Die Asche meines Vaters

Was tun mit 48.590.560 Euro? Anlegen? Spenden? Zu Klaus Schumachers nachdenkenswerten Uraufführung im Jungen Schauspielhaus.

Sasha (Jara Bihler)ist Alleinerbin – Foto: Sinje Hasheider

Die Kritik

Wer träumt nicht davon, einmal viel Geld zu haben. Durch einen Lottogewinn zum Beispiel. Eine Million – damit könnte man schon ganz schön viel anfangen. Aber ganz plötzlich 48 Millionen Euro zu erben, dazu Immobilien, eine Kunstsammlung und ein paar Oldtimer – das überfordert jeden. Denn das ist so viel, dass man es nicht mehr zählen kann und – wie später jemand sagen wird – „man vergisst, dass Geld Geld ist.“ 

Die Verantwortung der Superreichen für die Gesellschaft ist Thema von „Die Asche meines Vaters“,  ein Stück des Autor:innenkollektivs Soeben Voima. Am Jungen Schauspielhaus hat Klaus Schumacher die Uraufführung übernommen. 

Das Leben der 18jährige Sasha ändert sich in dem Moment, als die Einladung zur Beerdigung ihres Vaters ins Haus flattert. Dass er irgend etwas mit Buddhismus zu tun gehabt haben soll, hatten ihre beiden Mütter  ihr gesagt – und dabei gelogen. Denn tatsächlich war ihr Vater ein steinreicher Geschäftsmann, der sie, wie Sasha kurz nach der Beerdigung erfahren soll, als Alleinerbin seines gesamten Vermögens eingesetzt hat. Sasha sieht sich plötzlich nicht nur den Begehrlichkeiten der Verwandten ausgesetzt, sie steht auch vor einem Haufen Fragen, denn sie hat keine Ahnung, was sie sinnvoll mit diesem Geld tun kann.

Wachsende soziale Schere und Klimaverschmutzung durch den Lebensstil der Superreichen

Klaus Schumacher platziert das Publikum rund um die völlig freie Drehbühne, so dass wirklich jede:r ganz nah am Geschehen ist. Die Einstimmung durch das Ensemble zu Beginn („Stellt euch vor, ihr habt Geld. Richtig viel Geld.“ „Was würdet ihr damit machen?“) führt direkt zum Kern des Stückes. Dann beginnt die eigentliche Handlung. Jara Bihler als Sasha steht im Zentrum. Sie wechselt zwischen Spiel, überleitenden Erzählpassagen und Fragen an das Publikum und zeigt überzeugend ein junges Mädchen aus Hamburg, das eine Klassenkameradin der anwesenden Schüler:innen hätte sein können. Die durch das Erbe ausgelöste Überforderung wird dadurch umso deutlicher, ebenso die Wut auf den Vater („der weiß, dass ich existiere und sich aber einen Scheiß für mich interessiert“), und die falsche Freundlichkeit der Verwandten, hinter der nur Geldgier steckt. Kritisch mit dem Reichtum hat sich nur Cousin Max (Nico-Alexander Wilhelm) auseinandergesetzt. Bei einer Feier zu Sashas Erbe klärt er die Anwesenden über die wachsende soziale Schere und die überproportionale Klimaverschmutzung durch den Lebensstil der Superreichen auf. Dieser unbedingt wichtige Aspekt wird erst im letzten Drittel des 80minütigen Stückes thematisiert und geht dadurch etwas unter. Die Autor:innen spiegeln nebenbei die aktuelle Gesellschaft wider, in der es ganz selbstverständlich ist, dass ein Mädchen wie Sasha zwei Mütter (Christine Ochsenknecht, Alicja Rosinski)  und einen non-binären Freund  Fiete (Severin Mauchele) hat und sich Fiete in Max verliebt. 13jährige Schüler:innen, für die das Stück empfohlen ist, scheint  aber gerade das vom eigentlichen Thema abzulenken, wie die erste Schulvorstellung nach der Premiere zeigte. Auch die ausführliche Diskussion darum, wie mit einem riesigen Vermögen umzugehen ist, ist für diese Altersgruppe noch zu theoretisch. Für ältere Klassen ist „Die Asche meines Vaters“ aber unbedingt zu empfehlen und bietet jede Menge Diskussionsstoff. Denn Sasha hat am Ende eine „glänzende Idee“. Nur – dann wird es dunkel und die Lösung müssen wir selbst finden.

Nähere Informationen unter: https://junges.schauspielhaus.de/stuecke/die-asche-meines-vaters-13

INFORMATIONEN FÜR LEHRKRÄFTE

Inhaltliche Schwerpunkte
  • Verantwortung der Superreichen
  • Verhältnis zwischen Klimaschutz und Lebensstil der Superreichen
Formale Schwerpunkte
  • Arenabühne
  • Wechsel zwischen Erzählpassagen und Spiel
  • Einbeziehen des Publikums
  • Rollenwechsel
  • Choreografien
Vorschlag für Altersgruppe/Jahrgangsstufen
  • ab 8./9. Klasse, ab 14/15 Jahre
  • für Deutsch-, WiPo- und Theaterunterricht
Zum Inhalt

Die 18jährige Sasha lebt mit ihren beiden Müttern ein ganz alltägliches Leben in Hamburg-Wandsbek. Eines Tages erhält sie die Einladung zur Beerdigung ihres Vaters, von dem sie bislang nur ganz Ungenaues wusste. Jetzt aber erfährt sie, dass er ein steinreicher Hamburger Geschäftsmann war und seine Trauerfeier auf Sylt stattfinden wird. Sasha ist zunächst wütend auf ihre Mütter, die ihr nie etwas über den Vater erzählt haben, beruhigt sich dann aber und fährt gemeinsam mit ihrem Freund Fiete nach Sylt. Dort wird sie, wie es scheint, sehr herzlich von ihren Verwandten aufgenommen. Als sie aber zur Alleinerbin des gesamten Vermögens von 48.590.560 Euro, Immobilien, einer Kunst- und einer Oldtimer-Sammlung eingesetzt wird, erkennt sie, dass die Verwandten durchaus auch Interesse an dem Erbe haben. Mit verschiedenen Argumenten versuchen sie, Sasha Wohnungen oder Geld abzuluchsen, aber Sasha lässt sich nicht beeindrucken. Genauer hört sie den Argumenten ihres Cousins Max zu, der über die Verantwortung der Reichen spricht und darüber, dass ihr Lebensstil den Klimawandel entscheidend beeinflusst. Am Ende hat Sasha eine „glänzende Idee“. Aber welche, sagt sie nicht.  

Mögliche VorbereitungeN
Recherche zu folgenden Fragen:

Wieviel Euro werden in Deutschland jährlich vererbt?

Wie hoch ist das Vermögen der Superreichen? In Deutschland weltweit?

Wie sieht die Einkommensverteilung in Deutschland aus?

Wie hoch ist das Existenzminimum? 

Wie viel Prozent der Bevölkerung in Deutschland lebt vom Existenzminimum? Wie hoch ist Kinderarmut?

Wie beeinflusst der Lebensstil der Superreichen den Klimawandel? 

Speziell für den Theaterunterricht:
Bühnenformen

Informiert euch über verschiedene Bühnenformen:

  • Guckkasten oder Konfrontationsbühne
  • Vorbühne oder Proszeniumsbühne
  • Raumbühne oder Arenabühne
  • Environmental
Aufgabe
  • Teilt euch in Vierer- oder Fünfergruppen auf und wählt eine Bühnenform.
  • Entwerft eine Szene zu unten stehendem Text. (Der Text darf gekürzt, in Teilen gedoppelt und auf alle Personen verteilt werden. Es darf kein eigener Text hinzugefügt werden. P steht für Person, die ihr je nach euren Ideen besetzen könnt)
  • Verwendet euch bekannte theatrale Mittel.  
  • Achtet darauf, die Bühnenform sinnvoll auszunutzen.

Die Aufgabe ist gelungen, wenn

  • die Szene dem Aufbau mit Anfang, Höhepunkt, Ende folgt
  • der Bühnenraum sinnvoll ausgenutzt ist 
  • alle Spieler*innen beteiligt sind.
  • theatrale Mittel verwendet worden sind 

Notiert euch: Welche Schwierigkeiten und welche Möglichkeiten bietet die Bühnenform?

 

Text

P: Warum hast du das rumerzählt über uns?

P: Ist das richtig. wenn jetzt alle über uns reden?

P: Wie man halt so redet.

P: Nein, nicht, wie man halt einfach so redet. – Ich mach dich verantwortlich für das. Ich könnte dich ja auch zusammenschlagen für das.

P: Was mir am liebsten wäre. Einfach reinschlagen.

P: Gute Lust hätt ich dazu.

P: Tu‘s doch, bitte.

P: Vielleicht. Und dir? Fällt dir nichts Besseres ein?

P: Meinst du was Bestimmtes?

P: Ich schon. Das kannst du mir glauben.

P: Ich versteh kein Wort von dem, was du da sagst.

P: Dann überleg mal. Denk einfach mal nach. Keine Idee? Nix? Und jetzt?

P: Jetzt sag halt, was du meinst.

P: Ich denk an eine kleine Abfindung. Kies. Money.

P: Genial. Du bist genial.

P: Ich hab kein Geld. Eben nicht viel.

P: Aber das, was du hast, das gibst du uns doch freiwillig? Für den angerichteten persönlichen Schaden.

P: Los, Kleiner. Mach den Geldbeutel auf.

P: OK. Zwanzig Mark.

P: Zwanzig Mark?

P: Klar. Oder was?

P: Jetzt musst du nachhelfen.

(Aus: Rainer Werner Fassbinder: Preparadise sorry now)