Dat Füerschipp

Kämpfen oder verhandeln? Darum geht es in der spannend gestalteten Bühnenfassung nach Siegfried Lenz’ Erzählung „Das Feuerschiff“ – auf Platt- und auf Hochdeutsch.  

Peter Kaempfe, Colin Hausberg, Oskar Ketelhut (v.l.n.r.) – Foto: Oliver Fantitsch

DIE KRITIK

Es ist die letzte Wache des Feuerschiffs vor den Winterstürmen. Noch ist die Ostsee ruhig. Kapitän Freytag (Peter Kaempfe) kann seinem Sohn Fred (Nikolai Lang) in aller Ruhe die Besatzung und das Schiff vorstellen. Aber dann entdeckt Fred beim Blick durch das Fernglas ein offenbar fahruntüchtiges Boot mit drei Männern. Freytag beschließt die Drei an Bord zu holen und setzt damit eine Katastrophe in Gang.

Dat Füerschipp“, Frank Grupes Bühnenfassung nach Siegfried Lenz’ Erzählung „Das Feuerschiff“ für das Ohnsorg-Theater, kommt schnell zur Sache. Die Einführung der Charaktere und der Situation geschieht umstandslos. Dazu trägt einerseits das wortkarge Plattdeutsch (ebenfalls bearbeitet durch Frank Grupe) bei, andererseits das Bühnenbild von Jürgen Höht.

Es braucht nur wenige Minuten, bis das Publikum in die Geschichte eintauchen kann.

Wie so oft im Ohnsorg ist es auch bei dieser Produktion durch und durch realistisch ausgefallen: ein Schiffsdeck mit Ausguck, Rettungsring und rostigen Türen, dahinter die gemalte Kulisse eines aufgewühlten Meeres. Projektionen von vorbeifahrenden Schiffen inklusive Mannschaften verstärken die Illusion. Dreht sich die Bühne – was zum Beispiel beim Öffnen einer der Türen geschieht – ist der genau gestaltete Essraum des Schiffes, die Messe,  mit gerahmten Fotos vergangener Kapitäne zu sehen, oberhalb die Brücke und die Funkerbude. Es braucht also nur wenige Minuten, bis das Publikum die wichtigsten Eckpunkte kennt und in Geschichte eintauchen kann.  Wie bei einem Film kann jetzt verfolgt werden, wie es mit der Aufnahme der drei Männer und der Mannschaft weitergeht. Der an Filmmusik erinnernde Sound (Kompositionen und musikalische Leitung: Jan Paul Werge) begleitet die Handlung und lässt schon bald nichts Gutes ahnen. Das beginnt bereits in dem Moment, als die Männer das Deck betreten. Der erste, in wallendem Mantel mit Pelzkragen (Kostüme: Peter Lehmann,) stellt sich als Doktor Caspary (Oskar Ketelhut) vor. Seine Höflichkeit und Eloquenz wirken aufgesetzt, man ahnt, dass dahinter etwas Unbekanntes, Gefährlicheres lauert. Die beiden Anderen sind weniger redegewandt: Eugen Kuhl (Anton Pleva) scheint nicht einmal bis Drei zählen zu können. Er wiederholt nur das, was Caspary vorgibt und sitzt meistens dumpf glotzend in der Ecke. Sein Bruder Edgar (Colin Hausberg) gibt den Macho. Er redet kaum, seine Waffe ersetzt sein Ego.

Hochdeutsch mit den Gangstern, plattdeutsch mit der Mannschaft

Oberspielleiter Murat Yeginer, der bereits 2018 die plattdeutsche Uraufführung  von Lenz’ „Der Mann im Strom“ inszeniert hat, hat gut daran getan, die Dialoge zwischen den drei Gangstern, – denn als solche entpuppen sie sich -, und Kapitän Freytag hochdeutsch zu belassen und dadurch die Fremdheit und Kälte zwischen den Figuren zu unterstreichen. Das weit wärmere (und vielleicht nicht immer für alle verständliche) Platt spricht Freytag mit der Mannschaft und die Mannschaft unter sich. 

Oberflächlich betrachtet wird an diesem Abend eine Kriminalgeschichte erzählt. Die Gangster fordern unter Anwendung von Gewalt, dass Freytag das Feuerschiff von seinem Anker löst und sie zu einer Insel bringt. Doch Freytag weigert sich, mit einer Gewehrmündung verhandele er nicht. Würde ein Feuerschiff als sicherer Navigationspunkt für ein- und auslaufende Schiffe seine Position verändern, gerieten sie in Gefahr. Mit ruhiger Überlegenheit stellt sich Peter Kaempfes Freytag gegen Ketelhuts zusehends nervöser werdenden Caspary. Um ihn und seine Haltung kreist das Stück. Was tut man im Angesicht drohender Gewalt? Beugt man sich? Kämpft man und wird zum Helden? Oder versucht man zu verhandeln? Es sind diese Fragen, die das Fundament des  zweistündigen Abends (inkl. Pause) ausmachen.

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INFORMATIONEN FÜR LEHRKRÄFTE

Inhaltliche Schwerpunkte
  • Handeln angesichts der Gewalt
  • Verantwortung
  • Pflichtbewusstsein
Formale Schwerpunkte
  • Einsatz von Musik
  • Realismus in Bühnenbild und Spielweise
Vorschlag für Altersgruppe/Jahrgangsstufen
  • ab 15/16 Jahre, ab Klasse 9
  • empfohlen für Ethik-, Deutsch- und Theaterunterricht
Zum Inhalt

Das Feuerschiff befindet sich auf seiner letzen Wache vor den Winterstürmen. Kapitän Freytag hat erstmals seinen Sohn Fred mit an Bord genommen, der schon sehr bald ein fahruntüchtiges Boot entdeckt. Freytag veranlasst gegen die Einwände der Mannschaft die drei dort befindlichen Männer aufzunehmen. Schon bald wird jedoch klar, dass es sich bei zwei von ihnen um gesuchte Gangster handelt, die zusammen mit dem dritten, dem sehr eloquenten, aber zwielichtigen Doktor Caspary, auf der Flucht sind. Ihrer Bitte, ihr Boot zu reparieren, damit sie so schnell wie möglich verschwinden können, will Freytag nachkommen, um Stress zu vermeiden und um vor allem seine Mannschaft wieder heil nach Hause zu bringen. Allerdings macht sich in der Mannschaft Unmut breit. Man will sich den Gangstern nicht beugen und auch Fred stellt sich gegen seinen Vater, den er als einen Feigling bezeichnet. Die Stimmung eskaliert, als einer der Gangster einen Mann erschießt und später auch der Koch einen der Gangster tötet. Noch immer bleibt Freytag bei der Verantwortung für seine Mannschaft und geht nicht auf die Forderungen Casparys ein, die drei mit dem Feuerschiff auf die Inseln zu bringen. Caspary gelingt es jedoch durch weitere Drohungen und Bestechungen einen Teil der Mannschaft hinter sich zu bringen, so dass sich die Mannschaft zum Lichten des Ankers versammelt. In diesem Moment tritt Freytag den Gangstern entgegen.

Mögliche VorbereitungeN

Lektüre der Erzählung „Das Feuerschiff“ von Siegfried Lenz oder Vorbereitung des Inhalts 

Im Unterrichtsgespräch oder über Referate:

Siegfried Lenz und der Zweite Weltkrieg

Diskussion:

  • Wie verhält man sich angesichts von Gewalt? 
  • Interpretation von Bertolt Brecht: Maßnahmen gegen die Gewalt (http://www.satzsucher.de/index.php?id=27)
  • Was bedeuten Pflicht und Verantwortung in einer von Gewalt dominierten Situation?
  • Wer ist wann ein Held?
Speziell für den Theaterunterricht: 
Überlegungen zur Rolle von Musik im Theater.

Aufteilung der Gruppe in vier Gruppen (A; B; C; D). Jede Gruppe erstellt ein Standbild zu folgendem Thema: A: Abschied, B: Konflikt; C: Vertrauen, D: Freude

Die Standbilder werden jeweils zunächst ohne Musik präsentiert, im zweiten Durchgang werden zu jedem Standbild zwei unterschiedliche von der Spielleitung ausgewählte Musiktitel  eingespielt. Die Zuschauenden erklären dann, welche Funktion die Musik im Zusammenhang mit dem Standbild hatte (kontrastiv, unterstützend, weiterführend,..). Es muss deutlich werden, dass Musik individuell unterschiedlich wahrgenommen wird.

Im Anschluss kann gesammelt werden, was Musik im Theater kann (z.B: die Innenansicht einer Figur zeigen, die Handlung dramatisieren etc).

Im Zusammenhang mit Regiestilen: 

Realismus auf der Bühne am Beispiel des Theaters von Stanislawski: (Schwerpunkte:  Wahrhaftigkeit  an erster Stelle, weil nur Wahrhaftigkeit überzeugt; d. h. eine Figur muss verkörpert werden, das „Als ob“. ; Ziel: Erreichen des Unbewussten durch das Bewusste, dadurch den Schauspieler zum Menschen machen. Schauspieler soll einen emotionalen Zugang zur Rolle finden).

Übung dazu

Jede*r  nimmt sich einen Stuhl. Die Spielleitung gibt nacheinander folgende Anweisungen:

Setze dich, 

  • Um dich auszuruhen
  • Um dich zu verstecken, damit man dich nicht findet
  • Um zu hören, was im Nebenzimmer geschieht
  • Um zu beobachten, was hinter den gegenüberliegenden Fenstern geschieht
  • Um im Wartezimmer eines Arztes darauf zu warten, dass man an die Reihe kommt
  • Um ein schlafendes Kind zu bewachen
  • Um zu beobachten, was rings um dich geschieht
  • Um herauszukriegen (im Kopf!), was 15 mal 375 ist
  • Um dich auf eine vergessene Melodie zu besinnen