Asche

Verluste gehören zum Leben, kleine, größere und existenzielle. Wie aber kann man damit umgehen? Wenn plötzlich alles den Bach runter geht? Elfriede Jelineks „Asche“ reflektiert den Verlust eines geliebten Menschen und schließlich den unseres Planeten. Ein düsterer Stoff, eigentlich. Jette Steckel begegnet ihm in ihrer Inszenierung im Thalia in der Gaußstraße dennoch mit einer poetischen Leichtigkeit.

Das Leben – ein ewiger Kreislauf. Franziska Hartmann (links) und eine Artistin vom Kinderzirkus Zartinka – Foto: Armin Smailovic

Die Kritik

Es dauert ein bisschen, bis sich alles zu einem organischen Ganzen fügt. Bis das Melancholisch-Poetische dieser Inszenierung greift und die Zuschauer in den Bann zieht. Anfangs wirken die einzelnen Elemente noch seltsam unverbunden: die mit Tuch bespannte kreisrunde Drehbühne (Florian Lösche), um die herum die Zuschauer in vier Blöcken sitzen. Die irgendwie ans Mittelalter erinnernden Kostüme mit den schwarzen Kappen (Hanna Krümpfer), die sieben Kinder-Akrobaten vom Zirkusprojekt Zartinka, die dunklen Töne, live gespielt von dem großartigen Musiker Matthias Jakisic. Dazu Jelineks hochkomplizierter Text, verteilt auf das Ensemble (Franziska Hartmann, Björn Meyer, Barbara Nüsse, Jirka Zett), das ein Kreuz in die Bühnenmitte setzt und dann hintereinander gereiht über die drehende Bühne marschiert. Das Bemühen, all das für sich zu ordnen und miteinander in Einklang zu bringen, scheitert zunächst. Denn da ist ja erst einmal der Text, dem man wie immer mit allerhöchster Konzentration zuhören möchte.

Jelineks „Asche“ erzählt vom Verlust. Es ist wohl der persönlichste Text der österreichischen Literatur-Nobelpreisträgerin, geschrieben nach dem Tod ihres Mannes. Diesen Gedanken erweitert sie auf den Verlust unseres Planeten, auf unseren Umgang mit der Natur, auf die Frage nach Gott. Wörter und Begriffe werden in dem typischen Jelinek-Stil aufgelöst, neu zusammengesetzt und in andere Zusammenhänge gebracht, wodurch eine Idee weitere neue Bilder und Gedanken schafft, die schließlich kaskadenartig auf das Publikum herunter rauscht. 

Trauer und Zorn verdichten sich in kraftvollen, poetischen Bildern.

Das anfängliche Nebeneinander fügt sich jedoch in dem Moment, als es heißt: „Ihr Partner ist jetzt weg, verzogen ins Nichts.“ Die Schauspielerin Barbara Nüsse steht alleine vor der Gruppe. Sie schreit auf, fällt, wird von den drei anderen hoch gehoben und auf den Schultern wie auf einer Bahre getragen. Dazu singt Matthias Jakisic „Ich hab ein glühend Messer in meiner Brust“, eines von Gustav Mahlers „Liedern eines fahrenden Gesellen“. Trauer und Zorn auf das Verlieren eines Menschen, auf die eigene Hilflosigkeit verdichten sich von nun an in kraftvollen, poetischen Bildern. Die Inszenierung entfaltet jetzt den anfangs vermissten Sog, nimmt sich Zeit und lässt Szenen manchmal auch ohne Worte wirken. „Wir sind nichts als drehende Kreise ohne Einwirkung von außen,“ heißt es bei Jelinek. Die Bühnenform, das Marschieren in der Reihe entlang des Bühnenrandes, das Rückwärtsgehen, die jungen Akrobaten in einem Reifen, das kreisförmige Licht ergeben zusammen ein harmonisches Ganzes, ein Bild vom Nicht-enden-Wollenden, das immer wieder „alles auf Anfang!“ ruft.   

Das Licht wird dunkler, Ensemble und Kinder-Akrobaten stellen sich am Rand der Bühne zu einem Kreis auf und jonglieren mit leuchtenden Kugeln zu Metronomys  Song „The Look“, bis dessen letzter Ton verklungen und die letzte Kugel auf den Boden gefallen ist. 

Ein leichter, unbeschwert wirkender Schluss, ein Trotzdem, das sich dem Fatalismus und der Verzweiflung entgegenstellt.

Weitere Informationen unter: https://www.thalia-theater.de/stueck/asche-2024

INFORMATIONEN FÜR LEHRKRÄFTE

Inhaltliche Schwerpunkte
  • Verlust eines geliebten Menschen
  • Verlust des Planeten
  • Frage nach der Schuld von Mensch, Natur und Gott
Formale SchwerpunKte
  • Figuren als Textträger, Nicht-Personen
  • Formationen 
  • Verstärkung einiger Passagen durch chorisches Sprechen
  • Akrobatische Einlagen zur Kontrastierung des Textes
Vorschlag für Altersgruppe/Jahrgangsstufe

Wegen des anspruchsvollen Textes bedingt empfohlen 

  • ab 17/18 Jahre, ab Klasse 12 
  • für den Deutsch- und Theaterunterricht
Zum Inhalt

Es gibt keinen Handlungsfaden. Jelinek reflektiert Themen wie Verlust eines geliebten Menschen, den Umgang mit der Natur, die Frage nach der Verantwortung des Menschen, die Frage nach Gott.

Mögliche Vorbereitungen

Recherche zu Elfriede Jelinek (Leben und Werk

Speziell für den Theaterunterricht

Track Working zum Thema „Asche“

(Methode aus dem postdramatischen Theater zum Mischen verschiedener Spuren.)

  1. Jede Schülerin/jeder Schüler setzt sich separat hin und notiert 15 Symbole, Zeichen oder graphische Darstellungen zum Thema „Asche“ (z. B.“Kreuz“ für Tod); die Zeichen dürfen sich auch wiederholen, es darf nur kein Wort geschrieben werden.
  2. Es werden Gruppen (à 7 – 8) gebildet; in der Gruppe einigt man sich  auf eine Zeichenfolge von 10 (oder min 7)  Zeichen, die  wie bei einer Hitliste nacheinander notiert werden.
  3. Jede Gruppe geht auf die Bühne und versucht die Zeichen in eine Bewegungsfolge zu bringen; d.h. eine Übersetzung der Symbole in ein körperliches Zeichen. Bedingung: diese körperlich ausgeführten Zeichen sollen chorisch synchron ausgeführt werden. Dabei soll eine festgelegte Strecke (Linie) eingehalten werden. Die Gruppe bewegt sich in Richtung Rampe und vollführt ihre Bewegungen. Diese enden, wenn die Rampe erreicht ist.
  4. Musik kommt dazu, bietet Impuls für Choreografie aus Bewegungsfolge (vgl. Phase 2) 

Möglicher Zusatz:

  1. Ein Spieler / eine Spielerin stellt sich an ein Mikro und  trägt einen Textauszug aus „Asche“ vor. (https://www.elfriedejelinek.com/sonne-luft-asche/#iii-asche)

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