Lizard Boy

Du siehst aus wie eine Eidechse? Kein Problem. Das macht dich zu etwas ganz Besonderem und wenn es gut läuft, vielleicht sogar zu einem Superhelden. Zu Paul Glasers europäischen Erstinszenierung von Justin Huertas’ Musical „Lizard Boy“ am English Theatre.

Trevor (Peter Tarbonal) und Siren (Sophie Earl) – Foto: Stefan Kock

Die Kritik

Die grünschillernde Echsenhaut ist echt. Wenn Trevor beim alljährlichen Monster-Festival auftaucht, bei dem alle als Echsen verkleidet sind, ist er der Star. Aber nur dann. Denn während die anderen danach ihr Kostüm ablegen und wieder zu unauffälligen Menschen werden, bleibt Trevor der „Lizard Boy“, der Eidechsen-Junge, der mit seinem Äußeren hadert und sich deshalb nur einmal im Jahr, nämlich am Tag des Festivals, unter Menschen traut. 

„Lizard Boy“ ist der Titel eines Musicals von Justin Huertas. 2015 wurde es in dessen Heimatstadt Seattle uraufgeführt und konnte anschließend unter anderem beim Edinburgh-Festival große Erfolge feiern. Das Stück beschränkt sich auf drei Personen  und  scheint damit gerade richtig zu sein für eine kleine Bühne, mag man sich am English Theatre gedacht haben. Dort hat Paul Glaser die europäische Erstaufführung inszeniert. Ort der Handlung ist Seattle (in den 90ern die Wiege des Grunge, wie sich manche erinnern werden), genauer ein Club mit dem vielsagenden, das Echsenhafte aufgreifenden Namen The Crocodile. Mathias Wardeck hat die Bühne wie einen ranzigen Club gestaltet: an den Wänden rechts und links Gitarrenhalter und Plakate von Bands wie den Ramones, Blondie oder Afghan Whigs, links stehen ein Klavier und ein Cello. Wie eine kleine Indie-Band betreten Trevor (Peter Tabornal trägt nur grüne Glitzerschminke und kein vollständiges Eidechsen-Kostüm), Cary (Jacob Bedford) und Siren (Sophie Earl) ohne Ankündigung den Raum, tuscheln miteinander und dann geht es los mit der Ouvertüre, mit „Trevor’s Song“. Ein gefühliger Pop-Song, in dem Tabornal begleitet von Bedford und Earl Trevors Situation besingt. Ohne Frage, Glaser hat mit diesen Drei ein sangesstarkes Ensemble zusammengestellt, das außer der Gitarre auch noch Klavier und Cello (Earl) spielen kann und die Kompositionen von Justin Huertas präsentiert (musikalische Leitung: Jon Mortimer). Die beherrschen den eindreiviertel Stunden langen Abend, lassen allerdings weniger an Rock oder gar Grunge (siehe Seattle) denken, sondern docken in ihrer Gefälligkeit eher bei den klassischen Musical-Songs an.  

Hinter oder neben der realen Handlung gibt es noch eine Fantasy-Ebene.

Aber Musik ist ja auch gar nicht das Thema. Autor Huertas geht es um etwas viel Größeres: Er möchte Außenseiter wie Trevor ins Zentrum rücken und zeigen, dass gerade die Andersartigkeit eines Menschen Stärke bedeuten kann. Dazu bedient er sich einer Story, die eventuell mit großem technischen Aufwand irgendwie nachvollziehbar erscheinen mag, mit den bescheidenen Mitteln einer kleinen Bühne aber unklar wird. Denn es bleibt nicht bei der realen Handlung. Dahinter oder daneben gibt es noch eine Fantasy-Ebene, die tatsächlich schwierig umzusetzen ist. Wobei sich die Inszenierung zusammen mit Projektionen auf den Bühnenhintergrund dabei alle Mühe gibt. So streckt zum Beispiel die mysteriöse Sängerin Siren den Arm aus, formt die Hand zu einer Kralle und aus dem Off ertönt ein kurzes Rauschen. Jetzt ist sie nicht mehr die reale Person (war sie es je?), sondern die mächtige Figur aus einer anderen Welt, die die beiden anderen wie bei einem Computerspiel bewegen kann. Das hat zwar Charme, macht allerdings die Geschichte nicht deutlicher. 

Ist Siren jetzt eine Traumgestalt von Trevor? Manchmal schreitet sie einfach auf ihren schwindelerregenden High Heels (Kostüme: Patricia Royo) aus dem Raum und verspricht ihn nicht zu töten, dann wieder ist sie die Sängerin im Crocodile. Dort ist Trevor mit Cary gelandet, nachdem er aus seiner Einsamkeit heraus im Internet nach einem Partner gesucht und in Cary zumindest erst einmal einen Freund gefunden hat. Siren entpuppt sich als Teil einer mysteriösen Welt, in der Drachen die Menschheit bedrohen. Irgendwie gelingt es ihr, Trevor Selbstbewusstsein zu verschaffen (hier spielt eine merkwürdige Kindheitserinnerung eine Rolle), sodass er schließlich seine Andersartigkeit als etwas begreifen kann, das ihn nicht zum Außenseiter, sondern zum Superhelden macht. Aber klar, das sind die Gesetze des Musicals. Am Ende ist wird alles gut und die Erniedrigten und Beleidigten dürfen erstrahlen. Zuschauer:innen, die wie der Autor Fans von Spider- und Superman sind, werden dieses Musical lieben.

Weitere Informationen unter: https://englishtheatre-shop.comfortticket.de/en/produktion/68d09432-18e1-40a9-ba29-124cd4f241b4/105

INFORMATIONEN FÜR LEHRKRÄFTE

Inhaltliche Schwerpunkte
  • Andersartigkeit bedeutet Besonderheit
  • Mut zur Eigenartigkeit
Vorschlag für Altersgruppe/Jahrgangsstufe

empfohlen für Englischkurse ab Klasse 10

Zum Inhalt

Zur Vorbereitung des Inhalts gibt das English Theatre wie immer im Study Guide eine detaillierte Inhaltsangabe mit Textauszügen sowie Fragen zum Text.

unter: https://eth-hamburg.de/wp-content/uploads/2024/04/Study-Guide_Lizard-Boy.pdf

   

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