frage, ob und/oder warum man ein Kind haben möchte.
Formale Schwerpunkte
Maskenspiel

Maskenspiel, angelehnt an das traditionelle japanische Puppenspiel (Bunraku), bei dem Puppen und Puppenspieler gleichermaßen zu sehen sind. Für das Publikum einsehbar  gibt es Live-Musik von der Bühne und und Rezitierende, die die Geschichte erzählen und quasi die wörtliche Rede der Puppen übernehmen. Dadurch entsteht eine Trennung  zwischen Körper und Stimme. 

Figurenwechsel:

ein Schauspieler/ eine Schauspielerin übernimmt verschiedene Rollen (meist über Masken).

 
Vorschlag für Altersgruppe/Jahrgangsstufen
  • ab 16 Jahre; ab Klasse 10/11
  • empfohlen für Theater-, Ethik- und BIologieunterricht
Zum Inhalt

Die dreißigjährige Autorin Natsuko bekommt Besuch von ihrer älteren Schwester Makiko und deren zwölfjährigen Tochter Midoriko. Makiko ist allein erziehend und schlägt sich als Bardame in der Stadt durch, in der sie und Natsuko aufgewachsen sind. Von ihrem mühsam verdienten Geld will sie sich die Brust vergrößern lassen, um attraktiver zu wirken und mit ihren deutlich jüngeren Kolleginnen konkurrieren zu können. Dieser Umgang mit ihrem Körper ist es vielleicht, der ihre Tochter verstummen lässt, denn Midoriko fühlt sich in ihrem Körper unwohl, spricht mit ihrer Mutter kein Wort und kommuniziert nur schriftlich mit ihr. Dieser Besuch bringt Natsuko dazu, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob sie auch ein Kind haben will oder ob das nur die Gesellschaft von ihr verlangt. Denn Natsuko hat keinen Freund und ist an Sex auch nicht sonderlich interessiert. Als sie sich näher mit künstlicher Befruchtung beschäftigt, ergeben sich neue Probleme und Fragen. Letztlich findet Natsuko aber eine Lösung.

Mögliche VorbereitungeN
Vorlesen – Gehen – Stehen bleiben

Die Lehrkraft liest die Inhaltsangabe langsam vor, dabei steht die Gruppe in einer Reihe und geht während des Vorlesens langsam Schritt für Schritt voran. Jede*r bleibt an der Stelle stehen, die ihm/ihr interessant erscheint und nennt im Anschluss den Aspekt, bei dem er/sie stehen geblieben ist. Anschließend werden diese Punkte der Reihe nach abgefragt und auf einzelnen Zetteln notiert, auch wenn mehrere denselben Aspekt genannt haben, denn hier zeichnen sich bereits Schwerpunkte ab. Um den gesamten Inhalt zu erfassen, wird dieser Vorgang noch einmal wiederholt: Vorlesen – Gehen – Stehen bleiben – Stichwörter notieren.

Danach bietet sich die Möglichkeit, über diese Themen zu recherchieren und Diskussionen zu führen oder – im Theaterunterricht- mögliche Darstellungsformen zu überlegen.

Speziell für den Theaterunterricht

Maskenspiel

Masken aus Pappe herstellen, Masken aufsetzen und Möglichkeiten erkunden, wie damit Gefühle ohne Mimik über die Körperhaltung ausgedrückt werden können.

Spieler:in mit Maske erhält eine Stimme durch jemanden von außen. Hier könnten zwei Maskenspieler:innen mit je zwei eigenen anderen Stimmen (also insgesamt vier Spieler:innen) einen Dialog darstellen, der zuvor erarbeitet worden ist.

Noch bevor es richtig losgeht, fragt die Schauspielerin Maike Knirsch direkt ins Publikum: „Wer von euch hat Kinder? Einmal bitte kurz die Hand heben.“ Unsicheres Umherblicken bei den Zuschauern, dann heben aber doch diejenigen, die sich angesprochen fühlen, die Hand. „Okay, danke. Und wer will Kinder?“ Spannende Frage. Ein paar Hände gehen hoch. „Und warum?“ Jetzt wird es brenzlig.

Wer von euch hat Kinder? Einmal bitte kurz die Hand heben.

Warum will man Kinder? Gemurmel im Publikum mit ungenauen Antworten Richtung Bühne. Und damit sind wir mitten drin in einem zentralen Thema des Abends: Welche Gründe gibt es für eine Frau, ein Kind zu bekommen? Gesellschaftlicher Druck? Die Stimme der Natur? Reiner Egoismus? Die dreißigjährige Schriftstellerin Natsuko (Maike Knirsch) weiß es nicht. Überhaupt fragt sie sich, welches Frauenbild im 21. Jahrhundert existiert. Welche Schönheitsideale bestimmen dieses Bild? Muss eine Frau immer auch eine leidenschaftliche Sexualpartnerin sein? Und wie lässt sich über Intimes reden? Sie selbst ist ohne Partner, hat wenig bis gar keine Lust am Sex, würde aber trotz allem vielleicht doch gerne ein Kind bekommen, um es, wie sie sagt, „kennenzulernen“. Eine Samenspende wäre vielleicht eine Lösung, bringt aber neue Komplikationen mit sich. Immerhin müsste ein geeigneter Spender gefunden werden.

Mit einem Haufen ungelöster Fragen tigert Natsuko über die fast leere Bühne. Aus einer Art hell Gewächshaus purzeln plötzlich sechs Menschen an einer Leine (wer will, kann das als Nabelschnur deuten) heraus. Sie alle sind Inkarnationen ihres zukünftigen Kindes, alle tragen wie von Kindern gestaltete Masken und erzählen rückblickend Natsukos Geschichte. Vom Besuch der älteren Schwester Makiko (Oda Thormeyer), die sich von ihrem mühsam zusammengekratzten Geld die Brüste vergrößern lassen will, um in der Bar, in der sie arbeitet, mit der jungen Kolleginnen konkurrieren zu können. Über deren pubertierende Tochter Midoriko (Julian Greis), die sich vor ihrem eigenen Körper ekelt, alles schrecklich, peinlich, doof findet und nur schriftlich mit ihrer Mutter kommuniziert. Bis hin zur Geburt von Natsukos Kind, für das sie sich letztlich entscheidet. Existentielle Themen, die hier in Form eines kindlichen Maskenspiels, mit Tanzeinlagen oder maßlosen Übertreibungen dargeboten werden. Das wirkt leicht, manchmal komisch und berührt dennoch, wie überhaupt diese Inszenierung im Wechsel von stillen Momenten und überbordender Spielfreude zu überzeugen weiß. Die Premiere am 4. April 2022 wurde zu Recht mit jubelndem Beifall belohnt. Niemand sollte sich von der Länge des Abends (immerhin gut 3 1/2 Stunden und damit in Teilen zu lang) und schon gar nicht von dem Titel abschrecken lassen.

INFORMATIONEN FÜR LEHRKRÄFTE

Inhaltliche Schwerpunkte

Das Frauenbild im 21. Jahrhundert: Schönheitsideale und ihre Auswirkungen; Umgang mit dem eigenen Körper, Scham, weibliche Sexualität, die Frage, ob und/oder warum man ein Kind haben möchte.

Formale Schwerpunkte
Maskenspiel

Maskenspiel, angelehnt an das traditionelle japanische Puppenspiel (Bunraku), bei dem Puppen und Puppenspieler gleichermaßen zu sehen sind. Für das Publikum einsehbar gibt es Live-Musik von der Bühne und und Rezitierende, die die Geschichte erzählen und quasi die wörtliche Rede der Puppen übernehmen. Dadurch entsteht eine Trennung zwischen Körper und Stimme.

Figurenwechsel, ein Schauspieler / eine Schauspielerin übernimmt verschiedene Rollen (meist über Masken).

Vorschlag für Altersgruppe/Jahrgangsstufen
  • ab 16 Jahre, ab Klasse 10/11.
  • geeignet für Theater-, Ethik-, Deutschunterricht
Zum Inhalt

Die dreißigjährige Autorin Natsuko bekommt Besuch von ihrer älteren Schwester Makiko und deren zwölfjährigen Tochter Midoriko. Makiko ist allein erziehend und schlägt sich als Bardame in der Stadt durch, in der sie und Natsuko aufgewachsen sind. Von ihrem mühsam verdienten Geld will sie sich die Brust vergrößern lassen, um attraktiver zu wirken und mit ihren deutlich jüngeren Kolleginnen konkurrieren zu können. Dieser Umgang mit ihrem Körper ist es vielleicht, der ihre Tochter verstummen lässt, denn Midoriko fühlt sich in ihrem Körper unwohl, spricht mit ihrer Mutter kein Wort und kommuniziert nur schriftlich mit ihr. Dieser Besuch bringt Natsuko dazu, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob sie auch ein Kind haben will oder ob das nur die Gesellschaft von ihr verlangt. Denn Natsuko hat keinen Freund und ist an Sex auch nicht sonderlich interessiert. Als sie sich näher mit künstlicher Befruchtung beschäftigt, ergeben sich neue Probleme und Fragen. Letztlich findet Natsuko aber eine Lösung

Mögliche Vorbereitung
Vorlesen – Gehen – Stehen bleiben

Die Lehrkraft liest die Inhaltsangabe langsam vor, dabei steht die Gruppe in einer Reihe und geht während des Vorlesens langsam Schritt für Schritt voran. Jede*r bleibt an der Stelle stehen, die ihm/ihr interessant erscheint und nennt im Anschluss den Aspekt, bei dem er/sie stehen geblieben ist. Anschließend werden diese Punkte der Reihe nach abgefragt und auf einzelnen Zetteln notiert, auch wenn mehrere denselben Aspekt genannt haben, denn hier zeichnen sich bereits Schwerpunkte ab. Um den gesamten Inhalt zu erfassen, wird dieser Vorgang noch einmal wiederholt: Vorlesen – Gehen – Stehen bleiben – Stichwörter notieren.
Danach bietet sich die Möglichkeit, über diese Themen zu recherchieren und Diskussionen zu führen oder – im Theaterunterricht- mögliche Darstellungsformen zu überlegen.

Speziell Für den Theaterunterricht

Masken aus Pappe herstellen, Masken aufsetzen und Möglichkeiten erkunden, wie damit Gefühle ohne Mimik über die Körperhaltung ausgedrückt werden können.
Spieler:in mit Maske erhält eine Stimme durch jemanden von außen. Hier könnten zwei Maskenspieler:innen mit je zwei eigenen anderen Stimmen (also insgesamt vier Spieler:innen) einen Dialog darstellen, der zuvor erarbeitet worden ist.