Moderner Umgang mit dem Propheten Mohammed trifft auf traditionelles Denken und führt zu Problemen. Zur sehenswerten Inszenierung von Ayad Akhtars Stück im English Theatre.
DIE KRITIK
Zarina ist eine moderne junge Frau, eine unabhängige Intellektuelle mit pakistanischen Wurzeln in Atlanta/Georgia. Daran ist zunächst nichts Ungewöhnliches. Problematisch ist nur, dass sie als aufgeklärte Muslimin mit den Vorstellungen ihres Vaters Afzal aneinander gerät. Denn der hält nach dem Tod seiner Frau fest am traditionellen Bild des Propheten Mohammed und verurteilt alles, was daran rüttelt, als Teufelszeug, besonders Zahiras Buch mit dem Titel „The Who & the What“, in dem sie ein menschliches – und also auch mit Fehlern behaftetes – Bild des Propheten zeichnet.
Authentisch wirkender Streit um die Darstellung des Propheten
Den Konflikt zwischen Tradition und Moderne hat der 1970 in New York als Sohn pakistanischer Einwanderer geborene Dramatiker Awad Akhtar auf die Vater-Tochter-Ebene heruntergebrochen, so dass sein Stück „The Who &the What“ wie eine leicht erzählte Komödie daherkommt, aber dennoch die ganze Tiefe des Problems aufgreift. 2017 hatte Karin Beier am Hamburger Schauspielhaus die deutschsprachige Erstaufführung als respektables Schauspielertheater inszeniert. Merkwürdigerweise ist sechs Jahre später davon kaum noch etwas hängengeblieben. Es mag an der Besetzung mit weißen, deutschen Ensemblemitgliedern liegen, die als Zarina oder Afzal Behauptung bleiben. Ganz anders in Clifford Deans Inszenierung am English Theatre. In dem sparsamen auf drei weiße Stühle, einen Tisch und eine mit Ornamenten durchbrochene Fensterwand im Hintergrund spielen mit Karen Johal (Zarina), Rohit Gokani (Afzal) und Noor Sobka (Mahwish) drei Schauspieler*innen mit pakistanischen Wurzeln. Ihr Streit um die Darstellung des Propheten und den Umgang mit der Tradition erhält dadurch eine ganz andere Authentizität, zumal es sich bei allen Dreien um exzellente Schauspieler*innen handelt.
Eine äußerst komische Zusammenkunft voller Missverständnisse
Unaufgeregt und geduldig legt Karen Johal ihre Zarina an. Aus eigener Erfahrung mit ihrer Jugendliebe Ryan weiß sie, wie traditionelles Denken eine Liebe und vielleicht ein Lebensglück verhindern kann. Noor Sobkas Mahwish ist ein energiegeladenes junges Mädchen voller Fragen an die Zukunft und mit einem ständig klingelnden Handy. Dass sie ihre geheimen Sehnsüchte zu Gunsten einer Eheschließung mit dem ersten Freund unterdrücken muss, kann für sie nicht die Lösung sein. Aber sie ist eben auch ihres Vaters liebe kleine Tochter, die sich anschmust, wenn er über Zarina verzweifelt. Rohit Gokani verleiht diesem als Taxiunternehmer arbeitenden Vater einen pakistanischen Akzent. Sein Englisch ist okay, aber man spürt, dass er immer noch nicht richtig angekommen ist in Amerika und „zu Hause“ weiterhin Pakistan bleibt. Ein fröhlicher Mann ist das, der es gut gemeint hat, als er für Zarina auf Dating-Plattformen nach einem Mann – die moderne Form der arrangierten Ehe – gesucht hat. In dem zum Islam konvertierten Juden Eli (Adam Collier) glaubt er ihn gefunden zu haben. Das erste Treffen zwischen Eli und ihm gerät zu einer äußerst komischen Zusammenkunft voller Missverständnisse. Adam Collier gelingt es, Eli als zunächst glühenden Verfechter des traditionellen Islam zu zeigen, der sich später aber in der Ehe mit Zarina auf ihre Seite schlägt. Ein anrührender, großartig gespielter zweistündiger Abend (inklusive 20 Minuten Pause). Man wird ihn wohl nicht so schnell vergessen.
Näheres unter: https://eth-hamburg.de/2023/01/11/the-whothe-what/
INFORMATIONEN FÜR LEHRKRÄFTE
Inhaltliche Schwerpunkte
- Moderner Umgang mit dem Propheten Mohammed vs traditionelles Denken
- Probleme der konservativen Auslegung des Korans in einer modernen Gesellschaft
- Vater – Tochter -Konflikt
Formale Schwerpunkte
- Trennung der einzelnen Szenen durch kurze Blacks
- Sparsames Bühnenbild (drei weiße Stühle, ein Tisch)
- Darstellung neuer Orte durch Umstellung von Tisch und Stühlen
Vorschlag für Altersgruppe/Jahrgangsstufen
- ab 16 Jahre, ab Klasse 10
- empfohlen für Englisch- und (englischsprachigen) Theaterunterricht
Zum Inhalt
Afzal lebt als pakistanischer Einwanderer mit seinen beiden erwachsenen Töchtern Zarina und Mahwish in Atlanta/Georgia. Nach dem Tod seiner Frau – die Ehe ist seinerzeit traditionsgemäß arrangiert worden – fühlt er sich alleine verantwortlich für die Beibehaltung der muslimischen Tradition in der Familie. Das bedeutet, dass beide Töchter einen von ihm ausgewählten Mann heiraten und später Kinder bekommen sollen. Aber Zarina, die ältere, denkt anders. Sie ist eine moderne junge Frau mit aufgeklärten Ansichten. Nach wie vor sieht sie sich als gläubige Muslimin, aber das abgehobene, konservative Bild des Propheten Mohammed kann sie nicht teilen. Unter dem Titel „The Who & the What“ schreibt sie ein Buch, in dem sie den Propheten als Mensch mit all seinen Fehlern darstellt. Für den Vater wird das zum Problem. Ebenso wie für Eli, einem zum Islam konvertierten Juden. Unter dem Namen seiner Tochter hatte ihn Afzal auf einer Dating-Plattform ausgewählt, nicht ahnend, dass sich beide schon tatsächlich früher einmal begegnet waren und sich sympathisch fanden. Aus Ärger über das Buch verstößt Afzal seine Tochter, versöhnt sich aber – arrangiert durch die jüngere Mahwish – Jahre später, nachdem sie Eli geheiratet hat, wieder mit ihr.
Mögliche VorbereitungeN
Über Referate, als vorbereitende Hausaufgabe oder
- Biografie und Werk von Ayad Akhtar
- Inhaltsangabe zu „The Who & the What“
Dazu bietet das English Theatre ausführliches Material an unter:
http://eth-hamburg.de/wp-content/uploads/2023/03/Study-Guide_The-Who-The-What.pdf
Im Unterrichtsgespräch:
- Wo gibt es in der westlichen Welt Konflikte zwischen Tradition und Moderne?
- Welche Lösungen bieten sich an?
Speziell für den Theaterunterricht:
In Referaten oder als vorbereitende Hausaufgabe:
- Die Komödie: Aufbau, Charakteristika
Gestaltung von Orten
Die Spielleitung teilt Vierergruppen ein.
Aufgabe
- Gestaltet mit drei Hockern/ Stühlen folgende Orte: eine Küche, ein Arbeitszimmer, ein Park, ein Restaurant
- Findet zu jedem Ort ein Standbild, an dem zwei bis vier Personen beteiligt sind.
- Überlegt euch, wie ihr schnell und präzise (nicht „irgendwie“) den Umbau von einem Ort zu anderen gestaltet.
- Präsentiert die Ort-Standbildfolge nacheinander.