Mit Mut und Leidenschaft

Das Theater Das Zimmer ist mit gerade mal 40 Plätzen Hamburgs kleinste Bühne. Geleitet wird sie seit 2014 von Lars Ceglecki und Sandra Kiefer, beide kommen aus der freien Szene. Über Selbstausbeutung denken sie gar nicht erst nach.

Sandra Kiefer und Lars Ceglecki – Foto: Theater Das Zimmer

Lars Ceglecki ist Schauspieler und Regisseur, Sandra Kiefer Schauspielerin und Theaterpädagogin. Vier Monate nach der ersten Besichtigung startete ihre ersten Spielzeit im Oktober 2014. 2022 erhielt Hamburgs „kleinstes Theater“ den mit 50.000 Euro dotierten Barbara Kisseler Preis.

Theaterzeithamburg: Wie kam es, dass Sie sich auf das Abenteuer einer Theaterübernahme eingelassen haben?

Lars Ceglecki: Ich weiß gar nicht, ob wir das damals abschätzen konnten. Wenn wir viel Zeit zum Überlegen gehabt hätten, hätten wir es uns vielleicht noch mal überlegt. Wir waren gerade in der Gründungsphase zu einer freien Produktion, als die Nachricht von einem Kollegen hereinplatzte, der uns fragte: „Sagt mal, wisst ihr eigentlich, dass das ‚Theater in der Washingtonallee‘ zumacht? Guckt euch das doch mal an.“ Wir haben uns dann mit Angelika Landwehr getroffen, die das Theater ja mit viel Herzblut und Leidenschaft geleitet hat, und als sie uns durch das Theater führte, dachten wir: Das geht nicht. Das kann man nicht zumachen. Da waren wir infiziert. Seitdem leiten wir das Theater zu zweit, und es ist doch eine ganze Menge Arbeit. Aber es ist auch nach wie vor ein Abenteuer, weil eben kein Tag ist wie der andere. Das macht es ja auch so schön.

Was müsste man denn mitbringen, wenn man so ein Theater übernehmen will?

Ceglecki: Wir mussten relativ viel machen. Die Stücke, die wir für die freie Gruppe vorgesehen hatten, mussten umgeschrieben werden. Wir mussten innerhalb von kürzester Zeit Geld besorgen, die Kontakte zur Kulturbehörde knüpfen. 

Sandra Kiefer: Aber es geht auch nicht ohne Theatergeist. Den sollte man auf alle Fälle auch mitbringen.

Wie sieht Ihr Arbeitstag aus?

Ceglecki: Der fängt zwischen 8 und 10  Uhr hier an und geht bis Mitternacht. Wir machen das komplette Büro, haben aber eine Mitarbeiterin, die uns unterstützt. Wir proben, wir machen das komplette Marketing, wir machen alles: im Grunde vom Spielplan über Besetzung, Proben bis hin zur Abendspielleitung und Technik-Inspizienz. Mittlerweile arbeiten wir auch mit vielen Freien zusammen, die mal die Abendspielleitung oder die Technik übernehmen. Die werden alle auch ordentlich honoriert, denn aus eigener Erfahrung wissen wir, wie es ist, wenn man schlecht bezahlt wird. Die Einzigen, die uns ehrenamtlich unterstützen, sind die Mitglieder unseres Fördervereins.

Bekommen Sie Fördergelder?

Ceglecki: Ja, wir bekommen  seit 2019 eine institutionelle Förderung von 32.000 Euro pro Spielzeit. 

Arbeiten Sie mit Schulen zusammen?

Kiefer: Wir machen Einschulungstheaterstücke. Wenn Schulen bei sich einen Bedarf feststellen, dann melden sie sich bei uns. Lehrkräfte kennen uns wohl noch aus unserer Zeit als freie Gruppe und kommen deshalb auf uns zu.

Ceglecki: Wir haben auch hier schon an Schulen im Stadtteil Projekte gemacht. 

Wie planen Sie Vorstellungen für Schulen ein? 

Ceglecki: Wir haben extra Schulvorstellungen gemacht. Wir hatten aber auch schon Schulen, die sich mit kleinen Gruppen in die Abendvorstellung gesetzt haben, z.B. mit dem Darstellenden-Spiel-Kurs.

Kiefer: Das ist jetzt gerade der Fall für „Lysistrata“, das am 11. Oktober Premiere hat. Die Gruppen kommen in reguläre Vorstellungen.

Ceglecki: Das Verrückte ist, wenn im Vorwege die Lehrkraft anruft und sagt: „Ich möchte Sie nur schon mal vorwarnen. Das ist eine ganz schwierige Gruppe.“ Und dann kommen die hierher, spüren diese Nähe zum Schauspiel und merken, dass sie unmöglich jetzt ihr Handy rausnehmen oder mit dem Nachbarn flüstern können. Die sind total dabei. Wir merken vor allem bei den Nachgesprächen, was die alles gesehen haben und wie genau sie fragen. Für mich ist es jedesmal ein unglaubliches Erlebnis.

Welche Altersgruppen sprechen Sie an?

Ceglecki: Für die Abendstücke  Schüler:innen ab 9. Klasse. 

Kiefer: Für 5. und 6. Klasse hatten wir Stücke gemacht, aber nach Corona müssen wir uns neu erfinden. Das Problem ist der Raum. Würden wir ein Stück für jüngere Klassen spielen, würden wir es nicht schaffen, für den Abend die Bühne umzubauen.

Ceglecki: Für diese Spielzeit haben wir „Das Tagebuch der Anne Frank“ geplant. Das ist zwar kein Stück für die  5./6. Klasse, aber sicher ein Schultheaterstück.

Dieses kleine Zimmertheater mit 40 Plätzen in einem Arbeiterviertel ist ja ein ganz besonderer Ort. Wie gestalten Sie da einen Spielplan?

Ceglecki: Das Hauptkriterium ist natürlich: Was ist hier in diesem Raum überhaupt möglich? Das zweite ist, dass die Stücke uns etwas erzählen müssen und dass wir glauben, dass es in dieser Zeit gerade das richtige ist. Da suchen wir lange und sehr akribisch, denn jedes Stück ist bei uns auch immer wie eine Visitenkarte des Hauses. 

Wie kommen Sie auf Stücke und Themen? 

Ceglecki: Ich  bekomme oft Anregungen von Menschen, die nichts mit Theater zu tun haben. Die sagen mir, was sie gerade lesen oder welchen Film sie besonders mögen. Manchmal nennen mir dann Leute Stoffe oder Themen, auf die ich nie gekommen wäre. Letztens hat mir ein ganz junger Teilnehmer von einem Projekt, das wir gemacht haben, gesagt, er habe den „Golem“ gesehen und sei total fasziniert. Ich hab das dann angefangen zu lesen und jetzt liegt es auf einem Stapel. Wenn die richtige Zeit dafür ist, wird es kommen.

Für Schauspielende ist dieser Ort ja auch eine Herausforderung.

Ceglecki: Der Raum mit der Nähe zum Publikum verlangt von den Schauspielerinnen und Schauspielern wahnsinnig viel. Sich zu öffnen und zuzulassen, dass man die Stimmung hier im Raum aufnehmen kann. Hier ist das Publikum mehr als an anderen Theatern der Mitspieler, ohne dass es das weiß. 

Kiefer: Bei den Kolleg:innen, die vielleicht größere Bühnen oder auch andere Performance-Arten gewohnt sind, ist es spannend zu sehen, wie sich hier ihr Spiel verändert.

Wie kommen Sie an Schauspiler:innen?

Ceglecki: Wir haben zwar ein gut funktionierendes Netzwerk, aber manchmal suchen wir für bestimmte Rollen jemanden und schreiben die  aus. Es gibt dann jedesmal einen enormen Run und wir müssen uns aussuchen, wen wir einladen und wen nicht.

Einer, der bei Ihnen groß geworden ist, ist der Mares-Preisträger Jascha Schütz.

Ceglecki: Jascha hat im Grunde hier in Hamburg bei uns angefangen. Nach seiner Ausbildung in Hessen und einem Engagement in Lauenburg war er schon bei uns als Zuschauer aufgetaucht und hatte eigentlich große Lust in „Per Anhalter durch die Galaxis“ zu spielen. Er hat ja eine „42“ auf dm Arm tätowiert. Das Stück war zwar schon besetzt, aber wir wollten auf ihn zurückkommen. 

Kiefer: Der war sehr jung, als er zu uns kam. Wir haben ihn dann in drei oder vier Produktionen eingesetzt.

Ceglecki: Ich habe ihn Björn Kruse, dem Regisseur von „Woyzeck“, vorgeschlagen; die beiden haben sich zusammen gesetzt und tja, dann passierte das, was passiert ist. In dieser Spielzeit spielt Jascha bei uns „Die Leiden des jungen Werther“ . Er sagt, er freut sich, nach Hause zu kommen. Er weiß, was hier mit ihm passiert ist.

Was für ein Publikum haben Sie? Kommt es vor allem aus der Nachbarschaft?

Ceglecki: Es kommen tatsächlich viele aus dem Stadtteil, die hier aus Neugier gleich von Anfang an da waren. Aber das Publikum kommt aus der ganzen Stadt, aus der Metropolregion, und es kommen tatsächlich auch viele Touristen. Die waren in der Elbphilharmonie und wollen dann mal das kleinste Theater Hamburgs sehen.

Wie hoch ist Ihre Auslastung?

Kiefer: Vor der Pandemie 2019 lag sie bei 60%, das war super für uns. Dann kam Corona und wir durften zuerst nur 7 Plätze verkaufen, dann irgendwann 18. In diesem Sommer lag die Auslastung für „Trümmer“ bei 99 %, „Horn to Go“ ist mit 120 Prozent überbucht.

Leben Sie mit dem Gefühl, dass der Fortbestand Ihres Theaters bedroht ist?  Reichen die Fördermittel?

Kiefer: Es ist eng. Wir brauchen Zuschauer. Mehr Zuschauer heißt mehr verkaufte Karten und das bedeutet, wir können mehr Fördermittel beantragen. Sonst wissen wir nicht, ob wir das Jahr überstehen.

Weitere Informationen unter: https://www.theater-das-zimmer.de/

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