Was ihr wollt

Alles frisch am Thalia Theater. Neue Spielzeit, neues Leitungsteam und zum ersten Mal mit Sonja Anders eine Frau als Intendantin. Und dann gibt es zur Saisoneröffnung ausgerechnet einen Klassiker. Na und? Anne Lenks musikalische Inszenierung von Shakespeares Komödie „Was ihr wollt“ macht Spaß und ist unerhört lebendig.  

Zum Affen gemacht: Malvolio (vorne: Jeremy Mockridge) von Maria (li: Oda Thormeyer) und vor seiner Gräfin (hinten: Franziska Machens) – Foto: Katrin Ribbe

Die Kritik

Manchmal geht alles drunter und drüber. Dann weiß man nicht mehr, ob man schläft oder träumt, wo man sich tatsächlich befindet und wer man selbst ist. Dann sind auch die anderen nicht mehr die, die man aus dem Alltag kennt, sondern ganz andere Menschen mit anderem Äußeren, anderen Ideen und Vorlieben. Leute mit Karnevalerfahrungen kennen derartige Situationen. Shakespeare hat diesen Ausnahmezustand schon zu Beginn des 17. Jahrhunderts in einer besonderen, nämlich der „Zwölften Nacht“ beschrieben. Das ist die Zeit, in der die Komödie „Was ihr wollt“ spielt. Darin wird das königliche Zwillingspaar Viola und Sebastian bei einem Schiffbruch voneinander getrennt. Beide werden auf unterschiedliche Art gerettet, wissen das aber nicht voneinander. Viola wird an den Strand der Insel Illyrien gespült und verkleidet sich sicherheitshalber als Junge, was allerdings zu heillosen Verwirrungen führt. Denn sie verliebt sich in den Herzog Orsino, der aber liebt die Gräfin Olivia, die wiederum verliebt sich in die verkleidete Viola. Und dann ist da auch noch Olivias Hofmeister Malvolio, der für seine Herrin schwärmt und übel von ihren Angestellten vorgeführt wird.

Unter einer Daunendecke robbt Orsina auf die Bühne.

Man muss gar nicht wissen, wer jetzt wen liebt oder nicht. Anne Lenk, leitende Regisseurin im neuen Team von Sonja Anders, interessiert vor allem die Liebe überhaupt und das, wozu sie fähig ist. Shakespeares Text hat sie mit aktuellem Sprech und Bezügen zur Gegenwart (Malvolio: „Ich ändere das WLan-Passwort.“) aufgefrischt, Musik zum Dialogpartner und Unterstützer erklärt und dem Liebes-Durcheinander mit Vergnügen zugeschaut. Da ist diese maulig-verwöhnte, an ein New Yorker It-Girl erinnernde Gräfin Olivia (Franziska Machens), die keinen Bock mehr hat auf die penetranten Avancen des Herzogs Orsino (Jannik Hinsch). Unter einer Daunendecke robbt sie auf die Bühne und lässt sich verleugnen. Erst als die stille, ernsthafte Viola (Gloria Odosi) mit gelber Daunenweste und Jogginganzug als Junge verkleidet erscheint, taucht Olivia in krassem Minikleid und hohen Schuhen auf (Kostüme: Sibylle Wallum) und verliebt sich in den vermeintlichen Jungen. Da kann der schlecht gereimte und in bester ESC-Manier vorgetragene Schlager von Jannik Hinschs Orsino (dafür gab es zu Recht Szenenapplaus) einfach nicht mithalten. 

„Gott! Alter!“

Musik spielt in Lenks Inszenierung eine entscheidende Rolle. Das Treppenhausorchester aus Hannover unter der Leitung von Thomas Posth beherrscht die Bühne (Judith Oswald). Es ist verteilt auf drei mehrstöckige und zum Teil fahrbare Podeste, die Figuren können davor, darauf und darüber herumturnen. Die Musik tritt mit ihnen in Dialog („Ruhe!“, „Mann!!!“), unterlegt im Mickey Mousing ihre Bewegungen, untermalt Stimmungen oder gibt richtig Gas bei einer illegalen Party der Angestellten, unter ihnen – Achtung, Pop-Hinweis! – Olivias Nichten Iggy (Rosa Thormeyer) und Poppy (Nina Sarita Balthasar). Letztere übernehmen mit der älteren, nur manchmal besonneneren Maria (Oda Thormeyer) die Rollen von Shakespeares tölpelhaften Junkern und dürfen in Hinblick auf Klamauk mit riesigen Schaumstoff-Aprikosen oder -Pflaumen genauso deftig auf die Sahne hauen. Sie sind es auch, die es auf Malvolio abgesehen haben. Durch Jeremy Mockridge wird diese Figur zum Star des Abends: Zunächst noch der hausbackene Oberlangweiler und Spielverderber, wird er durch einen Fake-Liebesbrief Olivias zum gelenkigen Ausdruckstänzer mit Dauergrinsen, der sein Glück nicht fassen kann: „Gott! Alter!“. 

Wenn sich am Ende die beiden Zwillinge wieder finden und alles enttarnt wird, gibt es keine einzelne Hochzeit, sondern ein gegenseitiges Küssen und Umarmen aller. Selbst der gedemütigte, Hass auf alle schwörende Malvolio wird durch einen Kuss von Maria mundtot gemacht. So schön, so friedlich könnte die Welt sein.

Weitere Informationen unter: https://www.thalia-theater.de/de/stuecke/was-ihr-wollt/188

INFORMATIONEN FÜR LEHRKRÄFTE

Inhaltliche Schwerpunkte
  • Identitätssuche
  • Orientierung
  • Liebe als verstörendes und verbindendes Mittel
Formale SchwerpunKte

Musik 

  • zur Untermalung von Bewegungen, Stimmungen  
  • als Dialogpartner
  • als Partybegleitung
Vorschlag für Altersgruppe/Jahrgangsstufe
  • Ab 15/16 Jahre, ab Klasse 10
  • Empfohlen für den Englisch-, Deutsch-, Musik- und Theaterunterricht
Zum Inhalt

Durch einen Schiffbruch ist die Königstochter Viola von ihrem Zwillingsbruder Sebastian getrennt worden. Beide werden unabhängig voneinander gerettet, wissen aber davon nichts. Viola wird an die Insel Illyrien gespült, verkleidet sich dort zu ihrer eigenen Sicherheit als Junge, tritt in die Dienste des dortigen Herzogs Orsino und wird zum Boten von dessen Liebeswerben um die Gräfin Olivia. Die hat die Nase gestrichen voll von seinen Avancen, verliebt sich aber dafür in die verkleidete Viola und die sich in Olivia. Deren Haushofmeister Malvolio wiederum liebt schon lange seine Herrin und glaubt sich erhört, als er einen vermeintlichen Liebesbrief von ihr bekommt. Der allerdings ist ein ziemlich übler Streich von Olivias Angestellten, die Malvolio damit bloßstellen und sogar ins Gefängnis bringen. Am Ende taucht tatsächlich Violas tot geglaubter Bruder auf und – in dieser Inszenierung – umarmen sich letztlich alle, und selbst Malvolio wird durch einen Kuss wieder in die Gesellschaft zurückgeholt.

Mögliche Vorbereitungen
  • Shakespeare: Was ihr wollt (Lektüre) oder Recherche zu Inhalt
  • Recherche zum Komödienbegriff bei Shakespeare und allgemein
  • Recherche zur Bedeutung von Karneval

 

Im Unterrichtsgespräch:
  • Was passiert mit einem in einer Ausnahmesituation wie dem Karneval? 
  • Wie wirkt sich Verkleidung aus?
Speziell für den Theaterunterricht
  • Recherche zur Funktion von Musik im Theater, zum Mickey Mousing
Verwendung von Geräuschen für eine Szene

Die Spielleitung stellt Musikinstrumente und Geräuschdosen zur Verfügung. Die Spielenden dürfen eigen Alltagsgegenstände (Stifte, Handys o.ä.) verwenden.

Aufgabe
  • Entwerft zu nachfolgendem Text eine Szene, in der drei von euch spielen und einer für das Mickey Mousing zuständig ist. Ihr dürft den Text doppeln,  kürzen usw. nur keinen neuen Text dazu erfinden. Der Schwerpunkt liegt auf der Untermalung der Handlungen durch Geräusche.
  • Überlegt, wo die Szenen spielt und welche Figuren mitspielen.
  • Es soll auch stumme Stellen geben, in denen nur die Geräusche die Handlungen unterstreichen.
  • Verwenden dürft ihr :Dinge aus der Geräuschekiste, Instrumente, eigene Alltagsgegenstände (Reißverschlüsse, Papier usw., Handy, um passende Geräusche zu suchen)
  • Probiert möglichst viele Möglichkeiten aus und entscheidet euch dann. Probiert die Szene mehrfach durch.
Text: 
  • Hallo
  • Hallo
  • Na
  • Und
  • Wieso
  • Was
  • Nichts Neues
  • Nein
  • Ach so

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