Barfoot in’n Park

„Verliebt, verlobt, verkracht“ – Der Untertitel fasst recht gut die turbulente Beziehung zwischen Conny und Paul zusammen, um die es in Neil Simons Komödie geht, glücklicher Ausgang selbstverständlich inbegriffen. Das Premierenpublikum im Ohnsorg Theater drückte Nora Schumachers Inszenierung zum Saisonauftakt begeistert an sein Herz.

Plötzlich unvereinbare Gegensätze zwischen Paul (li: Flavio Kiener) und Conny (Lara-Maria Wichels) – Foto: Oliver Fantitsch

Die Kritik

Es müsste schon mit dem Teufel zugehen, wenn „Barfoot in’n Park“ kein Renner wird. 

Ganz kurz zur Geschichte: Paul und Conny sind frisch verheiratet, ziehen in eine neue, aber sehr kleine Wohnung und merken bei den ersten Alltagsanforderungen, wie unterschiedlich sie eigentlich sind. Während sie spontan auch bei acht Grad minus barfuß im Park spazieren gehen möchte, lehnt er das als vollkommen idiotische Idee ab. Der sich daraus entwickelnde Streit führt beinahe zur Scheidung, aber nur beinahe, denn letztlich wird alles gut. Die Älteren unter uns werden sich an die Verfilmung von Neil Simons Komödie mit Jane Fonda und Robert Redford aus dem Jahr 1967 erinnern. Die spielte damals in New York, im Ohnsorg Theater wird sie ins Hamburg der 60er Jahre versetzt.

Das Schauspiel-Ensemble ist eine Wucht.

Diese Produktion macht alles richtig: Nora Schumacher inszeniert mit einem untrüglichen Gefühl für präzises Timing und Tempo. Sie setzt unverkrampft auf running gags (blockierende Tür im allzu engen Schlafzimmer, erschöpft taumelnde Besucher nach Erklimmen des 4. Stocks) und nimmt ihre Figuren ernst. Anika Sedello spiegelt mit dem realistischen, in pastellfarben gehaltenen Bühnenbild und den stilsicheren Kostümen die Atmosphäre der 60er Jahre wider. Und das Schauspiel-Ensemble ist eine Wucht. Da sind die beiden Protagonisten Lara-Maria Wichels als Conny und Flavio Kiener als ihr Ehemann Paul, doch dazu später. Da sind aber vor allem Birte Kretschmer als Connys Mutter Edith Bartels, Konstantin Graudus als Victor Velasco, der Mieter vom Dachgeschoss, und Frank Grupe als Telefonmann Harry Peters. Grupe, auch für die plattdeutsche Übersetzung des Stücks verantwortlich, hat zwar nur kleine Auftritte, aber die sind in ihrer Lakonie kaum zu übertreffen: ein rechtschaffener Arbeiter, der sich mitten im Gezeter des jungen Paares schon mal anbietet, das verlangte Bier zu holen.  Graudus’ Velasco neigt zur Großspurigkeit. Überhaupt ist bei ihm alles eine Nummer zu groß: das Karo seines Anzugs, seine Gesten, seine Selbstdarstellung als „durch und durch netter Kerl“. Aber man mag diesen Aufschneider, der ungeniert Connys Mutter Edith Bartels anbaggert. Bei Birte Kretschmer ist sie eine alleinstehende Frau, die nicht mehr allzu viel vom Leben erwartet, sich mit unterschiedlichen Pillen über Wasser hält und gerne mal zur Unzeit zu Besuch kommt. Wie ein junges  Mädchen errötet sie bei Velascos Avancen und macht Dinge mit, die ihr früher im Leben nicht eingefallen wären (zum Beispiel Schneckenfleisch zu essen und sich in einer Bar auf St Pauli rettungslos zu betrinken).    

Problematisch ist die damals gängige Rollenverteilung.

Gruppe, Graudus und Kretschmer schielen nicht nach Lachern, sie bleiben bei ihren Figuren, sind dadurch umwerfend komisch – und zeitlos. Das allerdings lässt sich von Simons Stück nicht sagen. Das Festnetz-Telefon, die Miete in D-Mark sind sympathische Anspielungen auf die 60er Jahre. Problematischer wird es mit der damals gängigen Rollenverteilung: die Ehefrau bleibt zu Hause und ist für die Einrichtung der Wohnung verantwortlich, ihr Mann schafft mit seinem Job das Geld heran und lässt sich zu Hause bedienen. Lara-Maria Michels und Flavio Kiener bedienen diese Rollen perfekt, spielen das Klischee vollkommen aus. Eine Brechung oder Ironisierung ist seitens der Regie wohl auch nicht vorgesehen. Michels’ Conny ist blond, niedlich, quirlig, abenteuerlustig, spontan, hat aber offenbar nicht allzu viel in der Birne. Statt ihren Mann in Ruhe zu lassen, damit er sich auf eine wichtige Gerichtsverhandlung vorbereiten kann, will sie nur küssen und kuscheln und schmollt, wenn das gerade nicht so passt. Kieners Paul ist ein Aktentaschen-Typ, staubtrocken und anstrengend vernünftig. Aber er gerät richtig in Fahrt, als Conny den Streit vom Zaun bricht. Sein anschließendes Besäufnis lässt ihn zu einem völlig anderen, lockeren Menschen werden, der sogar auf dem Fenstersims balanciert.

„Wohlig vertraut“ sei der Start in die neue Spielzeit, sagte Intendant Michael Lang in seiner Ansprache nach der Premiere. Tatsächlich ist diese Produktion zumindest inhaltlich eine Rolle rückwärts in selige Heidi-Kabel-Zeiten mit ihren Wohlfühl-Komödien. Aber genau die will das Ohnsorg-Publikum offenbar wiederhaben.    

Weitere Informationen unter: https://www.ohnsorg.de/events/barfoot-inn-park-verliebt-verlobt-verkracht-/

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