Auftragskillerin, Hexe, gottesfürchtige Großmutter. Das Empatheatre beeindruckt mit seinem forschungsbasierten Projekt beim Internationalen Sommerfestival auf Kampnagel.
Die Kritik
Kleidungsstücke auf einer Leine hinter dem Bett, ein mickriges Olivenbäumchen auf der Fensterbank, ein Herd mit Wasserkessel, ein Rollstuhl. Das ist das Mobiliar des Hostel-Zimmers, in dem sie jetzt lebt (Bühne: Greg King). Sie – das ist Zezemeli Maseko, eine alte Frau, die einen Schlaganfall erlitten hat, die irrtümlich von den Behörden für tot erklärt worden ist und sich plötzlich ihrer Vergangenheit als Auftragskillerin stellen muss. Mit leerem Blick starrt sie vor sich hin, während das Publikum in der ausverkauften Halle P1 auf Kampnagel Platz nimmt. Aber dann legt Mpume Mthombeni los. Die in Afrika bekannte TV-Schauspielerin wird in einer gut 100minütigen wortgewaltigen Solo-Performance die Geschichte dieser Auftragskillerin im Südafrika der frühen 1990er Jahre darstellen. Für die deutschen Zuschauer*innen bedeutet das allerhöchste Konzentration, denn das dialektal gefärbte Englisch und die Einschübe in Zulu werden ohne Übertitel präsentiert. Nicht jede*r kennt sich sicher in der Geschichte Südafrikas mit den widerstreitenden Parteien, dem ANC von Nelson Mandela und der Zulu-Partei IFP, aus. Wie viele der Projekte des Theaterkollektivs Empatheatre basiert auch „Isidlamlilo (The Fire Eater)“ auf genauen Forschungen. Es verwebt die reale Lebensgeschichte einer Auftragskillerin mit der Mythologie der Zulu und dem magischen Realismus. So entsteht ein komplexes, lebendiges, fast möchte man sagen „saftiges“ Bild einer Frau und der sie umgebenden gesellschaftlichen Umstände.
„You can never kill me.“
Und der Schauspielerin Mthombeni gelingt es, das Publikum zu fesseln. Komisch, weil vollkommen absurd, stellt sie die Situation auf der Behörde nach. Mit hoher Stimme karikiert sie die Angestellte, die der vor ihr sitzenden Frau allen Ernstes erklären will, dass sie seit elf Jahren tot ist – und wie die pragmatische Maseko dagegenhält. Dann wieder zeigt sie sie in ihrem mühseligen Hier und Jetzt: Schwer und unbeweglich wirkt sie, jeder Schritt eine Qual nach dem Schlaganfall, der linke Arm lässt sich nicht mehr bewegen. Aber sie kämpft, bespricht ihre Gedanken mit Gott. „Menschen“, sagt sie ihm, „würden einfach zu viele Probleme hervorbringen.“ Man hat sie der Hexerei bezichtigt, sie verflucht, sie als Auftragskillerin des IFP, als „Fire Eater“, angeklagt. Die durchlebten Situationen werden immer bedrohlicher, parallel dazu tobt vor ihrem Fenster ein infernalisches Gewitter, ganz so, als würde der von ihr angerufene Gott seinen Unwillen dazu kundtun. Trotz aller Widerstände bleibt diese Frau unbeugsam und stark. „You can never kill me“, erklärt sie still und selbstverständlich am Ende. Der begeisterte Applaus des Kampnagel-Publikums trieb der Schauspielerin Mthombeni dann aber doch die Tränen in die Augen.
Weitere Vorstellungen am 25., 26. und 27. August
Weiter Informationen zum Internationalen Sommerfestival unter: https://kampnagel.de/internationales-sommerfestival