Eine Stunde Ruhe

Florian Zellers Komödie offenbart in Nora Schumachers gelungener Inszenierung am Ohnsorg Theater Molière’sche Qualitäten.

Moritz (Erkki Hopf) mit seinem Sohn Sebastian (Jascha Schütz) –
Foto: Oliver Fantitsch

Die Kritik

In Zeiten wie diesen, in denen eine schlechte Nachricht und eine Katastrophe die nächste jagt, lässt sich eine gewisse Komödien-Sehnsucht feststellen. Wenigstens im Theater mal lachen und die Welt da draußen für ein paar Stunden vergessen. Im Ohnsorg Theater hat man verstanden und setzt nach „Frau Bachmanns kleine Freuden“ die nächste Komödie auf den Spielplan (eine dritte, „Der letzte Pinguin“, folgt im Januar). Jetzt aber erst einmal „Eine Stunde Ruhe“ vom französischen Erfolgsautor Florian Zeller. Eine Verfilmung gibt es schon, eine plattdeutsche Version mit hochdeutschen Anteilen dagegen erst seit der Premiere am Heidi-Kabel-Platz. Erkki Hopf, einer der besten Komödien-Darsteller Hamburgs, spielt die Hauptrolle und feiert damit gleichzeitig sein 30jähriges Jubiläum am Ohnsorg Theater. Was kann da schon schiefgehen? Tatsächlich nichts. Die zwei Stunden (inkl. Pause), vergehen wie im Flug. Nora Schumacher hat ihre Inszenierung nicht auf Schenkelklopfer-Lacher angelegt, sondern auf die differenzierten Charaktere gesetzt. Das ist sehenswert, unbedingt amüsant, hat aber auch Tiefe. 

Ein super Schnäppchen: Die LP (Vinyl natürlich) „Me, myself and I“ von Neil Youart

Ort der Handlung ist ein gutbürgerliches Wohnzimmer mit Schiebetür, zentral positionierter Couch, Plattenregalen links und Plattenspieler rechts (Bühne und Kostüme: Peter Lehmann). Hausherr Moritz (Erkki Hopf) kommt allerbestens gelaunt von einem Flohmarkt-Besuch, bei dem er super Schnäppchen ergattert hat: Die LP (Vinyl natürlich) „Me, myself and I“ von Neil Youart. Moritz ist leidenschaftlicher Fan, sein einziger Gedanke ist, augenblicklich diese Platte anzuhören und zu genießen. Leider ist ihm diese eine Stunde Ruhe nicht vergönnt: Da ist seine Frau Nathalie (Birthe Gerken), die schon auf ihn gewartet hat. Birthe Gerken zeigt ihr Unbehagen, indem sie ständig die Strickjacke um sich herumwickelt, als fröre sie. Ihr liegt seit Jahren etwas auf der Seele, das sie gerne mit ihrem Mann besprechen möchte. Da ist der gemeinsame Sohn Sebastian, der unangemeldet auftaucht. Er ist in die Punk-Szene abgedriftet  und – so heißt es – verspeist bei seinen Konzerten lebendige Ratten. Bei Jascha Schütz ist hinter dem rotzigen Gehabe aber ein Traurigkeit zu spüren, die seine Mutter erkennt, Moritz aber nicht. Der bleibt auch unbeeindruckt, als der Nachbar Pavel auftaucht und einen Wasserschaden meldet, der durch die Bauarbeiten in Moritz’ Wohnung entstanden ist. Die entwickeln sich zu immer größer werdenden Katastrophen, denen der Handwerker David (Ali Ahmad) hilflos ausgesetzt ist. Dass Moritz allerdings Pavel gerne loswerden möchte, ist verständlich. Robert Eder spielt diesen Nachbarn als eine Nervensäge, die nie weiß, wann sie stört. Dann ist aber auch noch Elsa, die beste Freundin von Moritz’ Frau Nathalie. Bei Beate Kiupel kann sie kaum ruhig sitzen, weil sie die Sorge um ihre eigene Integrität umtreibt. Und zu guter Letzt taucht auch noch Moritz’ alter Freund Peer auf, den Oskar Ketelhut mit peinlichem Fahrradhelm und Sicherheitsgurten als gutmütigen Ruhepol in dem ganzen Chaos darstellt. 

Moritz sind die Nöte all dieser Menschen egal.

Erkki Hopfs Moritz ist ein komischer Kauz mit einer großen Liebe zur Musik und besonders zu seiner gerade erworbenen Platte. Das macht ihn sympathisch, einerseits. Andererseits schimmert bei Hopf auch dessen gnadenloser Egoismus durch. Denn Moritz sind die Nöte all dieser Menschen egal. Den armen Handwerker schickt er einfach immer wieder aus dem Zimmer, ebenso den irgendwann im Schlamm versinkenden Pavel. Das Seitensprung-Geständnis seiner Frau wischt er einfach weg. Sebastian, dessen Musik er früher verteidigt hat, beschimpft er, ohne ihm weiter zuzuhören. Und Elsa hindert er sogar körperlich daran, ihr Gewissen zu erleichtern, denn das würde nicht nur diese Stunde, sondern vielleicht sein ganzes Leben ruinieren.  Moritz  will eben nicht nur diese eine Stunde Ruhe, um die Platte zu hören. Er will Ruhe in seinem Leben, alles andere zählt nicht. Insofern untersucht diese Komödie auch einen Charakter, nämlich den des Egoisten. Molière lässt grüßen.

Weitere Informationen unter: https://www.ohnsorg.de/events/eine-stunde-ruhe/

INFORMATIONEN FÜR LEHRKRÄFTE

Inhaltliche Schwerpunkte
  • Inhaltliche Schwerpunkte
  • Primat des eigenen Interesses
  • Egoismus und seine Konsequenzen
  • Bedrohung der eigenen heilen Welt
Formale Schwerpunkte
  • Wechsel von platt- und hochdeutsch zur Zeichnung von gesellschaftlichen Situationen
  • Realismus in Bühnenbild und Spiel
Vorschlag für Altersgruppe/Jahrgangsstufe

ab 15 Jahre, ab Klasse 10

empfohlen für den Plattdeutsch- und Theaterunterricht

Zum Inhalt

Moritz hat ein gemütliches bürgerliches Leben, und so soll es bleiben. Dann aber kauft er sich dem Flohmarkt eine Schallplatte und will sie nur eine Stunde lang zu Hause in Ruhe hören. Und schon droht nicht nur diese Stunde, sondern sein gesamtes Leben in Unruhe zu geraten: seine Frau Nathalie gesteht ihm einen Seitensprung mit seinem besten Freund, sein Sohn Sebastian scheint eventuell gar nicht von ihm zu sein, und Elsa, die beste Freundin seiner Frau und Moritz’ kurzzeitige Geliebte, will Nathalie alles gestehen. Symbolhaft für sein Schicksal bekommt auch die eigene Wohnung Risse und versinkt schließlich im Chaos.

Mögliche VorbereitungeN
Über Referate oder als vorbereitende Hausaufgabe:
  • Aufbau von Komödien
  • Recherche zu Florian Zeller