Und noch ein Abschied. Zum letzten Mal fand das von Carl Hegemann und Navid Kermani konzipierte „Herzzentrum“ statt, diesmal wieder im kompletten Gebäude der Gaußstraße. Fünfzehnmal war es an den unterschiedlichsten Orten mit Schauspielenden aus dem Thalia- und Schauspielhaus-Ensemble sowie befreundeten Gästen aufgeführt worden. Jetzt ist Schluss. Wegen des Intendantenwechsels und vor allem wegen des überraschenden Todes von Hegemann im Mai diesen Jahres. Die letzte Ausgabe wurde auch zu einer warmherzigen Hommage an diesen klugen Denker und Theatermann.

Die Kritik
Dichtes Gedränge bei tropischen Temperaturen in der Werkstatt vom Thalia in der Gaußstraße. Mit Musik der UKW-Band geht es los. Sie führt Schauspielende aus dem Thalia- und Schauspielhaus-Ensemble, befreundete Gäste, den Intendanten Joachim Lux, Geschäftsführer Tom Till sowie den Schriftsteller und Publizisten Navid Kermani, allesamt in weißen Gewändern, auf eine Rampe. Sie tragen gelbe Schilder mit einem Namen („Thomas Mann“, „Jean Paul“) oder einem Stichwort („Frieden“, „Ferne“, „Freund“), denn gleich wird man sich einem/einer Performer:in anschließen können und in einer kleinen Gruppe etwas zu dem gewählten Thema vorgelesen oder erzählt bekommen. Jeder Winkel im Gebäude der Gaußstraße ist dafür genutzt, vom Stuhllager über den Raum mit den Waschmaschinen, dem Möbellager bis zur Probebühne. Grundlage für die jeweiligen Performances sind Texte und Gedanken von Navid Kermani. Manche werden direkt zitiert, manche sind nur Anlass für eigene Überlegungen. Cathérine Seifert lässt ein Interview mit Carl Hegemann abspielen, Felix Knopp trägt Texte aus Kermanis „Das Buch der von Neil Young Getöteten“ vor und singt, begleitet von Ulrich Kodjo Wendt am diatonischen Akkordeon, Songs von Neil Young (Kermani ist ein Fan des Sängers), Barbara Nüsse denkt mit Texten von Kermani und Jean Paul „Über den Zufall“ nach, Ute Hannig hat einen Stapel Postkarten und Briefmarken mitgebracht, damit wer will, an einen Menschen in der „Ferne“ schreiben kann. Auf einmal ist man sich ganz nah mit den Vortragenden und den anderen in der Gruppe. Genau das ist das Großartige an dieser von Jette Steckel eingerichteten literarischen Installation. Sie hat etwas Warmherziges, Nahes, wird tatsächlich zu einem „Herzzentrum“. Wie immer kann man an dem gut dreistündigen Abend zwischen den einzelnen Darbietungen wechseln und wird inspiriert von der Vielfalt der Gedanken. Am Ende würdigt Kermani in Gegenwart des gesamten Ensembles und des Publikums seinen Freund Carl Hegemann, danach spielt die Band zum Tanz. Möglich, dass Hegemann irgendwo da oben mitswingt.