Der kleine Störtebeker

Manche Geschichten werden zu Legenden, manche Inszenierungen auch – wie die mitreißende Produktion im Schmidt Theater.

Unter Piraten – Foto: Morris Mac Matzen

DIE KRITIK

„Zu meiner Zeit“, hört man eine Besucherin in der Pause sagen, „sind wir immer zu „Cats“ gegangen. Jetzt gehen wir mit der ganzen Familie hierher.“ Und dann fügt sie noch hinzu, dass sie und ihre Kinder alle Songs auswendig können und die Sprüche der Ratte Justin zu geflügelten Worten geworden sind.

Sie hätten sich im Schmidt Theater wohl keinen besseren Einstieg für ihre neue Sparte, das Schmidt Kindertheater, wählen können. „Der kleine Störtebeker“ wurde DAS Familienmusical, nachdem es im November 2014 Premiere hatte. Kinder wie Erwachsene drückten die Geschichte um den Waisenjungen, der sich zu dem berühmten Piraten entwickelt, an ihr Herz. Eltern buchten schon am Ende der Vorstellung Tickets für das kommende Jahr, denn nur in der Weihnachtszeit stand „Der kleine Störtebeker“ auf dem Spielplan. Von jetzt an ist das anders. Das Schmidt Kindertheater wird ganzjährig Stücke für Kinder und Jugendliche oder besser: für die ganze Familie spielen, „Der kleine Störtebeker“ (bis zum 4. Juni im Programm) macht den Anfang.

Aus dem kleinen Niemand wird der selbstbewusste Klaus Störtebeker

Die Wiederaufnahme hat nichts vom Charme der vergangenen Jahre eingebüßt. Die Inszenierung von Carolin Spieß erscheint so frisch, so berührend und mitreißend wie eh und je. Zur Erinnerung: Erzählt wird die Geschichte eines Waisenkindes, das von einer Gauklertruppe aufgenommen und dort von seinem Vormund äußerst schlecht behandelt wird. Erst mit Hilfe der Ratte Justin gelingt es ihm, sich zu befreien und über ein paar Hindernisse den Weg zu den Piraten und zu sich selbst zu finden. Am Ende wird aus dem kleinen Niemand der selbstbewusste Klaus Störtebeker.  

Heiko Wohlgemuth (Buch und Songtexte) hat die Handlung in den historischen Kontext des 14. Jahrhundert eingebettet: Die Pest wütet in Hamburg, die Hanse schickt ihre Schiffe mit wertvoller Fracht über die Meere, manche wurden von Piraten überfallen. Der Legende nach sollen die sogenannten Likedeeler, deren berühmtester Klaus Störtebeker war, das geraubte Gut nicht nur unter sich, sondern vor allem unter den Armen verteilt haben, um Gerechtigkeit zu schaffen. Carolin Spieß lässt diese Fakten nebenbei über ihre Schauspieler*innen erklären. Die treten kurz an die Rampe und erläutern, was ein Pranger ist oder was Likedeeler bedeutet. Mit kurzen Einschüben schaffen sie auch die zeitlichen Übergänge zwischen einzelnen Szenen. Die Handlung erstreckt sich schließlich über mehrere Jahre und Orte. Die wiederum werden mit wenigen Mitteln und sehr viel Fantasie dargestellt. Mit ein paar Leitern und Stangen entsteht die Illusion eines Piratenschiffs (Bühne: Heiko de Boer), ein Band wird zur Umrandung eines Kastens, zu einem Bilderrahmen oder zur Absperrung eines Boxringes. Ein Tuch wird zum Meer oder zur Bettdecke, die Darsteller*innen, eben noch eine jagende Meute, verwandeln sich durch eine Drehung und verrenkte Arme (Choreografie: Benjamin Zobrys)  in einen Wald, dann wieder in ein Treppengeländer oder eine ewig lange Wand.

Wenn die verlassene Theo das Lied „Papa“ singt, schluckt jeder Vater im Publikum.

Martin Lingnaus Kompositionen können es mühelos mit denen von „Erwachsenen“-Musicals  aufnehmen. Wenn die verlassene Theo das Lied „Papa“ singt, schluckt jeder Vater im Publikum, der „“Likedeeler Song“ geht nicht mehr aus dem Ohr und „Wi snackt Platt“ auch nicht, weil das Publikum jede Zeile mitsingen muss. 

„Der kleine Störtebeker“ ist eine schwungvolle, energiegeladene Hamburgensie. Mit Sicherheit bleibt oben genannte Besucherin nicht die einzige, die alle Lieder mitsingen kann und schon mal für eine der nächste Vorstellungen Tickets buchen wird.

Näheres unter: https://www.tivoli.de/programm-tickets/der-kleine-stoertebeker?etcc_cmp=Kindertheater+dynamisch&etcc_grp=Der+kleine+Störtebeker&etcc_med

INFORMATIONEN FÜR LEHRKRÄFTE

Inhaltliche Schwerpunkte
  • Erwachsen werden
  • Mut beweisen
  • den eigenen Weg finden
Formale Schwerpunkte
  • Bespielung des Zuschauerraums
  • Einschübe von Erzählpassagen und Erläuterungen
  • Polyfunktionale Verwendung von Requisiten
  • Darstellung von Gegenständen durch Figuren
Vorschlag für Altersgruppe/Jahrgangsstufen
  • ab 5 Jahre,
  • unbedingt empfohlen für den Theaterunterricht
Zum Inhalt

Hamburg im 14. Jahrhundert. Die Pest wütet in der Stadt und im ganzen Land, die Hanse, eine Verbindung reicher Hamburger Kaufleute, macht mit Geschäfte auf dem Seeweg, ihre Mitglieder werden immer reicher, während große Teile der Bevölkerung in Armut leben. In dieser Zeit wird ein namenloses Waisenkind von einer Gauklertruppe aufgenommen. Es erhält den Namen Nikolaus und zieht über Jahre mit der Truppe von einem Jahrmarkt zum anderen. Gut ergeht es ihm nicht. Als er wieder einmal in eine Kiste gesperrt wird, hilft ihm die sprechende Ratte Justin zu fliehen und ans Meer zu gelangen. Dort trifft er auf eine wilde Meute von Piraten um deren Kapitän Gödeke Michels. Sie nennen sich „Likedeeler, haben aber tatsächlich eher Gerechtigkeit im Sinn. Sie überfallen Schiffe von Kaufleuten der Hanse wie ihrem Erzfeind, dem ausbeuterischen, reichen Heinrich Pfeffersack, und verteilen die Beute unter den Armen. Da Nikolaus aber noch ein Kind ist und Kinder und Frauen auf einem Schiff angeblich Unglück bringen, darf er nicht mit den Likedeelern mitfahren. Nikolaus sucht sich seine eigene Mutprobe. Er trifft Theo, ein Mädchen, das unter der Brücke lebt und seinen Vater verloren hat, das aber sehr mutig ist. Mit ihr und der Ratte Justin brechen sie bei Heinrich Pfeffersack ein und stehlen eine Kiste mit Dokumenten, die dessen Betrügereien beweisen. Mit dieser Kiste kehren sie zurück zu den Likedeelern. Gödeke Michels erkennt in Theo seine Tochter und Nikolaus, der längst der Einfachheit halber Klaus heißt, wird auf dem Schiff aufgenommen. Und weil er in einem Zug den Becher austrinkt, also den Becher stürzt, , nennt man ihn von nun an „Störtebeker“ .

Mögliche VorbereitungeN

Je nach Altersgruppe über Referate, als vorbereitende Hausaufgabe oder in Gruppenarbeit:

  • Wer war Klaus Störtebeker?
  • Welche Bedeutung hatte die Hanse?
  • Welche Situation herrschte in Hamburg im 14. Jahrhundert?
  • Was ist eine Legende?
Speziell für den Theaterunterricht: 
Figuren werden Gegenstände

Die Spielleitung teilt vier Gruppen (A,B,C,D) ein, die gegeneinander antreten. Zuerst treten A und B auf der Bühne. C und D überlegen sich vier Gegenstände, die die beiden Gruppen darstellen sollen (z. B. Uhr, Kirche o.ä.) . A und B stellen die genannten Gegenstände parallel dar, C und B vergeben Punkte (1-3, 3 ist am besten). Danach wird zusammengezählt und der Sieger ermittelt.

Dann stehen C und D auf der Bühne und A und B überlegen sich die darzustellenden Gegenstände.

Am Ende treten die Sieger der ersten und der zweiten Runde gegeneinander an.

Übung zum polyfunktionalen Requisit

Die  Gruppe bildet einen Kreis, die Spielleitung legt ein Tuch in die Mitte. Wer eine Idee für die Verwendung des Tuches hat, geht in die Mitte und führt sie vor (z.B. Tuch als Bettdecke, zusammengewickelt im Arm als Baby, ausgebreitet als Gebetsteppich usw.)

Anwendung

Die Spielleitung legt verschiedene Requisiten aus (Seile, Stöcke, Bälle o.ä.) und fordert die Gruppe auf, einzeln für ca 10 Minuten herumzugehen und mit den jeweiligen Requisiten zu spielen. Anschließend stellt sich jede*r zu dem Requisit, zu dem er/sie die meisten Ideen hat. Die so entstandenen Gruppen erhalten folgende Aufgabe

Aufgabe:

Erstellt eine kurze Szene (ohne Worte), in der das gewählte Requisit in mindestens fünf verschiedenen Funktionen verwendet wird.