Das Tagebuch der Anne Frank

Eine Dreizehnjährige muss sich mit ihrer Familie verstecken. Weil ein mörderisches Regime Menschen wie sie jagt und auslöscht. Das Mädchen heißt Anne Frank. Was sie denkt, fühlt und welche Sehnsüchte sie hat, vertraut sie ihrem Tagebuch an. Im Theater Das Zimmer hat Lars Ceglecki „Das Tagebuch der Anne Frank“ mit einer umwerfenden blutjungen Schauspielerin inszeniert.

Zwischen Hoffen und Verzweifeln: Anne Frank (Savannah Robold) Foto: Patrick Bieber

Die Kritik

Seit der Europawahl ist es offensichtlich: Rechtes Gedankengut ist auf dem Vormarsch, gerade auch bei jungen Leuten in Deutschland. Sie machen ihr Kreuz bei einer Partei, die als gesichert rechtsextrem gilt und in deren Reihen Leute das Sagen haben, die mit Fug und Recht als Nazis bezeichnet werden dürfen. Was genau der Nationalsozialismus bedeutet hat, wissen allerdings viele dieser Erstwähler nicht so genau. Umso wichtiger ist es, wenn man sie in das Theater Das Zimmer schickte. Dort nämlich ist „Das Tagebuch der Anne Frank“ zu sehen. Lesen würden die meisten diese weltberühmte, mehr als 300 Seiten starke autobiografische Dokumentation vielleicht nicht. Die kluge, knapp zweistündige Bühnenfassung von Lars Ceglecki könnte ihnen jedoch die Augen öffnen für das, was Nazis bereit sind, Menschen anzutun.

Neugierig betrachtet und berührt sie ihre neue Umgebung. Ihre Augen blitzen.

Grau und trostlos wirkt die ebenfalls von Ceglecki eingerichtete Bühne: Der mit Holzspänen übersäte Boden schimmert bei entsprechendem Licht wie Schiefer, die drei umrahmten Stellagen und die drei unterschiedlich großen Würfel wirken abweisend und kalt. Dann erscheint ein Mädchen in blauem Wollrock und weißer Bluse. Neugierig betrachtet und berührt sie ihre neue Umgebung, ihre Augen blitzen. Irgendwie findet sie das alles spannend. Es ist der 14. Juni 1942 und Anne Frank ist zwei Tage zuvor gerade 13 Jahre alt geworden. Als Jüdin musste sie mit ihrer Familie aus Nazi-Deutschland fliehen und sich in Amsterdam im Hinterhaus von Bekannten verstecken, aber noch ist ihr das Ausmaß dieser Situation nicht bewusst. Sie ärgert sich nur, dass sie sich nicht von ihrer Katze hat verabschieden können und hier immer leise und vorsichtig sein muss, damit das Versteck nicht auffliegt. Freunde hat sie hier auch nicht, also zieht sie ein kariertes Tagebuch hervor und schreibt darin einer imaginären Freundin namens Kitty, was sie fühlt, und denkt, welche Ängste und welche Sehnsüchte sie hat. 

Ceglecki hat in seiner Inszenierung das gesamte Geschehen auf eine Schauspielerin konzentriert und mit Savannah Robold in den Glückstopf gegriffen. Er lässt sie Annes Dokumentation so erzählen, wie man sie einer Freundin oder einem Freund erzählen würde, vorgespielte Szenen, in denen andere Rollen eingenommen werden, inklusive. Die Zeit von Juni 1942 bis August 1944 im Versteck wird auf markante Ereignisse fokussiert, kurze, von lässiger (und Gottseidank von keiner aufdringlich dramatischen) Musik untermalte Blacks  markieren die Zeitsprünge. Die unmittelbare Nähe zur Bühne des winzigen Theaters bietet außerdem den Vorteil, dass sich der Eindruck von Enge, von dem Gefühl der Gefangenschaft dem Publikum vermittelt.

Anne sieht das Glas nie halb leer, bei ihr ist es immer halb voll.

Savannah Robold ist ein Wahnsinnstalent. Die erst 20jährigen Schauspielschülerin spielt alle Facetten Anne Franks von überbordender Freude, über Wut, Hilflosigkeit und Zweckoptimismus bis hin zu scheuer Verliebtheit und lebensbejahender, ungebrochener Hoffnung. Ihre Augen funkeln, das Gesicht leuchtet, kann sich aber im nächsten Moment zu einem pubertären Schmollmund verziehen, dann wieder ganz weich zu strahlen beginnen oder  leidenschaftlichen Zorn versprühen bei der Aufzählung all dessen, was Juden müssen und nicht dürfen oder wenn sie aufschreit, dass „der Abschaum regiert“. Robolds Anne sieht das Glas dennoch nie halb leer, bei ihr ist es immer halb voll. Tief Luft geholt, das Kinn nach vorne gestreckt und dann sagt sie eben, dass es ihnen in dem Versteck ja „recht gut“ geht. Sie kann den dazu gekommenen Zahnarzt vortrefflich in seiner Bräsigkeit nachahmen, ebenso den eher nüchternen Peter, dem sie sich annähert. Als sie von der Invasion der Alliierten und dem kommenden Befreiung hört, ist ihre Sehnsucht nach Freiheit nicht mehr zu bremsen. „Ich bin so glücklich, wenn ich im Oktober wieder auf der Schulbank sitzen kann“, ruft sie. Ein junges Mädchen, strahlend und voller Hoffnung. Dann geht das Licht aus. Es wird dunkel, still. 

Hier endet das Tagebuch. Anne und ihre Familie wurden im August 1944 von der Gestapo aufgespürt und im Konzentrationslager ermordet. Auf einer Schulbank durfte sie nie wieder sitzen. Was für ein beeindruckender, berührender Abend! Ein Muss für alle, heute mehr denn je.

Weitere Informationen unter: https://www.theater-das-zimmer.de

INFORMATIONEN FÜR LEHRKRÄFTE

Inhaltliche Schwerpunkt

die Situation eines jüdischen Mädchens unter den Nationalsozialisten: 

  • ihre Gefühle, ihre Gedanken, ihre Hoffnungen, ihre Sehnsüchte
Formale SchwerpunKte
  • erzählender Monolog
  • abstraktes Bühnenbild
Vorschlag für Altersgruppe/Jahrgangsstufe
  • ab 14 Jahre, ab Klasse 9 (dringend!). Theatrale Vorkenntnisse sind nicht notwendig.
  • empfohlen für den Deutsch-, Geschichts-, Politik- und Theaterunterricht
Zum Inhalt

Im Juni 1942 fliehen Anne Frank und ihre Familie vor den Nationalsozialisten von Deutschland nach Amsterdam. Dort können sie sich mit einer anderen jüdischen Familie bei Bekannten in deren Hinterhaus verstecken. Anne, ein lebensfrohes, energiegeladenes Mädchen, ist gerade 13 Jahre alt geworden. Ihre Leidenschaft gehört dem Schreiben, gerne möchte sie später als Journalistin arbeiten. Da sie in dem Versteck niemandem von ihren Gedanken und Gefühlen erzählen kann, erfindet sie sich eine Freundin namens Kitty, der sie in ihrem Tagebuch alles mitteilt, was sie bewegt. Sie erzählt von ihrer Neugier, der Spannung, mit der sie die neue Bleibe inspiziert und sich so gemütlich wie möglich macht. Von der Ungerechtigkeit, der sie ausgesetzt ist, weil sie nicht frei herumlaufen kann. Von der Dankbarkeit, immerhin doch ein bisschen in Sicherheit zu sein. Vom Streit mit den Eltern und dem dazu gekommenen Zahnarzt, mit dem sie ihr Zimmer teilen muss. Vom Verliebtsein und dem ersten Kuss von Peter. Zwei Jahre lang, bis zum August 1944 hält sie ihr Zweckoptimismus über Wasser, siegt immer wieder über ihre Angst und Verzweiflung. Sie erscheint in ihrem Tagebuch wie  ein junges Mädchen, das wie alle ihre Altersgenossinnen zwischen Vernunft und Gefühlsstürmen hin- und hergerissen wird und das Träume und Sehnsüchte hat. Die letzte große Hoffnung, endlich wieder ganz normal und in Freiheit zur Schule gehen zu dürfen, scheint sich schon bald, im Oktober nämlich, zu erfüllen, als im August 1944 die Alliierten in der Normandie anlanden und sich der Krieg dem Ende neigt. Hier enden Annes Eintragungen. Anne und ihre Familie werden von der Gestapo aufgespürt und im Konzentrationslager ermordet.

Mögliche Vorbereitungen
  • Lektüre von „Das Tagebuch der Anne Frank“ (als Ganzschrift oder in Auszügen)
  • Recherche zur Situation der Juden im Nationalsozialismus
  • Recherche zu Hitlers Machtübernahme (Wie konnte es dazu kommen? Was charakterisierte die Gesellschaft der Weimarer Republik? Welche Gruppen stimmten für die NSDAP?)
  • Recherche zu Goebbels Propaganda (Wie wurden bestimmte Gruppen zu Sündenböcken gemacht? Mit welchem Ziel? Wie wurden zu diesem Zweck Fakten verdreht?)
  • Recherche zum Programm von Parteien wie der AfD in Bezug auf Migranten
  • Recherche zum sogenannten Potsdamer Treffen.
  • Recherche zum Wahlverhalten junger Leute ab 16 Jahre: Welche Gründe gibt es für den Rechtsruck?
Im Unterrichtsgespräch

Wo seht ihr Parallelen zwischen der Zeit vor 1933? Welche Unterschiede?

Welche Wünsche habt ihr an die Politik? 

Speziell für den Theaterunterricht

Die Spielleitung teilt Dreiergruppen ein und verteilt unterschiedliche Zitate aus Anne Franks Tagebuch: https://www.inhaltsangabe.de/anne-frank-tagebuch/zitate-und-textstellen/

Aufgaben:
  • Überlegt euch ein Bühnenbild für eure Szene. Dafür dürft ihr quadratische Würfel und/oder Stühle und/oder Matten o.ä. verwenden.
  • Lest euch das Zitat genau durch. Erstellt dazu eine Szene mit einer oder zwei Personen.  Textteile können gesprochen werden oder das gesamte Zitat von der dritten Person zu dem Spiel vorgelesen werden. 
  • Probt die Szene und stellt sie vor.

Präsentation und Feedback

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert