Der Tatortreiniger

Schotty ist Kult. Der Schauspieler Bjarne Mädel hat als „Tatortreiniger“ in der gleichnamigen Fernsehserie eine beachtliche Fan-Gemeinde aufgebaut. Es gibt also nur einen Schotty. Oder vielleicht doch nicht. In den Hamburger Kammerspielen sind vier Episoden vom „Tatortreiniger“ zu sehen, jede hat einen eigenen, einen anderen Schotty – und es funktioniert bestens.

Tatortreiniger Schotty (Ingo Meß) beim Autor Benning (Frank Roder) – Foto. Bo Lahola

Die Kritik

Es gibt Leute, die noch am nächsten Morgen prustend von der letzten Folge des „Tatortreinigers“ erzählt haben. Die lief als Comedy-Serie zwischen 2011 und 2018 im Fernsehen, zunächst von der ARD hasenherzig ins Nachtprogramm verbannt (tatsächlich liefen die ersten Folgen zur unglaublichen Zeit um 03:20 morgens). Das dauerte allerdings nur so lange, bis man merkte, dass hier eine Fan-Gemeinde heranwuchs und die Serie Kultstatus erlangte. Das lag zum einen an Bjarne Mädel, der den Tatortreiniger Heiko Schotte, genannt „Schotty“, verkörperte. Das lag zum anderen an Mizzi Meyer. Deren Drehbücher voll intelligenter Komik wurden  2012 und 2013 mit dem Grimmepreis und 2019 mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet. Nun stellt sich die berechtigte Frage, ob man es wagen kann, vier „Tatortreiniger“-Episoden auf die Bühne zu bringen. Ob man damit nicht die alten Fans enttäuscht. Oder ob Neulinge vielleicht gar nicht mehr erreicht werden. Um es gleich vorweg zu nehmen: Man kann. Die Hamburger Kammerspielen haben sich für vier Episoden – „Özgür“, „Currywurst“, „Spuren“ und „Carpe Diem“ – entschieden, die von vier Regisseur:innen mit dem gleichen vierköpfigen Ensemble inszeniert werden. Lilli Fichtner, Isabell Fischer, Ingo Meß und Frank Roder spielen alle mal Schotty, jede Episode trägt eine eigene Regie-Handschrift. Das Problem mit der Bühnentauglichkeit stellt sich eigentlich auch nicht. Hinter dem Künstlernamen Mizzi Meyer verbirgt sich nämlich die Theaterautorin und -regisseurin Ingrid Lausund, ihre „Tatortreiniger“- Folgen spielen alle an einem Ort und sind auf wenige Figuren begrenzt. Ideal also für ein Haus wie die Hamburger Kammerspiele. 

Schotty ist derjenige, der den gesunden Menschenverstand verkörpert.

Mit zwei fahrbaren Wänden, einem beweglichen Rahmen (Bühne und Kostüme: Johannes Fischer) und ein paar Requisiten lassen sich schnell und unkompliziert unterschiedliche Räume darstellen. Ein Zimmer in „Özgür“ (Regie: Inken Rahardt), ein kurzer Dreh und die Wände werden in „Currywurst“ zu den Räumen einer Galerie (Regie: Lea Ralfs), später mit einem Podest in „Spuren“ zu einer Bibliothek (Regie: Eva Hosemann) und zuletzt zu einer Amtsstube in „Carpe Diem“ (Regie: Hans Schernthaner).

Schotty ist derjenige, der den gesunden Menschenverstand verkörpert. Er stellt unverblümt Fragen und bringt damit sein Gegenüber aus der Fassung oder wieder in die richtige Spur. Durch das Zusammenprallen ganz unterschiedlicher Lebenswelten und Vorstellungen entfalten die einzelnen Episoden ihre Komik, ohne dabei ins Flache abzudriften. Es geht um die mögliche Benachteiligung eines Menschen aufgrund seines Namens („Özgür“), um den tatsächlichen Wert von Kunstwerken („Currywurst“), um das Einfache beim Schreiben („Spuren“) oder um nichts weniger als das Leben selbst („Carpe Diem“). Während die ersten drei Episoden bis auf eine Traumsequenz in „Özgür“ überwiegend realistisch inszeniert sind, stilisiert Regisseur Hans Schernthaner in „Carpe Diem“ die Beamt:innen der Amtsstube: Sie gehen alle gerade und zielgerichtet und biegen im exakten rechten Winkel ab. Die Dame am Telefon (Isabell Fischer) sitzt stocksteif auf ihrem Stuhl, haut sich nur ab und zu den Telefonhörer vor die Stirn und beharrt ansonsten mit gleichbleibender Stimme darauf, dass jeder, auch der Tatortreiniger und die Leichenträger eine Nummer zu ziehen haben. Schernthaner gibt damit engstirnigen, eingefahrenen Strukturen ein deutliches Bild. Diese Episode beschließt den gelungenen, gut zweieinhalbstündige Abend (inklusive Pause). Noch an der Garderobe werden einzelne Gags wiederholt, es wird gelacht. Bestens gelaunt verlässt man das Theater.

Weitere Informationen unter: https://hamburger-kammerspiele.de/programm/der-tatortreiniger/

INFORMATIONEN FÜR LEHRKRÄFTE

Inhaltliche Schwerpunkte
  • Vorurteile durch Vornamen bei vermutetem Migrationshintergrund
  • Willkürliche Bewertung von Kunstwerken
  • Verlust des verständlichen Schreibens bei Autoren
  • Lebenssinn
Formale SchwerpunKte

  • Darstellung einer Figur (Schotty) durch vier verschiedene Schauspieler:innen
  • Stilisierungen in „Carpe Diem“
Vorschlag für Altersgruppe/Jahrgangsstufe
  • Ab 15/16 Jahre, ab Klasse 10
  • Empfohlen für den Deutsch- und Theaterunterricht
Zum Inhalt

In den vier Episoden wird der Tatortreiniger Schotty mit völlig anderen Lebenswelten konfrontiert: In „Özgür“ trifft er auf eine hochschwangere Frau, die ihren Sohn alleine aufziehen und „Özgür“ nennen will, in „Currywurst“ putzt er in einer mondänen Galerie und versteht nicht, warum ein Kunstwerk plötzlich rasend schnell an Wert gewinnt, in „Spuren“ hilft er allein mit seiner Wurststulle einem von einer Schreibblockade befallenen Autor wieder auf die Sprüngen und in „Carpe Diem“ steht er dem Tod gegenüber.

Mögliche Vorbereitungen

Recherche zu

  • Ingrid Lausund
  • Namen mit Migrationshintergrund und die Chancen auf Ausbildungs- oder Arbeitsplätze
  • Schreibblockade

 

Speziell für den Theaterunterricht
Zielgerichtetes Gehen

Raumlauf. Alle Spieler:innen (S)  gehen in Tempo 3 und in neutraler Haltung durch den Raum. Auf den Impuls der Spielleitung sucht sich jede:r ein Ziel, steuert darauf zu und biegt dann im rechten Winkel ab, sucht sich ein neues Ziel usw.

Variation

Wenn sich zwei S begegnen, sehen sie sich an, grinsen mechanisch, heben kurz rechtwinklig den Unterarm zum Gruß, gehen in unterschiedliche Richtungen (rechter Winkel!) weiter. 

Variation

Bei der Begegnung zweier S, sehen sie sich an, dann dreht sich eine:r abrupt um (mit dem Rücken zu dem/der anderen) und geht in die entgegengesetzte Richtung. Der, die Andere bleibt stehen und sieht ihm/ihr nach

Immer zwei S zum Zuschauen rausnehmen und abschließend die Wirkung besprechen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert