Die Welt scheint gerade mit Karacho den Bach runterzugehen. Das Glas ist also nicht nur halb, sondern schon fast ganz leer. Wirklich? Muss man so in die Zukunft schauen? Oder kann man sich eine andere Sichtweise antrainieren und neue Möglichkeiten entdecken? Am Lichthof Theater hat das Theatermacher Lionel Tomm zusammen mit neun Jugendlichen in der umwerfend frischen Performance „Es ist möglich, weil du es dir vorstellen kannst“ erforscht.

Die Kritik
Die Zukunft ist pink. Kommt in weichen Tanzbewegungen als Masse daher, bis sich schließlich drei Darsteller:innen herausschälen. Dieses „Alles-schlecht-Ding“, sagen sie, können sie nicht mehr hören. Es geht ihnen auf die Nerven. Sie sind jung, sie haben das Recht auf eine lebenswerte Zukunft. In der hinteren Ecke der Lichthof-Bühne lugt jetzt die Geschichte in schwarzweißen Kostümen hervor und will mitreden. Aber Geschichte ist zu weit weg, näher ist die Gegenwart, die in Blau-Grün erscheint und erst einmal klarstellt: Man werde sich künftig nicht mehr wie heute noch „Bro“ oder „Amigo“ nennen, sondern „Bromigo“. „So funktioniert Zukunft!“. Erkennende Lacher im fast durchweg jungen Publikum
Es ist eine der vielen selbstironischen und humorvollen Passagen in Lionel Tomms „Es ist möglich, weil du es dir vorstellen kannst“. Mit neun Jugendlichen aus Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg und Brandenburg, die wie auch bei Gruppen wie „Rimini Protokoll“ als Experten des Alltags befragt werden, hat Tomm eine performative Zukunftserforschung erarbeitet. Mit der Unterstützung von Sascha Dannenberg (Zukunftsforschung) und Aki Mira (Science-Fiction Literatur) ist dabei ein reflektierter, vielfältiger und klug aufgebauter Abend entstanden. Tanz, Rap, Gesang und Diskussionen wechseln sich ab mit dem plötzlichen Heraustreten aus der Situation und der direkten Ansprache an das Publikum. Irgend eine Person erwischt es dann, die auf die Bühne gebeten und – „ist nicht schlimm“ – befragt wird, was sie oder er besonders liebt. Etwas Positives nennen, das ist allemal besser, als immer nur Schlechtes aufzählen.
Unterschiedliche Sichtweisen der Jugendlichen werden in dieser gut 75minütigen Vorstellung ebenso deutlich wie die alle einende Sehnsucht nach einer lebenswerten Zukunft. Als Performer:innen haben sie nicht die Aufgabe, in irgendwelche Rollen zu schlüpfen, sondern können sie selbst bleiben. Das macht diesen Abend so authentisch und mitreißend. Und diese Arbeit ist auf verschiedenen Ebenen wichtig: Weil sie Jugendliche anhört, sie künstlerisch arbeiten lässt und eine positive Botschaft vermittelt. Eine Utopie zwar, aber mit ein bisschen Training kann sie Wirklichkeit werden. Ach ja, die Performer:innen und ihr junges Publikum- das ist die Zukunft.
Weitere Vorstellungen: am Lichthof Theater am 2. 11. um 18:00, auf Kampnagel (k1) am 14.11. (12:30h) und beim „Kongress der Zukünfte“ am 15.11. (14:00) in einer Zusammenführung mit einem Schulprojekt
Weitere Informationen unter: https://drive.google.com/drive/folders/1aLZoYRFDAGpg20WDYTSIKb9hCe4dWEYG?usp=sharing