Krabat

„Wenn man sich für die Macht entscheidet, gibt es keine Grenzen mehr. Wir können tun, was wir wollen.“ Nein, das ist kein Zitat aus einer AFD-Kundgebung, hier sprechen die Gesellen des finsteren Meisters der Mühle im Koselbruch. Aber es gibt Möglichkeiten, der Macht und ihrer Faszination zu widerstehen. Zu Mathias Spaans kluger Inszenierung von Ottfried Preußlers Jugendbuch-Klassiker „Krabat“ im Jungen Schauspielhaus.

Krabat (Mitte: Payam Yazdani) wird von den Müllergesellen (von li: Alicja Rosinski, Christine Ochsenhofer, Hermann Book, Parsa Yaghoubi Pour, Anastasia Lara Heller) in Empfang genommen. – Foto: Sinje Hasheider

Die Kritik

Stockfinster ist es auf der Großen Bühne des Jungen Schauspielhauses. Von irgendwoher huschen ein paar Taschenlampen heran, gehalten von nur schemenhaft zu erkennenden Gestalten in dunklen Ponchos. „Es war Krieg“, raunen sie und erzählen von Tod, Hunger, Kälte und ein paar Waisenkindern, die von Dorf zu Dorf ziehen, um sich etwas zu essen zu erbetteln. Einen düsteren Einstieg hat Regisseur Mathias Spaan für seine Inszenierung von Ottfried Preußlers „Krabat“ gewählt. Tatsächlich wird diese dunkle Atmosphäre, untermalt auch durch die dräuende, manchmal Spannung aufbauende Musik (Komposition: Martin Baumgartner), die gesamten neunzig Minuten dieser Vorstellung dominieren. Da gibt es nur ganz selten mal etwas Helles, Lustiges, etwa wenn sich die Gesellen mit den plötzlich sehr leichten Mehlsäcken bewerfen oder wenn Krabat (Payam Yazdani) die verschiedenen Tiere nachahmt, in die der Meister seine Gesellen verzaubern kann. Für jüngere Zuschauer (die Vorstellungen werden ab 6. Klasse empfohlen)  ist das eine Herausforderung, aber sie ergibt durchaus Sinn. Denn Spaan, der zusammen mit der Dramaturgin Stanislava Jević die Bühnenfassung geschrieben hat, geht es in seiner Inszenierung um die Faszination einer bösen, sich als unantastbar empfindenden Macht – und die hat nunmal nichts Freundliches. Auf diesen Aspekt haben sich Spaan und Jević in ihrer Fassung konzentriert, ebenso wie auf die Möglichkeiten des Widerstands.

Das Böse des Meisters wohnt in jedem von ihnen. Jeder trägt die Schuld an dem, was passiert.

Zur Erinnerung: Der Waisenjunge Krabat hört im Traum Stimmen, die ihn zur Mühle im Koselbruch rufen. Dort wird er von deren Meister als Müller-Lehrling eingestellt, erkennt aber schon bald, dass hier neben dem Müllern auch die Schwarze Magie gelehrt wird und der Meister sogar Menschenopfer braucht, um selbst am Leben zu bleiben. Zufällig begegnet Krabat beim Osterfest (man könnte es als ein Zeichen für Auferstehung und Neubeginn deuten) der jungen Kantorka (Alicja Rosinski), in die er sich verliebt und mit deren Hilfe ihm die Befreiung aus der Mühle gelingen kann. 

Mit der Kraft der Liebe gegen das Böse: Krabat (Payam Yazdani) und die Kantorka (Alicja Rosinski) – Foto: Sinje Hasheider

Spaan verzichtet auf die Darstellung des Meisters durch eine einzelne Figur. Fünf Mitglieder des insgesamt sechsköpfigen Ensembles ( Hermann Book, Anastasia Lara Heller, Christine Ochsenhofer, Alicja Rosinski, Parsa Yaghoubi Pour) ballen sich zu einem Pulk zusammen und sprechen chorisch dessen Text. Wenn sie die spitzen Kapuzen ihrer Ponchos (Kostüme: Josephin Thomas) über die Gesichter ziehen, muten sie wie Raben an, in die sie der Meister verzaubert. Nehmen sie die Ponchos ab, erscheinen sie als hell gekleidete Müllerburschen. Das Böse des Meisters wohnt also in jedem von ihnen, wodurch eine eindeutige Schuldzuweisung auf eine Figur nicht mehr möglich ist. Jeder hier trägt die Schuld an dem, was passiert. Auch Krabat ist gefährdet. Zunächst ist er  fasziniert von dem, was er hier lernen kann. Natürlich erst einmal das Mahlen in der Mühle. Die hat Bühnenbildnerin Anna Armann als holzumrahmten Quader dargestellt, der mit Seilen gezogen und von der Drehbühne in kreisförmige Bewegungen gesetzt werden kann. Er lernt aber auch die Schwarze Magie, die ihm das Schleppen der Säcke zu einem Kinderspiel macht und auch weitere Annehmlichkeiten verspricht. Als bei einem Mahlgang der Quader nach oben gezogen wird und weiße Flocken herab rieseln, schreit Krabat auf, weil die Magie plötzlich ihre finsterste Fratze zeigt: Er erkennt, dass statt Mehl menschliche Knochen und Zähne gemahlen werden. In ihm regt sich Widerstand gegen den Meister. Als Lichtgestalt (tatsächlich mit einem hellen Licht) erscheint ihm die Katorka, die sich entschließt, ihn zu befreien, obwohl sie dabei ihr Leben riskiert. Bevor sie auf der Burg erscheint, hat der Meister Krabat seine Nachfolge angetragen. Wieder verweist die Inszenierung auf die Verführung, die ein solches Angebot in sich trägt. Krabat beginnt wie die anderen den Text des Meisters im Chor zu sprechen. Er ist jetzt Teil des Systems und scheint kaum noch zu retten. Erst die Beharrlichkeit und Reinheit der Kantorka, die dem Bösen ihre Liebe entgegensetzt, schafft es, ihn zu erlösen.

Spaans Inszenierung ist alles andere als ein Weihnachtsmärchen. Sie ist eine gelungene Parabel auf politische Ereignisse und bietet Anlass für Diskussionen. Ein Besuch lohnt sich.   

Weitere Informationen unter: https://junges.schauspielhaus.de/stuecke/krabat

INFORMATIONEN FÜR LEHRKRÄFTE

Inhaltliche Schwerpunkte
  • Faszination der Macht 
  • Möglichkeiten des Widerstands
Formale SchwerpunKte
  • Chorisches Sprechen 
  • Synchronizität der Bewegungen und Gesten
  • Bildung von Formationen
  • Zeitlupe zur Darstellung des Hintergrunds
  • Rollenwechsel einer Schauspielerin/ eines Schauspielers durch Körperhaltung und Sprache
  • Taschenlampen als Lichtquellen
Vorschlag für Altersgruppe/Jahrgangsstufe
  • ab 12 Jahre, ab Klasse 6
  • empfohlen für den Deutsch- und Theaterunterricht. Wegen der eingesetzten theatralen Mittel ist diese Inszenierung unbedingt zu empfehlen für Anfangskurse im Darstellenden Spiel.
Zum Inhalt

 Es ist Winter und es herrscht Krieg. Viele Menschen sterben den Hungertod. Eine Gruppe Waisenkinder, unter denen sich auch der Junge Krabat befindet, zieht bettelnd durchs Land. Krabat hört im Traum eine Stimme, die ihn zu einer Mühle im Koselbruch ruft. Er folgt der Stimme, tritt dort eine Lehre als Müller an, freundet sich mit Tonda, einem der Gesellen an, muss sich aber vor Lyschko hüten, der dem Meister nahe steht und als Verräter gilt. Bald erkennt Krabat, dass er hier nicht nur das Müllern erlernt, sondern dass der düstere Meister der Mühle die Schwarze Magie betreibt. Krabat ist fasziniert von den Möglichkeiten und der Macht, die ihm die Zauberkunst verleiht. Er wird ein eifriger Lehrling und avanciert schon nach einem Jahr zum Gesellen. Als eine unbekannte dunkle Gestalt vor der Mühle vorfährt und der bislang geheimgehaltene siebte Mahlgang angewendet sieht, muss Krabat mit Erschrecken feststellen, fass hier kein Mehl sondern Knochen und Zähne gemahlen werden. Einen Reim kann er sich darauf nicht machen, doch die Mühle und der Meister werden ihm unheimlich. Zumal sein Freund Tonda zum Jahreswechsel plötzlich stirbt und durch einen neuen Lehrling ersetzt wird. Ein Jahr später wirbt wieder einer und wird ersetzt durch Krabats alten Freund Lobosch, mit dem er Jahre zuvor bettelnd durchs Land gezogen war. Ihm wird klar, dass der Meister jedes Jahr einen Gesellen opfern muss, um selbst am Leben zu bleiben. Sein Wille zum Widerstand wächst. Eine Möglichkeit bietet sich ihm durch die Kantorka, einem jungen Mädchen, das zu Ostern die Reihe der Sängerinnen angeführt hat. Einer der Gesellen, Juro, erklärt ihm, dass er dem Meister durch die Macht der Liebe befreit werden kann. Dafür müsse die Kantorka in der Silvesternacht zur Mühle kommen und ihn unter all den anderen Gesellen erkennen, was besonders erschwert wird, da der Meister sie alle verzaubert. Gelingt ihr das nicht, muss sie sterben. Krabat, der sich mit dem Mädchen ein paarmal getroffen hat, wagt nicht, ihr diese Prüfung zuzumuten, doch die Kantorka entscheidet sich selbst dafür, Silvester zur Mühle zu kommen. In der Zwischenzeit bietet der Meister Krabat an, sein Nachfolger zu werden und verweist auf die Annehmlichkeiten, die die Schwarze Magie mit sich bringt. Krabat scheint schwach zu werden. Aber dann tritt die Kantorka auf und erkennt ihn unter all den anderen. Damit ist der Bann gebrochen. Krabat ist befreit und mit ihm die anderen Gesellen, die wie er damit aber auch alle magischen Fähigkeiten verloren haben. Zurück bleibt mit Lyschko, der Verräter.

Mögliche Vorbereitungen

Die Theaterpädagogik des Jungen Schauspielhauses stellt eine  ausführliche Materialmappe zur Verfügung u.a. mit Informationen zum Autor Ottfried Preußler sowie mit Tipps zur Vor- und Nachbereitung der Vorstellung: https://junges.schauspielhaus.de/sites/default/files/2024-09/Materialmappe_KRABAT_Stand17.09..pdf

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