Platt ist cool

Muss man Plattdeutsch können, um Vorstellungen im Ohnsorg Studio zu verstehen? Nein, denn die Stücke in der kleinen Spielstätte sind zweisprachig, und das hat einen ganz besonderen Reiz.  

Foto: Thorsten Kollmer

Ein Interview mit Cornelia Ehlers, die seit 2012 das Ohnsorg-Studio mit seinen 64 Plätzen leitet.

Theaterzeithamburg: Wie kam es zu dem Konzept des Studios?

Cornelia Ehlers: Christian Seeler, der damalige Intendant des Ohnsorg-Theaters, hatte mich angesprochen. Er hatte sich vorgestellt, dass man hier auch Kinder- und Jugendtheater, aber auch kleine Formate anbieten sollte, die man im großen Haus nicht präsentieren kann. Gemeinsam haben wir dann ein Konzept mit dem Schwerpunkt auf Kinder- und Jugendtheater erarbeitet, auch mit partizipativen Projekten wie Jugend-, Generationen- und Kinderclub. Außerdem zeigen wir im Studio Stücke für Erwachsene, die noch nicht so viel Kontakt mit der plattdeutschen Sprache hatten.

Wie muss man sich diese Stücke vorstellen?

Ehlers: Das sind Stücke im Abendspielplan, die immer zweisprachig, also platt- und hochdeutsch sind. Diese Stücke eignen sich dadurch auch gut für Schulklassen und sprechen oft ein jüngeres Publikum an. Auf dem Spielplan stehen meist Stücke mit einem Bezug zu Norddeutschland, häufig auch ernste Stoffe oder Klassiker wie z.B. „Buten vör de Döör- Draußen vor der Tür“. Die Idee ist es den Spielplan zu erweitern, so dass wir auch ein anderes Publikum ansprechen.

Das klassische Abonnenten-Publikum ist doch aber mit Texten wie „De Schimmelrieder – Der Schimmelreiter“, den sie demnächst im Studio zeigen werden, ebenfalls vertraut.

Ehlers: Ja, das ist richtig, das Stück wurde sogar bereits auf der Großen Bühne im alten Haus inszeniert. Im Studio präsentieren wir aber auch andere Inszenierungsformen und Ästhetiken, um eine zusätzliche Farbe in den Spielplan zu bringen.

Sie wollen ein jüngeres Publikum an die plattdeutsche Sprache heranführen. Was ist cool an Platt?

Ehlers: Die Sprache ist etwas Besonderes, was diese Region ausmacht. Norddeutschland erhält durch sie ein weiteres Plus. In Zeiten von Globalisierung, in denen alles unübersichtlicher wird, gibt es ja durchaus eine Rückbesinnung auf die unmittelbare Umgebung. 

Gilt das auch für Kinder und Jugendliche?

Ehlers: Ich glaube, dass es gerade für Kinder und Jugendliche spannend ist zu sehen: Was macht diese Region aus? Was hat sie sehr stark geprägt? Vor allem auch bei Kindern mit einem Migrationshintergrund bemerken wir z.B. ein großes Interesse, plattdeutsche Lieder zu singen.

Ist Plattdeutschnicht vor allem eine Sprache, die in ländlichen Gebieten und weniger in einer Metropole wie Hamburg gesprochen wird?

Ehlers: Natürlich wird Plattdeutsch vermehrt in ländlichen Regionen gesprochen, aber auch in den Randgebieten Hamburgs. Und vor 100 Jahren haben hier noch deutlich mehr Menschen Platt gesprochen. Es gibt bis heute Spuren davon, z.B. in den Bezeichnungen der Orte wie „Planten un Blomen“. Es hat sich in Hamburg der Sprachwandel früher und deutlicher vollzogen. Aber die Sprache gehört zu Hamburg. Und da Hamburg als Thema im Bildungsplan steht, kann man Plattdeutsch sehr schön damit verknüpfen. 

Mit welchen Schularten arbeiten Sie zusammen?

Ehlers: Sehr viel mit Grundschulen, weil Plattdeutsch dort vermehrt Unterrichtsgegenstand ist. Wir versuchen aber auch weiterführende Schulen mit an Bord zu holen, die Nachfrage steigt auch hier. Im Bildungsplan ist die plattdeutsche Sprache für beide Schulformen vorgesehen. 

Wie gehen die Schulen mit Plattdeutsch um?

Ehlers: Die tatsächliche Vermittlung im Unterricht ist zum Teil noch ausbaufähig , weil es nicht ausreichend Lehrkräfte gibt, die die Sprache können. Deshalb bieten wir auch Lehrerworkshops und Material an, das wir auf Anfrage per Email verschicken. So können die Lehrkräfte den Vorstellungsbesuch ganz ohne Vorkenntnisse vorbereiten.

Wie sieht so ein Begleitmaterial aus?

Ehlers: Es gibt eine Vokabelliste zu dem jeweiligen Stück sowie Spiele, in denen man dann diese neuen Wörter anwenden kann. Darüber hinaus sind Informationen zum Stück selbst enthalten und zum Team (Regie, Dramaturgie, Bühnenbild, Kostümbild, Schauspielende). Wir bieten aber auch ein Infoblatt dazu an, wie man sich im Theater verhält. 

Kommen die Schulen zu Ihnen oder treten Sie an sie heran?

Ehlers: Wir machen beides. Die Schulen können Vorstellungen im Studio und auch Nachgespräche buchen. Wir bieten aber auch Klassenzimmerstücke und ein Schulhofstück an, mit denen wir direkt in die Schule kommen. 

Welche Vorteile hat denn ein Klassenzimmerstück?

Ehlers: Die Klasse erlebt das Stück exklusiv für sich, und der Raum, in dem die Kinder sonst ihren Schulalltag verbringen, wird umgedeutet, ganz anders wahrgenommen. Und dann wird er z.B. zu einem Biotop wie bei „Vagelig – Paradiesvögel und andere“. 

Wie werden Klassenzimmerstücke angenommen?

Ehlers: Seit der Pandemie  ist die Nachfrage enorm gestiegen. Während Corona durften Schulen nämlich nicht ins Theater, wir aber in die Schule kommen. Ein Stück wie „De Fischer un sien Fro“ haben wir schon über siebzigmal gespielt. Ähnlich ist es mit dem Schulhofstück „Dree in den Boot – Gedichte und Meer“, das wir extra für draußen und damals für eine Kohorte konzipiert haben. Jedes Kind sitzt da auf einem eigenen Felsbrocken und alle zusammen lösen am Ende des Stückes ein Rätsel.

Wonach suchen Sie die Stücke aus?

Ehlers: Wir schauen uns vor allem in der Kinder- und Jugendliteratur um, gerade auch bei den Klassikern, wie z.B. von Erich Kästner, von dem wir in dieser Spielzeit „Pünktchen un Anton“ (Wiederaufnahme im April 2024) zeigen. Wichtig ist uns aber auch, dass die Einbindung der plattdeutschen Sprache im Stück sinnvoll eingesetzt wird. Bei „Pünktchen un Anton“ kann man darüber z.B. die gesellschaftlichen Klassenunterschiede der Figuren deutlich machen, indem Anton, der aus einfachen Verhältnissen stammt, Plattdeutsch spricht und Pünktchen Hochdeutsch. Die Verwendung von zwei Sprachen bringt hier noch einmal eine zweite dramaturgische Ebene hinein. Und das ist es, was ich sehr bereichernd finde.

Zur Spielzeitübersicht: https://www.ohnsorg.de/spielzeituebersicht-studio/

Zum Kalender: https://www.ohnsorg.de/spielplan-kalender-studio/