Macbeth – Gastspiel Bochum

Von Dreiundzwanzig auf Drei – Regisseur Johan Simons hat die umfangreiche Figurenanzahl von Shakespeares „Macbeth“ radikal reduziert. Mit Jens Harzer, Marina Galic und Stefan Hunstein gelingt das Bochumer Gastspiel beim Hamburger Theaterfestival zu einem grandiosen Schauspielerfest.  

Virtuoses Trio (v.li: Stefan Hunstein, Jens Harzer, Marina Galic) – Foto: Armin Smailovic

Die Kritik

Das Saallicht ist noch an, da öffnet sich der Vorhang. Zu sehen ist eine Art Schwimmbecken, umrandet von Delfter Kacheln (Bühne: Nadja Sofia Eller), dahinter die Projektion eines dunklen Himmels mit zaghaftem Lichtstreifen (Lichtdesign: Bernd Felder). Drei festlich gekleidete Personen in schwarzen Anzügen, weißen Hemden und Fliegen (Kostüme: Greta Goiris) stehen ganz hinten (Jens Harzer), seitlich (Marina Galic) und vorne (Stefan Hunstein) am Beckenrand. Wie eine Installation oder eine Versuchsanordnung wirken sie. Plötzlich erwachen die Figuren zum Leben, ballen sich zu einer Reihe, zu einem Pulk, und Hunstein spricht die einleitenden Verse zu Shakespeares Tragödie „Macbeth“. Es sind die Worte der Hexen, sie prophezeien Macbeth, der gerade mit seinem Freund Banquo siegreich von einer Schlacht zurückkehrt, eine große Zukunft: König soll er werden, allerdings nicht ohne vorher ein paar Widersacher aus dem Weg geräumt zu haben.  

„Macbeth“ ist Shakespeares wohl düsterstes Stück. Eine blutige Tragödie, die tief in die Psyche der Hauptfigur hineinleuchtet. Alles ganz bitternst also? Findet Johan Simons nicht. Seine Bochumer Inszenierung setzt ganz andere Akzente. Sie sucht das Absurde, ja Komische in der Geschichte, indem sie die drei virtuos aufspielenden Akteure – sind sie wie Kinder? –   alle Rollen spielen lässt. Wer mit dem Inhalt von „Macbeth“ nicht oder nur bedingt vertraut ist, kann da leicht mal den Faden verlieren und sich fragen, wer jetzt eigentlich wer ist und welches Problem hat, aber sei’s drum. Die Produktion schaffte es ins diesjährige Berliner Theatertreffen und nun auch zum Hamburger Theaterfestival. Und das liegt in erster Linie an den drei Schauspielenden.

Die Tragödie wird ausgestellt als Spiel.

Stefan Hunstein mit überschulterlangen Haaren übernimmt ausschließlich den Part der Hexe, des Übernatürlichen also, das die Verbindung von Mensch und Natur herstellt. Ständig präsent, schiebt er stoisch die beiden anderen Figuren zusammen, verknotet sich mit ihnen, klopft mit dem Fuß den Rhythmus für den Kampf, legt Musik auf einem Plattenspieler auf: „Je t’aime“ von Gainsbourg/Birkin für Macbeth und seine Lady, Dalidas „J’attendrai“ für die Nacht vor dem Königsmord – eine doch eher plakative Auswahl, für die natürlich der Regisseur die Verantwortung trägt. Überhaupt ist nicht immer klar, was er eigentlich erzählen will. Der Text in der Übersetzung von Angela Schanelec und Jürgen Gosch verliert urplötzlich an Höhe durch flapsige Bemerkungen wie „Ach, diese blöden Diener!“, mit denen Galics Lady Macbeth den Mord an den Domestiken kommentiert. Harzers Macbeth erscheint mal mit Clownsnase und weißgepudertem Gesicht und bestäubt irgendwann auch Galic und Hunstein mit dem weißen Staub, Hunsteins Hexe übergießt nach jedem Mord, ob am König oder an der Familie seines Widersachers Macduffs, die jeweilige Figur mit Theaterblut. Die Tragödie wird damit ironisiert, ausgestellt als bloßes, manchmal an Stummfilm-Komik erinnerndes Spiel. In drei lang ausgespielten stillen Szenen waschen sich Harzer und Galic im hinteren Teil der Bühne das Blut ab, wechseln die Kleidung als Schatten im Gegenlicht. Ein Reinwaschen von der Schuld vielleicht, ein fast poetischer Moment – nur fragt sich, wie das zum Ton der Inszenierung passt. 

Jens Harzer ist – wie so oft – das Zentrum des Abends.

Marina Galic mit schwarzer Kurzhaarperücke wechselt virtuos und zum Teil urkomisch zwischen sechs verschiedenen Rollen:  als verdruckster Sohn, als breitbeiniger Macduff oder als eisig-lakonische Lady Macbeth. Jens Harzer ist – wie so oft – das Zentrum des Abends. Zwar spielt er auch den Duncan, Malcolm, einen Mörder und eine Hexe, aber er ist vor allem die Titelfigur Macbeth: bei ihm ein unsicherer, eher verzagter Mensch, der sich von seiner Frau treiben lässt und keinen eigen Standpunkt zu haben scheint. Er übernimmt die Ideen seiner Frau nach einigem Zögern und posaunt dann laut heraus, was er vorhat. Dass das alles nicht wirklich zu ihm gehört und wie sehr ihm seine Morde zusetzen, zeigt sich, wenn er ständig den von ihm ermordeten Banquo am Tisch zu sehen glaubt. Harzer liefert hier die filigrane Studie eines Gehetzten, eines Wahnsinnigen ab, die nichts mehr mit Komik zu tun hat und tief in die Macbeth-Figur hineinleuchtet.

„Wie macht ihr das bloß?“, fragt ein Eintrag im Gästebuch des Theaters zu der Aufführung. Gute Frage. Es sind eben fantastische Schauspielende, die nach gut drei Stunden mit stehendem, sehr langem Beifall belohnt werden.

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