Er zu Hause bei den Kindern, sie eine erfolgreiche Geschäftsfrau. Oder umgekehrt. Wie kommt man klar als Paar? Marius von Mayenburgs jüngstes Stück „Egal“ wurde vier Monate nach seiner Wiener Premiere beim Hamburger Theaterfestival im Deutschen Schauspielhaus umjubelt.

Die Kritik
Der Stein des Anstoßes steht mitten auf der Bühne, hübsch verpackt mit Schleife. Ein Geschenk, Simone (Caroline Peters) im großzügig geschnittenen Nadelstreifenanzug hat es mitgebracht von einer Geschäftsreise. Aber ihr Mann Erik (Michael Wächter) mit Stofftier-Affen und Pyjamahose (Kostüme: Esther Geremus) freut sich nicht darüber. Im Gegenteil, das Geschenk macht ihm schlechte Laune, weil Simone damit ja doch nur ihr schlechtes Gewissen beruhigen wolle, vermutet er. Während sie nämlich unterwegs war und an ihrer Karriere gefeilt hat, hat er zu Hause die Kinder gehütet, den Haushalt besorgt und sich mühsam ein paar Stunden für seinen Job als Übersetzer abknapsen müssen. Die typische Situation eines modernen, aufgeklärten Paares also, die aber, wie sollte es anders sein, schnell zu gegenseitigen Vorwürfen und Rechtfertigungen und bis zu einem Heulkrampf von Erik („Ich krieg mein Leben nicht hin!“) führt. Dann werden plötzlich die Rollen gewechselt. Simone ist jetzt die Übersetzerin, Erik der erfolgreiche Karrierist, die Situation wird noch einmal aus dieser Perspektive durchgespielt und wie in der ersten Version endet manche Argumentation mit einem „Egal“ im Sinne von „Schwamm drüber“ oder auch „gleichgültig“.
„Egal“ ist auch der Titel von Marius von Mayenburgs jüngstem Stück. Nikolaus Besch hatte die Inszenierung von Thomas Jonigk mit Peters und Wächter noch vor der deutschsprachige Erstaufführung am 15. Februar am Wiener Akademietheater für sein Hamburger Theaterfestival verpflichten können. Der begeisterte Applaus im Hamburger Schauspielhaus nach der ersten Vorstellung bewies, dass er damit den Nerv des Publikums getroffen hat. Die nach vorne gerückte Bühne (Lisa Däßler) besteht aus einer Wand aus weißen Rechtecken und eingebauten Drehtüren, davor ein paar gestapelte Stühle, ein mintfarbener Kühlschrank (in dem von Schuhen bis zu Spielzeug alles verstaut ist!) und eben in der Mitte das Geschenk, an dem sich der Streit entspinnt. Caroline Peters und Michael Wächter pfeffern ihre Argumente pfeilschnell aufeinander los, sprechen übereinander, hören sich gegenseitig nicht immer zu, beenden dann das jeweilige Thema mit einem genervten „Egal“. Beide überzeugen in ihren Rollen als Karrieremenschen und als diejenigen, die zu Hause bleiben und dem anderen den Rücken freihalten. Man erkennt sich – nein, natürlich andere – in ihren genervten Gesten, ihren versteckten Eifersüchteleien, ihren Versuchen, einander doch wieder näher zu kommen. Dieser Spiegel ist es wohl vor allem, der die Begeisterungsstürme am Ende auslöst.
Und dennoch: „Egal“, letzter Teil von Mayenburgs sogenannter „Lockdown-Trilogie“ (geschrieben während der Pandemie), ist nicht sein stärkstes Stück. Vieles von dem, was das Paar hier verhandelt – „Du machst Karriere, ich halte dir den Rücken frei.“ – überrascht auch durch den Rollen- bzw. Perspektivwechsel nicht und ist fast ein wenig banal. Aber immerhin es amüsiert, zumindest dann, wenn es so exzellent gespielt wird wie in dieser Inszenierung.