Pippi Langstrumpf

Rote Zöpfe, Sommersprossen, viel zu große Schuhe und sehr bunte Kleidung – das kann nur Pippi Langstrumpf sein. Seit 75 Jahren ist die Figur aus Astrid Lindgrens Büchern unverwüstlich und die Heldin aller Kinder. Ein Grund mehr, ihre Geschichte wieder einmal im Theater für Kinder zu zeigen – diesmal als Musical in der liebevollen Inszenierung von Gianna Formicone. 

Pippi (Elisabeth Bengs) kann auch eine ganze Sahnetorte verspeisen. Dafür wird sie von Frau Granberg (Sandra Kiefer) still bewundert. – Foto: Patrick Sobottka

Die Kritik

Im September 1949 bekamen Eltern Schnappatmung. Grund dafür war das Erscheinen von Astrid Lindgrens Kinderbuch „Pippi Langstrumpf“. Die titelgebende Heldin war ein Mädchen mit abstehenden roten Zöpfen, zu großen Schuhen und Strümpfen, die nicht zusammen passten. Aber das allein hätte man auch zu jener Zeit noch irgendwie verdauen können. Viel schlimmer war, dass diese Göre alleine in einem abgewrackten Haus nur mit einem Pferd und einem Affen wohnte, nicht zur Schule ging, ganze Sahnetorten verspeiste und keinen Respekt vor Autoritäten zeigte. Das Selbstbestimmte, Freie dieser Figur ist es aber, was bis heute Kinder fasziniert und Pippi zu ihrer Heldin erklärt. 

1968 sicherte sich das Theater für Kinder die Uraufführung der Bühnenfassung, jetzt kehrt „Pippi Langstrumpf“ in der Inszenierung von Gianna Formicone an das Theater in der Max Brauer Allee zurück, diesmal in Form eines Musicals. Der Hit aus der Fernsehserie „Hey, Pippi Langstrumpf“ von 1969 liefert die Grundlage für die übersichtliche Anzahl von Songs (Musik: Georg Riedel), die auch nicht allzu sangesstarke Ensemble-Mitglieder bewältigen können (Musikalische Einstudierung: Makiko Eguchi).

„In mir brodeln so viele Lügen.“

Giftgrüne Pflanzen, ein pinkfarbener Himmel, davor ein schiefes buntes Haus mit Schatztruhe – Kathrin Keglers Bühnenbild greift das Knallbunte von Pippis Welt auf, ebenso Irène Faire mit den Kostümen. Pippis gepunktetes Schürzenkleid und die orange-pinken Strümpfe heben  sich ab von den braven Kitteln der Schulklasse oder der seriösen Kleidung der Erwachsenen wie der von Frau Settergren (Eva Langer). Elisabeth Bengs als Pippi (sie wechselt die Rolle mit Maya Gaudino)  ist ein Energiebündel. Still stehen oder sitzen kann sie nicht. Sie muss klettern, tanzen oder Menschen, denen sie begegnet immer so fest umarmen, dass denen fast die Luft wegbleibt. Was sie erzählt, klingt fantastisch, aber nur die Hälfte davon ist wahr, wie sie selbst zugibt. „In mir brodeln so viele Lügen“, gesteht sie ihren beiden neuen Freunden Thomas (Dustin Leitol) und Annika (Myrea Marclay). Während Thomas begeistert an ihren Lippen hängt, ist Annika skeptisch und erkennt wohl eher als ihr Bruder, dass hinter all den Lügen ein Wunschdenken steckt und Pippi in Wirklichkeit einsam ist und ihre Eltern vermisst. Tatsächlich zeigt eine Traumsequenz ihre Mutter als Engel im Glitzerkleid (Eva Langer) und ihren Vater in Seemannsuniform (Maximilian Kikken), die mit Pippi zusammen eine Art Familienfoto stellen, bevor sie wieder im Nebel verschwinden. Diese Sehnsucht nach einer heilen Welt schwingt während der 90minütigen Vorstellung (inklusive Pause) mit und gibt ihr neben all den rasanten Spielereien mit den tumben Dieben und den nicht minder begriffsstutzigen Polizisten (Felix Jungwirth, René Hirschmann) einen Hauch von Melancholie, die der Inszenierung guttut. 

Die Lehrerin und auch Frau Granberg hegen ein heimliches Verständnis, wenn nicht sogar Bewunderung für dieses wilde, freie Kind.

Während sich die eher typisierten Erwachsenen wie beispielsweise auch die sehr schrille, Schlüsselbegriffe („Kinderheim“, „Schule“) opernhaft schmetternde Frau Prysselius (Jana Lou) über Pippis Unangepasstheit aufregen, zeigt Sandra Kiefer als Lehrerin und als die zum Kaffeekränzchen geladene Frau Granberg zwei differenzierte Figuren: Beide hegen ein heimliches Verständnis, wenn nicht sogar eine gewisse Bewunderung für dieses wilde, freie Kind, wahren jedoch oberflächlich die Fassade. Als Lehrerin lässt Kiefer sich von Pippi drücken und lächelt, als sie von ihr beim Tanzen herumgewirbelt wird. Als Frau Granberg lässt sie unbemerkt von den anderen Besucherinnen alle Anstandsregeln fallen und klaut Kuchen, Sahnekännchen und Kaffeekanne. Stets dabei lächelnd oder zustimmend nickend, damit niemand etwas bemerkt. 

Pippi wird nicht fortgehen. Obwohl sie den Vater so sehr vermisst hat, wird sie nicht mit ihm aufs Meer fahren, sondern bei Thomas, Annika und den anderen bleiben. Denn auch die haben sie plötzlich doch lieb gewonnen und wollen sie nicht gehen lassen. Und wir alle ja auch nicht. Im Theater für Kinder steht sie jedenfalls noch bis zum 2. Februar auf der Bühne.

Weitere Informationen unter: https://alleetheater.de/events/pippi-langstrumpf-musical/

INFORMATIONEN FÜR LEHRKRÄFTE

Inhaltliche Schwerpunkte
  • Hinterfragen von gesellschaftlichen Regeln
  • Kind mit selbstbestimmtem Leben
  • Freundschaft und Treue
  • Sehnsucht nach einer Familie
Formale SchwerpunKte
  • Überwiegend typisierte Figuren
  • Songs als Mittel der Erzählung
Vorschlag für Altersgruppe/Jahrgangsstufe
  • ab 5 Jahre 
  • empfohlen für Vorschul- und Grundschulkinder
Zum Inhalt

Pippilotta Viktualia Rollgardina Pfefferminz Ephraimstochter Langstrumpf –  kurz Pippi- lebt alleine in der Villa Kunterbunt. Aber was heißt schon alleine. Sie lebt hier ohne ihre Eltern, denn die Mutter ist ein Engel im Himmel und der Vater ist als Kapitän irgendwo in der Südsee mit der Hoppetosse unterwegs. Nein, alleine ist sie nicht, denn mit Pippi leben noch ihr Pferd, genannt „Der kleine Onkel“, und ihr Affe namens Herr Nilsson in der Villa. Da Pippi sehr stark ist und sogar auf dem Jahrmarkt den stärksten Mann der Welt bezwingen kann, hat sie keine Angst, schon gar nicht vor so dusseligen Dieben wie Donner-Karlsson und Blom. Die wissen nämlich, dass Pippi einen Koffer voller Goldstücke besitzt, ein Geschenk ihres Vaters, mit dem sie ihren Lebensunterhalt bestreitet. Da niemand auf Pippi aufpasst, kann sie leben, wie es ihr gefällt. Das bedeutet, dass sie mit ihren beiden neuen Freunden Thomas und Annika aus dem Nachbarhaus spielen kann, wann immer sie will. Dass bedeutet auch, dass sie nicht in die Schule geht und sich auch nicht ins Kinderheim schicken lässt. Die Welt der Erwachsenen mit ihren teilweise merkwürdig erscheinenden Regeln hinterfragt sie, findet sie aber auch irgendwie spannend, zum Beispiel dann, wenn sie bei der Mutter von Thomas und Annika zum Kaffeekränzchen eingeladen ist. Trotz all ihrer Freiheiten sehnt sie sich aber doch nach ihren Eltern. Als eines Tages ganz plötzlich ihr Vater auftaucht, ist sie so begeistert, dass sie sofort mit ihm zur See fahren möchte. Aber als sie sieht, wie traurig ihre Freunde und überhaupt alle um sie herum sind, beschließt sie, in der Villa Kunterbunt zu bleiben. Ihr Vater muss ihr aber versprechen, sie ab und zu zu besuchen. 

Mögliche Vorbereitungen
  • Wie stellt ihr euch die Villa Kunterbunt vor? Malt ein Bild.
  • Von Pippi wisst ihr, wie sie aussieht und was sie anhat. Aber wie sind Thomas, Annika und Frau Prysselius angezogen? Ihr könnt auch das in einem Bild aufmalen.

Die Bilder werden die Wand gehängt und besprochen. 

  • Ihr dürft erklären, warum ihr die Villa Kunterbunt und die Kleidung der Figuren so gemalt habt. 

Im Kreis

  • Angenommen ihr würdet alleine in so einer Villa Kunterbunt leben – was würdet ihr tagsüber tun? 
  • Pippi soll in der Schule rechnen („Multiplikation“) lernen, findet das aber unnötig. Was würdet ihr gerne in der Schule lernen? Warum?

Das Theater für Kinder bietet Materialmappen zur Vorbereitung an. Sie können bei der Theaterpädagogik unter theaterpaedagogik@alleetheater.de.bestellt werden.

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