Der Club der toten Dichter

Es gibt Filmklassiker, die auf ewig unangefochten bleiben. „Der Club der toten Dichter“ mit Robin Williams als unkonventioneller Lehrer ist so einer. Kann da eine Theateradaption überhaupt mithalten? Ja, kann sie. Wie das geht, beweist Lea Ralfs zu Recht mit stehendem Beifall belohnte Inszenierung am Altonaer Theater.

Lehrer John Keating (Tobias Dürr, Mitte) mit seinen Schülern – Foto: G2 Baraniak

Die Kritik

Die Begrüßung zum Schuljahresbeginn schüchtert ein. Soll sie vielleicht auch. Denn in diesem Internat sind Tradition, Ehre, Disziplin und Exzellenz die „Eckpfeiler“, wie Direktor Gale Nolan (Ulrich Bähnk) in seiner Rede betont. Um diese Strenge und Freudlosigkeit zu untermalen, hat Ausstatten Ulrike Engelbrecht im Altonaer Theater noch eine Schippe drauf gelegt: Durch den düsteren Raum wallen Nebelschwaden, Nolan trägt eine schwarze Robe und eine Kerze in der Hand, dazu erklingt sakrale Musik. Verhuscht treten acht konform gekleidete Jungs (weißes Hemd, grauer Pullover, dunkelblaue Hose) aus dem Publikum auf die Bühne. Sie wissen, dass ihre Eltern viel Geld ausgeben, damit sie auf diese Privatschule gehen können. Sie wissen auch, dass sie sich entsprechend verhalten müssen, um den erwünschten Erfolg zu erzielen. Das heißt vor allem: Disziplin. Regisseurin Lea Ralfs lässt sie dafür in ihrem Klassenzimmer auf Bücherblöcken hintereinander sitzen, synchrone Bewegungen vollziehen und chorisch die Deklination vom lateinischen „agricola“ oder die Definition des Cosinus herunterbeten. Brav sehen sie aus mit ihrem gescheitelten Haar, und sie fügen sich den herrschenden Regeln. Aber sie sind jung, zwischen 15 und 16 Jahre alt, voller Energie, auf dem Weg ins Erwachsensein. Bislang wurde das hier ignoriert. Bis mit John Keating (Tobias Dürr) die Vertretung für den Literaturlehrer antritt und den Jungs ein Fenster öffnet.

Häufig fehlt es an motivierenden, von ihrem Fach begeisterten Lehrkräften.

Keating wurde durch die Darstellung des amerikanischen Schauspielers Robin Williams zur Ikone. Der Film von Peter Weir ist zwar schon 35 Jahre alt, sein Thema hat allerdings nichts an Aktualität eingebüßt. Sicher, vielerorts sind gerade öffentliche Schulen in Deutschland weniger von uninspiriertem Frontalunterricht als von – allerdings manchmal nicht weniger uninspirierter – Gruppenarbeit geprägt. Dennoch fehlt es häufig an motivierenden, von ihrem Fach begeisterten Lehrkräften, die bei Kindern und Jugendlichen einen Funken setzen und ein Feuer entfachen können.

Ordnung und Konformität in der Klasse – Foto: G2 Baraniak

Mit der Figur des Keating hat Drehbuchautor Tom Schulman (der dafür mit dem Oscar belohnt wurde) so eine Lehrkraft entworfen und sie einem in seinen Traditionen verkrusteten System gegenübergestellt. Ralfs Inszenierung bedient sich der deutschen Fassung von Jörn Hinkel und Tilman Raabke und hebt die Bedeutung von jemandem wie Keating im Vergleich zu stramm konservativen Erziehungsmethoden hervor. Letztere verkörpert Ulrich Bähnk – raumfüllend durch Statur und Spiel – sowohl als Schulleiter Nplan als auch als Mr Perry, dem Vater von Neil (zart und gleichzeitig entschlossen: Johan Richter). Für ihn ist der Traum seines Sohnes, Theater zu spielen, ein Blödsinn, der nur vom Lernen und dem Ziel des Medizinstudiums ablenkt. Die Begeisterung Neils,  seine Freude, tatsächlich in einer Schulaufführung den Puck im „Sommernachtstraum“ spielen zu dürfen, zerstört er, die Konsequenzen sind fatal. Anders reagiert Tobias Dürrs lässiger Keating. Er bestärkt Neil, fördert bei ihm wie auch bei den anderen Schülern ihre Individualität. Nicht nur, dass er die strenge Sitzordnung auflöst oder sie beim Sport statt in Reih und Glied zu gehen, ihren eigenen Rhythmus und Stil erproben lässt. Er proklamiert auch, andere Perspektiven einzunehmen (Sinnbild dafür ist der mittlerweile ikonographische Stand auf dem Tisch) Einen unsicheren Jungen wie Todd Anderson (berührend in seiner Schüchternheit: Celio-Silvestre Tamele) ermuntert er erfolgreich, einfach mal loszubrüllen, die Klasse begeistert er mit  „O Captain, my Captain“, dem Gedicht des amerikanischen Poeten Walt Whitman, dem Individualität und Lebenslust am Herzen lag. Keating muss am Ende die Schule verlassen, trotzdem hat er den Jungs den Weg gewiesen. Sie steigen auf ihre Stühle – „O Captain, my Captain.“

Weitere Informationen unter: www.altonaer-theater.de

INFORMATIONEN FÜR LEHRKRÄFTE

Inhaltliche Schwerpunkte
  • Hinterfragen institutionalisierter Strukturen und Traditionen
  • Ermunterung zu selbstständigem Denken und Individualität
  • Erkennen und akzeptieren der eigenen Wünsche und Sehnsüchte
Formale SchwerpunKte

Stilisierung durch synchrone Gesten, Bewegungen, chorisches Sprechen und Zeitlupe in Kontrast zu realistischem Spiel

Vorschlag für Altersgruppe/Jahrgangsstufe
  • ab 14 Jahre, ab Klasse 8/9
  • empfohlen für den Deutsch-, Englisch- und Theaterunterricht. Die Vorstellung eignet sich für Schulklassen und als Familienstück;  auch für erstmalige Theaterbesuche.
Zum Inhalt

In dem privaten Internat für Jungen stehen Tradition, Ehre, Exzellenz und Disziplin an erster Stelle. Wer sich nicht an die Regeln hält, hat es schwer oder fliegt sogar raus. Das gilt für Schüler genauso wie für Lehrer. Dementsprechend konservativ sind die Erziehungsmethoden, bei denen seit Jahrzehnten nach dem gleichen einheitlichen Muster unterrichtet wird. Als jedoch John Keating die Vertretung für den Literaturlehrer übernimmt, wird das starre System hinterfragt. Keating lässt seine Schüler das Vorwort aus dem Lyrikband herausreißen, weil es vorschreibt, wie Gedichte zu interpretieren und zu bewerten sind. Er löst die Sitzreihen auf und ermuntert die Schüler beim Sport, nicht wie üblich in der Reihe zu marschieren, sondern ihren eigenen Rhythmus und Stil zu finden. Indem er auf den Tisch im Klassenzimmer steigt, zeigt er ihnen, wie man die Perspektive ändern kann, und er erzählt ihnen vom „Club der toten Dichter“, den er seinerzeit an demselben Internat mit seinen Mitschülern gegründet hatte und in dem jeder seine Gedichte (und damit seine Gefühle und Sehnsüchte) vortragen konnte.  Die Jungs  sind davon begeistert, suchen die Höhle von damals auf und versuchen es, Keating gleichzutun. Überhaupt ist dessen Einfluss nicht hoch genug zu schätzen. Immer mehr öffnen sich die Schüler, blicken über den Tellerrand und stehen, bestärkt durch Keating, zu ihren Wünschen. Wie der sensible Neil. Er hat die Gelegenheit, endlich seinen Traum vom Theaterspielen zu verwirklichen. Da er weiß, dass seine Eltern dagegen sind, fälscht er deren Unterschrift, um zum Casting zugelassen zu werden. Tatsächlich wird er angenommen und spielt den Puck in Shakespeares „Sommernachtstraum“. Der Vater sieht sich zwar die Vorstellung an, verbietet ihm dann aber das Theater und droht mit der Militärakademie. Daraufhin erschießt sich Neil. Die Schulleitung macht für seinen Tod John Keating mit seinem unkonventionellen, lebensbejahenden Erziehungsstil verantwortlich und entlässt ihn. Doch die Klasse, zunächst wieder in der alten Sitzordnung mit traditionellem Unterricht, hat gelernt. Als Keating den Raum verlässt, steigen die Jungen nacheinander auf ihre Stühle. Sie haben die Perspektive gewechselt. 

Mögliche Vorbereitungen
In Gruppenarbeit oder als Hausaufgabe

Internet-Recherche zum Thema Lernerfolg durch Lehrer-Schüler-Verhältnis

Im Unterrichtsgespräch

Auswertung und Besprechung der Recherche

Wie sieht für euch guter Unterricht aus? Was wünscht ihr euch von einer Lehrkraft?

Speziell für den Theaterunterricht

Übungen zum Thema „Disziplin“ und „Schule“

Track-Working
  1. Alle SuS malen einzeln  auf einem Blatt Papier je 15 Symbole zum Thema „Disziplin“, die Zeichen dürfen sich auch wiederholen.
  2. Danach werden Gruppen zu sieben oder acht gebildet. In der Gruppe einigt man sich auf eine Zeichenfolge von 10 (mindestens aber sieben) Zeichen, die wie eine Hitliste hintereinander notiert werden.
  3. Die Gruppe entwickelt entsprechend der „Hitliste“ eine Bewegungsabfolge, die sie danach synchron erprobt und ausführt, indem sie langsam bis an den Bühnenrand geht. Bewegung und Schritt sind dabei voneinander getrennt  (Auf Genauigkeit achten!). 
  4. Die Gruppe sucht sich dazu eine Musik aus und probt die Bewegungsabfolge noch einmal mit Musik.

(Ein:e Spieler:in könnte sich ans Mikro stellen und einen Text zum Thema „Disziplin“ vorstellen)

Präsentation und Feedback

Eine genaue Beschreibung findet sich in: Mangold, Christiane (Hrsg): Grundkus Darstellendes Spiel II, Materialien, Schroedel, ISBN: 978-3-507-41333-7, S.77).

Erstellen eines bewegten Gruppenbildes zum Thema „Schule“

Die Spielleitung teilt zwei Gruppe  ( 8 bis 10 Spielende) ein. Jede Gruppe überlegt sich eine Bewegung oder Geste, zum Thema „Schule“ (z.B. schreiben, Tasche packen, gähnen, mit dem Nachbarn flüstern o.ä.).

Auf der Bühne wird für jede Bewegung/Geste ein Punkt festgelegt, so dass acht bis zehn verschiedene Punkte auf dem Boden verteilt sind und jeder Punkt für eine Bewegung/Geste steht (Punkt 1: schreiben, Punkt 2: Tasche packen usw). Die Spielenden verteilen sich auf die Punkte und vollführen ihre Gesten/Bewegungen in einer verabredeten Zeit (z.B. dreimal, am besten zu Musik) und gehen im Uhrzeigersinn dann zum nächsten Punkt, um die dort erforderten Bewegungen/Gesten zu vollführen (also 1 wechselt zu 2, 2 zu 3 usw). So entsteht in einer Art Karussell ein bewegtes Gruppenbild zum Thema.

Wechselseitige Präsentation und Feedback

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