Periodensysteme

Sprechen wir über „die Tage“ – In der SchauSpielRaum-Produktion gehen fünf junge Akteurinnen unter der Leitung von Laura Brust dem Thema Menstruation auf den Grund.

Foto: Sinje Hasheider

DIE KRITIK

„Alter – heftig“, murmelt der Junge mit der Wollmütze beim Verlassen des Zuschauerraums. Sein Kumpel, die Hände tief in seinem Hoodie vergraben, pflichtet ihm bei. Schmerzen, meint er, kenne er ja. Aber solche? Die Neuntklässler haben gerade eine Vorstellung von „Periodensysteme“ im Studio des Jungen Schauspielhauses gesehen. Zusammen mit der ganzen Klasse und ihrer Lehrerin. Was sie erwartete, wussten sie nicht. Möglich, dass sich sonst einige vorher mit irgendwelchen Ausreden vom Theaterabend hätten befreien lassen. Jetzt sind sie tief beeindruckt. 

Kotzen und scheißen ist okay, bluten nicht.

Es geht um Menstruation, ein sensibles und noch immer vielfach tabuisiertes Thema. Laura Brust, Theaterpädagogin am Jungen Schauspielhaus, hat es zusammen mit fünf Akteurinnen als SchauSpielRaum-Produktion erarbeitet und in Szene gesetzt. Das verlangt Mut, vor allem von den fünf sehr jungen Spielerinnen, die allesamt keine professionellen Schauspielerinnen sind. Denn über Menstruation scheint jeder Bescheid zu wissen, aber darüber reden? Schwierig. Außerdem: Wer weiß denn eigentlich genau, was in der Zeit der Periode in Körper und Psyche einer Frau abläuft? Warum die eine aggressiv ist, die nächste eine Achterbahn der Gefühle durchlebt und eine andere sich am liebsten mit einer Wärmflasche im Bett verkriechen will? Und warum wird eine Magen-Darm-Infektion als Entschuldigung beim Sport eher akzeptiert als Menstruationsschmerzen? Oder, so eine Spielerin: Kotzen und scheißen sei okay, bluten nicht.

Diskretion? Genau das ist ja der Fehler.

Brust und das Ensemble verknüpfen an diesem 60minütigen Abend wissenschaftliche Erläuterungen mit individuellen Erfahrungen, stellen Klischees und Vorurteile aus („wenn ein Mädchen schon mal ein Tampon benutzt hat, ist sie keine Jungfrau mehr“) genauso wie  die Tampon-Werbung, die die Freiheit der Frauen durch die Diskretion, die das Tampon verspricht, angeblich gewährleistet. Diskretion? Genau das sei ja der Fehler, sagen die Spielerinnen. Weil in der Werbung verschwiegen und beschönigt wird, worum es eigentlich geht. Nämlich um Schmerzen, Stimmungsschwankungen und dem Gefühl, irgendwie eklig zu sein. Moralinsauer oder anklagend wird der Abend dennoch nicht. Im Gegenteil.

Zwischen dunkelroten Kissen, teils als als Quadrate, teils in Form von Vulven, und hellen Teppichvorlegern aus Kunstfaser-Fell  (Bühne: Miriam Schliehe) gestalten die jungen Frauen die vier Phasen der Menstruation zu einem Quiz mit Beteiligung der Zuschauer. Selbstbewusst, mutig und mit Freude am Spiel. Sie feiern eine ausgelassene Party, wenn sich das Ende der „Tage“ ankündigt, und sie erzählen von einem kuriosen Tamponwechsel während einer Fahrradfahrt. Am Ende treten sie in weißen Kostümen auf und schmieren sich rote Farbe zwischen die Schenkel. Ein  starkes Bild (vor allem für den oben genannten Neunklässler). In einer Reihe stehen sie, erhobenen Hauptes, und verkünden, dass man am besten mit der Menstruation klarkommt, wenn man sich mit seinem Körper auskennt: „Wissen ist in diesem Fall Freundschaft mit sich selbst.“ https://junges.schauspielhaus.de/de_DE/stuecke/periodensysteme-13.1327657

INFORMATIONEN FÜR LEHRKRÄFTE

Inhaltliche Schwerpunkte

Das Thema Menstruation:

  • Klischees
  • Vorurteile
  • Individuelle Erfahrungen
  • Wissenschaftliche Erkenntnisse
Formale Schwerpunkte
  • von wissenschaftlichen Erkenntnissen als Spiel 
  • Szenische Umsetzung individueller Erfahrungen 
  • Illustrieren und Karikieren von Werbespots
Vorschlag für Altersgruppe/Jahrgangsstufen
  • ab 12/13 Jahre; ab Klasse 7/8
  • empfohlen für Biologie- , Ethik- und Theaterunterricht
Zum Inhalt

Die SchauSpielRaum-Produktion beschäftigt sich mit den verschiedenen Aspekten der Menstruation und dem weiblichen Zyklus. Neben persönlichen Erfahrungen und wissenschaftlichen Erkenntnissen z.B. zu den vier Phasen der Menstruation werden Klischees, Vorurteile und Werbespots beleuchtet. Am Ende steht die Erkenntnis, dass das Wissen um die Menstruation und alles, was damit verbunden ist, hilft, diese Phase zu verstehen und sich selbst zu akzeptieren.

Mögliche VorbereitungeN

Im Unterrichtsgespräch oder in Gruppenarbeit: 

  • Untersuchung von Werbung für Menstruationsprodukte: Welches Frauenbild wird dargestellt? Wie wird die Menstruation behandelt?
  • Bezahlbarkeit von Menstruationsprodukten: Wer kann sich die Produkte leisten? Sollten sie kostenfrei abgegeben werden?
  • Menstruation in der Religion: z.B.: Was bedeutet Menstruation für muslimische Frauen?  

Speziell für den Theaterunterricht

Die SchauSpielRaum-Produktion verwendet verschiedene theaterästhetische Mittel, die vorbereitend in Übungen eingeführt und in ihrer Wirkung besprochen werden können:

Formationen

Die Gruppe wird in A und B eingeteilt. B schaut zu, A geht (eventuell zu Musik) durch den Raum. Auf ein Signal der Spielleitung und dem entsprechenden Zuruf formiert sich die Gruppe  z.B. als Reihe (alle nebeneinander in einer Reihe, Gesicht zum Publikum), als Pulk (alle dicht gedrängt hinter-und nebeneinander, Gesicht zum Publikum), als Dreieck (ein:e Spieler:in vorne als Spitze, dahinter baut sich die Gruppe als restliches Dreieck auf, alle Gesicht zum Publikum), als Kreis (Rücken zum Publikum; Variante: Gesicht zum Publikum), als Halbkreis (Rücken zum Publikum, Variante: Gesicht zum Publikum) o.ä.

Dann Wechsel. Danach Besprechung der jeweiligen Wirkung.

Individuum und Gruppe

Die Gruppe (erst A, dann B)  führt die gleichen Formationen wie oben aus, stellt aber ein Mitglied an die Seite, direkt vor die Formation, mit dem Rücken zum Publikum, mit dem Gesicht zum Publikum o.ä.

Hier lassen sich verschiedene Möglichkeiten durchspielen und auf ihre jeweilige Wirkung überprüfen.

Spiegeln

Die Gruppe teilt sich in Paare auf. Partner:in A steht Partner:in B gegenüber. Sinnvoll ist es, hier eine langsame Musik einzuspielen. A (oder B) beginnt, langsame Bewegungen zu vollführen, die das Gegenüber als Spiegel genau mitmacht. Ziel ist es, dass nicht mehr zu erkennen ist, wer der Spiegel und wer der Spieler/die Spielerin ist.

Zauberspiegel

Die Gruppe steht im Pulk (s.o.), davor mit dem Gesicht zum Pulk ein:e Spieler:in, die langsame Bewegungen mit der Hand vollführt. Der Pulk verfolgt als Ganzes die Bewegungen; d.h. er geht in die Knie, wenn die Hand unten ist, stellt sich auf die Zehenspitzen, wenn die Hand oben ist usw.

Zwei oder drei Spieler:innen als Zuschauer:innen rausnehmen, die später die Wirkung beschreiben.

Hinweis

Das Junge Schauspielhaus eröffnet mit dem SchauSpielRaum ab dieser Spielzeit eine Plattform für eine intensive Theaterarbeit mit jungen Menschen aus Hamburg. Nähere Informationen unter:

https://junges.schauspielhaus.de/de_DE/schauspielraum