Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt. Wer sich daran klammert, wird auch schwierige Zeiten überstehen. Klar, dass eine Produktion mit dem Titel „Hope“ ebenfalls Licht ins Dunkle bringen und Zuversicht vermitteln will. Guy Weizmans Inszenierung am Hamburger Thalia Theater versucht es mit Tanz, Gesang, Spiel und ein paar tönernen Weisheiten.

Die Kritik
Ganz allein mitten im Lichtkegel steht Billy (Nimuë Walraven) und singt davon, dass es doch irgend etwas Schönes geben müsse in einer Welt ohne Gott. Dass sie sich nach Umarmung sehnt. Ihr wunderbar klarer Gesang ist der berührende Beginn der Uraufführung von „Hope“, und man ahnt, dass es mit der Hoffnung nicht besonders weit her ist in dieser Welt. Dann kippt der Moment. Mit einem Schlag flutet grelles Licht die Bühne, die Illusion wird gebrochen. Unter der Leitung der Choreografin (Maike Knirsch) stellen sich Billy und ihre Kolleg:innen aus dem Tanzensemble mit einem fröhlichen „Hallo!“ dem Publikum vor, jede und jeder darf kurz etwas zur eigenen Biografie sagen. Hinter ihnen sind hängende Spiegel, spiegelnde fahrbare Podeste in Keilform und bewegliche Stahlgerüste zu sehen, auf denen die Musiker (Hanna Caroline Boos, Camill Jammal und Matze Pröllochs alternierend mit Timon Schempp) platziert sind (Bühne: Ascon de Nijs). Die Tanztruppe, erfahren wir, hat gerade eine Probe beendet und will jetzt noch kurz bei einem Getränk, offeriert in sehr eleganten Kelchen von der sehr eleganten Bardame (Bien de Moor), entspannen. Sie tragen noch ihre rosafarbenen Tütüs (Kostüme: MAISON the FAUX und Simon Carle), sind also noch mit einem Bein in der Arbeit. Da platzt plötzlich Ensemblesprecher Nick (Patrick Bimazubute) mit der Neuigkeit herein, dass die Chefin das gesamte Stück zu Gunsten einer Solistin geändert hat. Abgesprochen hat sie es mit niemandem, sie allein hat entschieden, weil sie als Leiterin die Macht hat.
Gehorchen und unterordnen? Oder Widerstand leisten und die eigene Würde bewahren?
Wie mit dieser Situation umgehen? Ursprünglich war doch das gesamte Ensemble an der Produktion beteiligt. Statt demokratischer Prozesse jetzt also ein Diktat? In der Gruppe werden verschiedene Positionen deutlich, wie auf die Entscheidung reagiert werden soll: gehorchen und unterordnen? Oder Widerstand leisten und die eigene Würde bewahren?
Spannende Fragen also, die in „Hope“, einer Koproduktion von Thalia Theater und NITE Groningen, angelegt sind. Ebenso die Idee, dass eine Tänzerin mit dunkler Hautfarbe das Solo bekommt. In der Companie wird der Neid nur mühsam kaschiert. Es kursiert die Frage, ob Kassie (Gloria Odosi) tatsächlich wegen ihres Talents oder nur wegen ihrer Hautfarbe ausgewählt worden ist. Guy Weizmans überwiegend englischsprachige Inszenierung (deutsche und englische Obertitel helfen beim Verstehen) verliert jedoch schon bald an Stringenz. Die Produktion ist ein Hybrid aus hübsch anzusehenden Tanzszenen (Choreografie: Roni Haver), Gesang, Slapsticks und Spiel. „Wir probieren eine gute Balance zwischen Text und Spiel zu finden“, war anfangs als Obertitel zu lesen, verbunden mit dem Wunsch nach „Viel Spaß!“. So ganz will diese Balance jedoch nicht hinhauen. Vielmehr steht an diesem 100minütigen Abend vieles nebeneinander und findet zu keinem einleuchtendem Spannungsbogen. Was ist zum Beispiel mit den Monologen, die von unterschiedlichen Figuren an der Rampe vorgetragen werden? Es sind persönliche Erlebnisse, die irgendwie mit Hoffnung oder Hoffnungslosigkeit zu tun haben. Da ist die Bardame, die mit Männern in den schmierigsten Ecken geschlafen hat, um sich lebendig zu fühlen. Oder Kassie (Gloria Odosi), die als schwarzes Mädchen mit einer allein erziehenden Mutter in prekären Verhältnissen aufgewachsen ist und es mit eisernem Willen an die Spitze des Balletts geschafft hat. Haben diese Texte noch etwas mit der Grundsituation, dem Reagieren auf die einsame Entscheidung der Chefin, zu tun? Und was ist mit der ab und zu beschworenen Solidarität als Mittel zum Widerstand? Zwar skandiert das Ensemble „No us, no show!“, aber der Satz bleibt Behauptung, zu sehen ist davon nichts. Statt bei der ursprünglichen Idee zu bleiben, überfrachtet Weizman die Geschichte, indem er die Probleme des Tanzensembles mit Texten von Maria Milisavljevic auf Krieg und Apokalypse ausweitet. Allerdings gelingen hier beeindruckende Szenen, etwa wenn das schon lange von Chris (Tilo Werner) beobachtete Leck im Dach ein Unwetter hereinlässt: In rotem Licht werden die Figuren durcheinander gewirbelt, die Live-Musik (großartig komponiert und die gesamte Produktion sensibel begleitend von Camill Jammal) braust auf, das Chaos ist komplett. Das Ende von „Hope“ ist es nicht, denn die Hoffnung als „Muskel, der trainiert werden muss“, stirbt schließlich zuletzt. In Überschreitung der Kitsch-Grenze beobachten die Tänzer:innen am Schluss einen imaginären Vogel. Sie sagen, sein Name sei – es folgt eine Kunstpause – „Hoffnung.“ Na dann …Immerhin ein optimistisch gemeintes Ende.
Weitere Informationen unter: https://www.thalia-theater.de/de/stuecke/hope/170
INFORMATIONEN FÜR LEHRKRÄFTE
Inhaltliche Schwerpunkte
- Reaktionen auf autoritäre Machtstrukturen
- Das Prinzip Hoffnung
Formale SchwerpunKte
- Tanz zum Situieren der Handlung
- Musikalische Grundierung der Szenen
- Gesang
- Monologe an der Rampe
Vorschlag für Altersgruppe/Jahrgangsstufe
- Ab 16 Jahre, ab Klasse 10/11
- Möglich für den Philosophie- und Theaterunterricht
Zum Inhalt
Am Ende eines Probentages trifft sich eine Tanzcompanie noch zu einem Getränk in der Bar, als plötzlich der Ensemblesprecher verkündet, dass die Choreografin das Stück komplett und im Alleingang zu Gunsten einer Solistin umgeworfen hat. Die bisherige demokratisch orientierte Arbeit ist damit vom Tisch, als Chefin hat sie von ihrer Machtposition aus selbstherrlich gehandelt. Innerhalb des Ensembles stellt sich die Frage, wie man darauf reagiert. Mit Widerstand („No us, no show!“)? Oder mit Anpassung und Unterordnung, weil schließlich einer das Sagen haben muss und sonst ja doch nur alle durcheinanderreden? Als ein Unwetter das Dach der Bar einstürzen und die Tänzer:innen fast in den Fluten ertrinken lässt, kommt der Gedanke nach gemeinschaftlichem Handeln und nach Hoffnung auf.
Mögliche Vorbereitungen
Recherche zum Begriff Hoffnung
Dazu auch Material im digitalen Programmheft zu Hope unter:https://www.thalia-theater.de/de/stuecke/hope/170/programmheft?tab=105
Speziell für den Theaterunterricht
Übung zu „Rebellion“
Den König/die Königin stürzen
Eine Person, der König/die Königin steht mit dem Rücken zur Gruppe auf der einen Seite des Raumes. Er/sie dreht sich in wechselnden Abständen zur Gruppe. Die Gruppe steht als Reihe auf der gegenüberliegenden Seite und schleicht sich so leise wie möglich an den König/die Königin heran. Sobald er/sie sich umdreht, bleiben alle wie eingefroren stehen. Wer sich bewegt oder irgendwie wackelt wird vom König/von der Königin zurück zur Ausgangslinie geschickt. Die anderen schleichen sich weiter an, bis jemand den König/die Königin berührt und seinen/ihren Platz einnimmt.
Übung zur Macht
Die Gruppe bildet eine Reihe, indem sie sich auf den Boden kauert (auf Knien, mit dem Gesicht nach unten). Der König/die Königin schreitet, an den Händen geführt von zwei Helfer:innen, auf den gebeugten Rücken (Achtung! Nur auf die Schultern oder den Po treten) den Weg entlang. Der Weg wird dadurch verlängert, dass die Personen hinten wieder aufschließen.