„Der richtige Weg ist oft der schwerste“, und: „Es gibt im Leben keine Abkürzungen“. Das sind die Weisheiten, an denen sich Pinocchio bewähren muss, damit aus ihm, der Holzpuppe, ein richtiger Mensch wird. Marius Adam hat „Pinocchios Abenteuer“ liebevoll am Allee Theater/Theater für Kinder inszeniert.

Die Kritik
Die Grille hat den Überblick. Sie läuft als erste bis zur Bühne durch das Publikum und heißt es „herzlich willkommen“. Sie strahlt und zeigt sich glücklich, dass der Saal im Theater für Kinder voll besetzt ist, und Glück sei doch das einzige, was sich beim Teilen verdoppelt. Ein warmherziger Anfang, mit dem sie das Märchen von „Pinocchio“ einleitet. In den folgenden gut 90 Minuten (inklusive Pause) wird Sandra Kiefer als Grille das Geschehen um die Holzpuppe beobachten und mit rollenden Augen, Achselzucken oder aufgeregten Gesten vom Rand her kommentieren. Sie wird aber auch bei Bedarf in die Handlung eingreifen und – manchmal zusammen mit der Blauen Fee (Sabine Barthelmess, auch als Marionette Colombina) – versuchen, Schlimmstes zu verhindern. Denn der von Meister Gepetto (Henry Klein, auch in weiteren Rollen) geschnitzte Holzjunge ist naiv, aber sehr neugierig. Staksig, als knirschten seine Gelenke noch, läuft David Gerbaulet als Pinocchio davon. Er freut sich, dass er sich bewegen kann, will „singen, tanzen, springen, essen“ und auf gar keinen Fall in die Schule gehen. Regeln schränken ihn ein, aber mit kleinen Lügen lassen sich jede Art von Unannehmlichkeiten vermeiden. Blöd nur, dass dann jedesmal seine Nase länger wird.
Marius Adam, Intendant des Allee Theaters, hat „Pinocchios Abenteuer“ nach dem Roman von Carlo Collodi inszeniert und die Grundidee des bereits 1881 erschienenen Originals ins Zentrum gesetzt: Es geht darum, wie jemand zu einem (guten) Menschen wird. Ein Gedanke, der schon die Literatur des Mittelalters geprägt hat. Um das Ziel zu erreichen, muss die Figur Abenteuer bestehen, scheitern, Fehler eingestehen und bereuen. Ganz schön viel für diese lebenslustige Puppe. Aber es hilft nichts. Pinocchio muss „ehrlich, mutig und selbstlos“ sein, erklärt ihm die Blaue Fee, wenn er ein echter, lebendiger Junge werden will.
Adam hat eine Musik geschrieben, die sich nicht an Oper, sondern an Musical-Songs orientiert.
Wie eigentlich in jeder Produktion des Theaters für Kinder sind auch hier wieder Bühnenbild (Kathrin Kegler) und Kostüme (Marie-Theres Cramer) so aufwändig und märchenhaft gestaltet, dass man tatsächlich in eine andere Welt eintaucht: Weiße Häuser mit spitzen Giebeln, dahinter eine Frühlingslandschaft, stehen für Gepettos Dorf, bunte kreisrunde Leckereien für das Schlaraffenland, ein rot ausgeleuchteter Raum für den Rachen eines Wals. Auf einem Prospekt tobt das Meer, das am Orchestergraben durch blaue Pappwellen wieder aufgegriffen wird. Dort trifft Pinocchio auf den lakonischen Thunfisch (Philipp Alexej Voigtländer, auch in weiteren Rollen), nachdem er zuvor dem Gangsterpaar Katze (Eva Langer, auch in weiteren Rollen) und Fuchs (René Hirschmann, auch in weiteren Rollen) auf den Leim gegangen ist.
Adam hat für das Familienstück eine Musik geschrieben, die sich nicht an Opernarien, sondern eher an Musical-Songs orientiert (Musikalische Leitung/Klavier: Makiko Eguchi). Das ist auch gut so, denn die Gesangsleistungen des durchweg engagierten Ensembles halten sich in eher bescheidenen Grenzen. Überzeugend und frisch ist dagegen das Spiel. Adam lehnt dabei manche Szenen und Figuren (Harlekin und Colombina in der Puppentheater-Szene) an den volkstümlichen Stil der Comédie dell’Arte an, was der märchenhaften Handlung um Pinocchio entgegenkommt.
Dank des Eingreifens von Grille und Blauer Fee gelingt es Pinocchio am Ende, heil aus den Abenteuern herauszukommen. Ja, er will jetzt immer ehrlich sein und nicht mit der immer länger werdenden Lügennase durch die Welt laufen. Ehrlich zu sich und anderen, und damit wird aus der Holzpuppe ein echter, lebendiger Mensch.
Weitere Informationen unter: https://alleetheater.de/events/pinocchios-abenteuer/
INFORMATIONEN FÜR LEHRKRÄFTE
Inhaltliche Schwerpunkte
Der Wert von
- Ehrlichkeit zu sich selbst und anderen
- Hilfsbereitschaft
- Mut
- Nächstenliebe
Formale SchwerpunKte
- Stereotype Figuren in Anlehnung an Commedia dell’Arte
- Aufwändige Ausstattung (Bühne und Kostüme)
- Songs zur Überleitung zwischen einzelnen Szenen
Vorschlag für Altersgruppe/Jahrgangsstufe
Ab 6 Jahre, ab Klasse 1
Zum Inhalt
Meister Gepetto wünscht sich sehnlichst einen Sohn. Als er aus einem Holzklotz eine Puppe schnitzt, sieht die nicht nur wie ein Mensch aus, sie kann auch sprechen und sich bewegen. Er nennt die Figur Pinocchio. Aber der will nicht länger nur bei Gepetto bleiben, sondern etwas erleben. Er läuft davon, trifft auf undurchsichtige Gestalten wie Katze und Fuchs, die ihn betrügen, und erlebt jede Menge Abenteuer. Manchmal versucht er sich mit kleinen Lügen zu helfen, aber dann wächst seine Nase jedesmal ein Stück, und jeder kann erkennen, dass er nicht die Wahrheit gesagt hat. Gut nur, dass ihn die weise Grille immer im Auge hat und ihm zusammen mit der Blauen Fee notfalls aus der Patsche helfen kann. Am Ende wird Pinocchio doch noch zu einem Jungen aus Fleisch und Blut, weil er erkannt hat, wie wichtig Ehrlichkeit ist.
Mögliche Vorbereitungen
Die Theaterpädagogik des Theaters für Kinder bietet Begleitmaterial zur Vor- und Nachbereitung an. Es kann unter der Email theaterpaedagogik@alleetheater.de angefordert werden.