Eine Insel im Pazifik. Kokospalmen, weiße Strände, türkisblaues Meer… Von wegen. In Tom van Hasselts „Trash Island“ besteht die Insel ausschließlich aus Müll und wird von den dort Lebenden sogar noch als Paradies empfunden. Zur schräg-satirischen Uraufführung im Schmidtchen, der kleinsten Spielstätte des Schmidt Theaters.
Die Kritik
Müll kann auch ganz schön aussehen. Mareike Güldner und Meike Gerstenberg aka „Hedda Hummel“ haben in die Mitte der engen Bühne des Schmidtchens eine glitzernde schiefe Ebene mit einer Vertiefung gebaut. Rundherum sind bunte Kartons und Plastikmüll angeordnet, die Projektion eines dunklen, vom Meer umspülten Berges im Hintergrund lässt an eine Vulkaninsel denken. Ist sie aber nicht, wie sich im Laufe des gut zweistündigen Abends herausstellt. Vielmahr handelt es sich um einen Berg aus Coca-Cola-Flaschen, eigenhändig errichtet von Freddy, dem skurrilen Gründer von Trash Island.
Was ihn genau dazu bewegt hat, warum er mit seiner Tochter damals in den 90ern aus der Zivilisation geflohen ist, um im Pazifik diese und die Cola-Flaschen-Insel aus Müll zu bauen und seine Tochter hier groß werden zu lassen, das alles bleibt wie einiges andere in dieser Geschichte ein wenig im Dunklen. Dafür ist sie übervoll mit Anspielungen und Verweisen, was dann doch einige Zuschauende überfordert und sie ab und an den Faden verlieren lässt.
Es geht um Umweltverschmutzung und Nachhaltigkeit.
Ursprünglich sollte das „Musical zum Wegschmeißen“ im April 2024 im Schmidtchen uraufgeführt werden. Aber – wir wissen es – Corona machte diese Pläne zunichte. Da den Verantwortlichen des Schmidt-Theaters das Thema des Stücks am Herzen liegt und vielleicht sogar an Aktualität gewonnen hat, findet die Uraufführung eben jetzt, also vier Jahre später, statt. Es geht um Umweltverschmutzung und Nachhaltigkeit. Der Berliner Tom van Hasselt, verantwortlich für Buch, Songtexte und Musik, hat dazu eine absurd erscheinende Geschichte ersonnen, inszeniert hat sie Marco Krämer-Eis. Freddy, von Markus Schöttl als langhaariger, mit pädagogisch wertvollen Tipps nervender Hippie-Vater gespielt, ist vor Jahren mit seiner Tochter Johanna in den Pazifik geflüchtet und hat hier aus Müll ein Insel erbaut. „Marmor, Stein und Eisen bricht, doch Plastik hält“, singen sie. Für Johanna ist dieses Elend das Paradies schlechthin, was natürlich an sich schon Satire ist. Hier wächst sie auf und Kathrin Finja Meier zeigt ein naives, gutmütiges Kind, das wirklich von nichts eine Ahnung hat („Was ist Internetz?“). Ein weiterer Mitbewohner dieser Insel ist Friday (klare Anspielung auf Robinson Crusoes Ureinwohner), der vom Schiff der „Wilden 13“ in einer Kiste, adressiert an Frau Malzahn („Jim Knopf“ lässt grüßen) angeschwemmt worden ist. Die Funktion dieser Figur in der Geschichte wird nicht ganz klar, aber es macht Spaß, Patrik Cieslik zuzusehen, der nicht nur Friday, sondern auch später den Umwelt-Influencer Felix mit viel Komik und beneidenswert akrobatischen Verrenkungen gibt. Alle drei Schauspielenden spielen auch die in Schutzanzüge gehüllten Vertreter internationaler Konzerne (für die durchweg fantasievollen Kostüme verantwortlich: Verena Polkowski), die auf der Insel nach seltenen Erden suchen, sowie später auch Johanns plötzlich auftauchende Mutter (Kathrin Fina Fiedler) oder den Kapitän eine Bio-Kreuzfahrtschiffs (Markus Schöttl).
Kommt der erste Teil des Abends noch etwas schwerfällig in Gang, wird es nach der Pause deutlich spritziger und pointierter. Die Songs (Musikproduktion und Arrangements: Martin Rosengarten) mögen keinen Ohrwurm-Charakter haben, aber sie sind innerhalb der Geschichte stimmig und vor allem von einem sangesstarken Ensemble interpretiert.
Dieser Abend ist ein mutiger Versuch, ein brisantes Thema unterhaltsam auf die Bühne zu bringen. Er polarisiert, aber leicht Konsumierbares gibt es ja genug.
Weitere Informationen unter: https://www.tivoli.de/programm-tickets/trash-island?
INFORMATIONEN FÜR LEHRKRÄFTE
Inhaltliche Schwerpunkt
- Umweltverschmutzung
- Gier internationaler Konzerne
- Nachhaltigkeit
- Sehnsucht nach Natur
Formale SchwerpunKte
- Satire- Musical
- Anspielungen auf verschiedene popkulturelle Phänomene
- mehrfacher Rollenwechsel
Vorschlag für Altersgruppe/Jahrgangsstufe
- ab 16 Jahre, ab Klasse 10
- möglich für den Musik- und PWG-Unterricht
Zum Inhalt
Freddy hat in den 90er Jahren die zivilisierte Welt verlassen und für seine Tochter Johanna und sich Trash Island, eine Insel ausschließlich aus Müll, geschaffen. Dort leben beide zusammen mit Friday, einem Jungen, der zufällig in einer Kiste ans Inselufer geschwemmt worden ist. Alles verläuft friedlich, man glaubt sich im Paradies, bis eines Tages Vertreter internationaler Konzerne auf der Suche nach seltenen Erden und ein immerhin mit „Bio“ apostrophiertes Kreuzfahrtschiff auftauchen und vieles auf der Insel durcheinanderbringen. Außerdem erscheint ein recht höflicher, aber ungemein engagierter Influencer namens Felix und verliebt sich in Johanna. Damit nicht genug, auch Johannas tot geglaubte Mutter hatte sich auf die Suche nach der Tochter gemacht und findet sie hier wieder. Das Auffinden einer echten Kartoffel erzeugt bei Johanna die Sehnsucht nach etwas Echtem, plötzlich stellt sich die Frage, was denn richtig und was falsch, was gut und was böse ist. Ein Happy End gibt es trotzdem.
Mögliche Vorbereitungen
Über Referate, als Hausaufgabe oder in Gruppenarbeit:
- Recherche zu folgenden Aspekten:
- Wieviel Müll wird pro Kopf in Deutschland produziert? Wieviel weltweit?
- Müllverschmutzung im Meer und in den Wäldern
- Wie nachhaltig ist unser Alltag?
- Was tue ich selbst/ meine Freund*innen/ meine Familie für die Nachhaltigkeit?
- Welche Konzerne produzieren nachhaltig? Was wird behauptet? Wie sieht die Wirklichkeit aus?
- Was ist Satire? Welche Ziele verfolgt sie mit welchen Mitteln?
Präsentation und Feedback