Alice im Wunderland

Eine auf Krawall gebürstete Dreizehnjährige fällt zufällig in einen Kaninchenbau – und lernt sich in einer fremden Welt zu behaupten.

Alice (re: Meryem Öz) besucht die Raupe (lSandra Flubacher) – Foto: Krafft Angerer

DIE KRITIK

Alice ist schwer genervt. Von ihrem Kleinmädchenzimmer mit dem blöden Stoffhasen, von den Erwachsenen und überhaupt. „There are no rules“ hat sie aus Protest an die Wand ihres Zimmers geschmiert. Regeln gibt es nicht, schon gar nicht für sie. Denkt sie jedenfalls. Alice ist nämlich dreizehn und steckt knietief in der Pubertät. Natürlich findet sie es geradezu anmaßend, dass ihre Mutter sie bittet, mit dem kleinen Bruder im Kinderwagen noch ein bisschen spazieren zu gehen. Im Regen!

Thomas Birkmeir hat Lewis Carrolls Klassiker „Alice im Wunderland“ neu gelesen und eine eigene, teilweise recht düstere Fassung für das Thalia Theater gestaltet. Das muss man wissen, denn das Stück ist für Familien vorzugsweise in der Weihnachtszeit gedacht. Zart besaitete Zehnjährige – für die die Vorstellungen empfohlen sind – könnten sich an manchen Stellen durchaus ängstigen. Andererseits gibt es lustige Szenen, in denen gesungen und getanzt wird. Und da ist schließlich in dieser Inszenierung eine weibliche Hauptfigur, die sich schwierigen Anforderungen stellt und am Ende zu sich findet. Alice hat auch Vorbildcharakter. 

„Oh, ein Mann im Kaninchenkostüm!“

Besetzt mit dem funkelnden Energiebündel Meryem Öz ist diese Alice kein braves Kind, das naiv einem weißen Kaninchen in dessen Bau folgt. In der kratzbürstigen, mit sich und der Welt auf Kriegsfuß stehenden Göre mögen viel Eltern ihre eigenen Kinder wiedererkennen und einige Kinder sich selbst insgeheim auch, wenn Alice widerwillig und maulig mit dem Kinderwagen durch die dunklen verregneten Straßen schiebt. „Oh, ein Mann im Kaninchenkostüm“, bemerkt sie trocken, als ihr plötzlich das weiße Kaninchen (lässig gespielt von Steffen Siegmund) über den Weg läuft. „Ein Kaninchen im Männerkostüm“, korrigiert „W.K.“ ( selbstverständlich englisch ausgesprochen), als es sich vorstellt. „W.K.“ sei cooler als „Weißes Kaninchen“. Einen kurzen Augenblick hat Alice den Kinderwagen aus den Augen gelassen und nun ist der Bruder vermutlich von der roten Königin gestohlen worden. Um ihn zurückzuholen begibt sich Alice auf eine abenteuerliche Reise, die durch den Kaninchenbau in ein Land der Diktatur und Willkür führt. 

„Wunderland ist abgebrannt“

„Wunderland ist abgebrannt“, erklärt das Kaninchen. Düstere Wände verschieben sich, Schlingpflanzen versperren den Weg, auf einem überdimensionalen Pilz hockt eine Raupe (Sandra Flubacher). Mit raffinierten Projektionen hat Bühnenbildner Christoph Schubiger eine unheimliche Welt geschaffen, die dramatische Musik (Gerald Schuller) tut ein Übriges. Hier regiert die rote Königin, die Oliver Mallison genüsslich überzeichnet. Mit einem Schweif knallroter Luftballons schwebt sie vom Bühnenhimmel und schickt jeden, der ihr widerspricht  oder gar ein Buch liest, mit einem dröhnenden „Kopf ab!“ in den Tod. Hatter, der Hutmacher (Tilo Werner), ist einer, der Bücher gebunkert hat und die Revolution vorbereitet. Er findet Gleichgesinnte in der Grinsekatze (Lisa-Maria Sommerfeld) und anderen Bewohnern dieses sogenannten Wunderlandes. Über die fantasievollen Kostüme (Irmgard Kersting) verwandeln sich Sandra Flubacher, Tilo Werner und Lisa-Maria Sommerfeld in atemberaubendem Tempo in einen Frosch, in Humpty Dumpty (Sommerfeld), in Tweedledee (Werner), in eine Maus mit abstehenden Ohren, eine überlegene Raupe und am Ende in die wunderschöne weiße Königin (Flubacher), der Gegenspielerin zur roten Königin. 

Nach spannenden 90 Minuten wird schließlich alles gut – und Alice verträgt sich sogar wieder mit ihrer Mutter.

https://www.thalia-theater.de/stueck/alice-im-wunderland-2022

INFORMATIONEN FÜR LEHRKRÄFTE

Inhaltliche Schwerpunkte
  • Umgang mit den Herausforderungen einer ihr fremden Welt
  • Überwindung der Angst
  • Übernehmen von Verantwortung
  • Schritt zum Erwachsenwerden
Formale Schwerpunkte
  • Tanz-Choreografien
  • Fantasie-Kostüme
  • Einsatz von Projektionen
  • Einsatz von Musik zum Spannungsaufbau
Vorschlag für Altersgruppe/Jahrgangsstufen
  • ab 10 Jahre/ Jahrgangsstufe 5
  • geeignet für den Deutsch-, Kunst- und Theaterunterricht
Zum Inhalt

Alice soll mit ihrem kleinen Bruder, einem Baby, noch vor dem Abendessen einen Spaziergang machen. Widerwillig befolgt sie die Bitte ihrer Mutter und läuft mit dem Kinderwagen durch die verregneten Straßen ihres Heimatortes. Plötzlich taucht vor ihr ein weißes Kaninchen auf. Alice macht sich darüber lustig und gerät in ein Gespräch mit der merkwürdigen Gestalt. Aber dann bemerkt sie, dass der Kinderwagen und mit ihm der kleine Bruder verschwunden ist. Das Kaninchen vermutet, dass dahinter die Rote Königin steckt, die Kinder stiehlt, um ihr Reich zu erhalten. Allerdings findet sich dieses Reich in einer anderen Welt, zu der man nur Zugang durch den Kaninchenbau findet. Alice, die den Bruder retten möchte, folgt dem Kaninchen durch den Bau in die Welt der Roten Königin. Hier trifft sie auf so merkwürdige Gestalten wie Humpty Dumpty oder die Grinsekatze. Sie erfährt, dass es einen Krieg gibt zwischen der grausamen roten und der sanften weißen Königin, dass aber die rote Königin mit ihrem Terrorregime das Land beherrscht. Widerstand formiert sich um Hatter, den Hutmacher. Da die rote Königin Bücher verboten hat, um ein dummes Volk besser regieren zu können, hat Hatter alle Bücher gesammelt und Gleichgesinnte gesucht. Mit Alice und dem weißen Kaninchen gelingt es schließlich, die rote Königin zu stürzen und den kleinen Bruder zu retten. Als Alice in ihre Welt zurückkehrt, ist sie selbstbewusster und vernünftiger geworden.

Mögliche VorbereitungeN

Vorlesen – Gehen – Stehen bleiben

Die Lehrkraft liest die Inhaltsangabe entweder zu Lewis Carrolls Original oder zur Fassung von Thomas Birkmeir (s.o.) langsam vor, dabei steht die Gruppe in einer Reihe und geht während des Vorlesens langsam Schritt für Schritt voran. Jede*r bleibt an der Stelle stehen, die ihm/ihr interessant erscheint und nennt im Anschluss den Aspekt, bei dem er/sie stehen geblieben ist. Anschließend werden diese Punkte der Reihe nach abgefragt und auf einzelnen Zetteln notiert, auch wenn mehrere denselben Aspekt genannt haben, denn hier zeichnen sich bereits Schwerpunkte ab. Um den gesamten Inhalt zu erfassen, wird dieser Vorgang noch einmal wiederholt: Vorlesen – Gehen – Stehen bleiben – Stichwörter notieren.

Danach bietet sich die Möglichkeit, Diskussionen zu den ausgewählten Schwerpunkten zu führen und Zeichnungen zu einzelnen Szenen des  „Wunderlands“ und/oder  zu einzelnen Figuren anzufertigen.

Eine ausführliche Materialmappe findet sich unter:#

https://www.thalia-theater.de/f/e/Theaterpädagogik/Materialmappen/Alice%20im%20Wunderland_Materialmappe_09.11.2022.pdf

Speziell für den Theaterunterricht

Übungen zu Gangarten und Körperhaltung

Die Schüler:innen verteilen sich im Raum, gehen zunächst neutral (Kopf locker gerade auf den Schultern, keine individuelle Haltung) im mittleren Tempo 3 durch den Raum. Die Spielleitung gibt dann unterschiedliche Gangarten vor, z.B. trippeln in kleinen Schritten, hüpfen, schreiten in großen, ausladenden Schritten usw

Hier immer zwei oder drei Spieler:innen zuschauen lassen und nachher die Wirkung der jeweiligen Gangart besprechen.

2. Variante:

Spielleitung gibt vor: Geht durch den Raum und seid

  • ängstlich
  • mutig
  • zornig
  • traurig
  • fröhlich
  • usw

Besprechung: Was verändert sich? Woran kann ich erkennen, in welcher Stimmung jemand ist?

Angebote des Thalia Theaters zu Workshops und Lehrendenfortbildungen:

https://www.thalia-theater.de/programm/jung&mehr/aktuelles/