Der Himmel, die Vögel, der Schnee beim richtigen Namen genannt

Flucht, Migration, Fremdsein in einem anderen Lande – schwierige Themen, mit denen mehr und mehr Kinder konfrontiert werden. Wie ein Geschwisterpaar mit dieser Situation umgeht, erzählt Markolf Naujoks’ Stück „Der Himmel, die Vögel, der Schnee beim richtigen Namen genannt“ in einer zauberhaften Inszenierung am Jungen Schauspielhaus.

Zurück in die Zauberwelt (Victoria Kraft, Parsa Yaghoubi Pour) – Foto: Sinje Hasheider

Die Kritik

Alles weiß. Hosen und Oberteile der beiden Figuren, ebenso der Boden, die Decke, die Wände – alles mit weißen Tüchern verkleidet. Vielstöckige Wohnblöcke sind darauf projiziert. Nicht digital, sondern ganz altmodisch über Folien, die auf die vier im Raum verteilten Overheadprojektoren gelegt werden (Bühne, Projektionen und Kostüme: Theda Schoppe). Im Laufe der Vorstellung unterstützen sie wie ein Bilderbuch die Geschichte, schaffen neue Welten oder liefern durch ihr helles Licht die Möglichkeit für Schatten. Je näher ein Figur kommt, desto größer und gewaltiger erscheint sie. Wie der jüngere Bruder (Parsa Yaghoubi Pour), wenn er zusammen mit seiner Schwester (Victoria Kraft) auf magische Art und Weise in sein Heimatland zurückkehrt. 

Markolf Naujoks, mitverantwortlich für die Bühne, nutzt dieses Mittel für die Uraufführung  seines Stückes „Der Himmel, die Vögel, der Schnee beim richtigen Namen genannt“ im Studio des Jungen Schauspielhauses. Es ist ein Prosatext, und als solcher wird er von Kraft und Pour aufgeführt. In der Rolle von Schwester und Bruder erzählen und spielen sie die Geschichte so, wie Kinder es manchmal tun: Sie verwandeln sich vor den Augen des Publikums über Masken und Kostüme in Märchengestalten („Verwandlung in drei Schritten“) und verlangen dabei schon mal nach einem für die Szene wichtigen Mikrofon oder der Nebelmaschine. Als strenge Fee entwickelt hier die ohnehin sehr wandlungsfähige Victoria Kraft eine Präsenz, die die Kinder im Publikum in Atem hält. Parsa Yaghoubi Pour begeistert als ungestümer kleiner Bruder besonders durch die Vorführung von Kampfbewegungen, mit denen er das Böse niederschlagen will. Wie in Fantasy-Filmen untermalt Naujoks die Geschichte der Geschwister mal durch  einen glockenzarten, dann wieder durch einen düster-grollenden Sound.

Ihre Heimat war für die Kinder eine Zauberwelt.

Zu Beginn ist die Welt der Kinder nüchtern und steril. Zusammen mit ihrer Mutter haben sie eine Flucht hinter sich, denn ihr Heimatland wurde von bösen Mächten überfallen. Den Vater und alle Freunde mussten sie zurücklassen, jetzt leben sie im 14. Stock eines seelenlosen Hauses, kennen niemanden und verstehen die Sprache nicht. Ihre Heimat war für sie eine Zauberwelt, und ihre jetzt so unglückliche Mutter darin eine große Zauberin. Sie kannte die wahren Namen der Dinge, verbot aber den Kindern sie zu benutzen. Doch der Bruder will unbedingt zurück in seine Heimat, dort gegen den Machthaber kämpfen und den Vater und überhaupt alle Menschen befreien. Gegen den Willen seiner Schwester benutzt er das geheime Wort für „Himmel“, und tatsächlich eröffnet sich für beide Kinder ein magischer Weg zurück in ihr Land. Auf ihrer Reise müssen sie einige Abenteuer bestehen: der Bruder muss das in Vögel verzauberte Volk in seiner Brust aufnehmen, sie müssen die Feuerpferde und den bösen Machthaber selbst bekämpfen und gelangen erst durch die Nutzung des Zauberworts für „Schnee“ zurück zu ihrer Mutter. 

Natürlich ist das Ganze ein Märchen. Doch diese unbedingt sehenswerte Inszenierung zeigt, wie Kinder, die fliehen mussten, mit Hilfe von Fantasie und Selbstermächtigung ihre Situation ertragen und vielleicht ein bisschen verbessern können. 

Weitere Informationen unter: https://junges.schauspielhaus.de/stuecke/der-himmel-die-voegel-der-schnee-beim-richtigen-namen-genannt

INFORMATIONEN FÜR LEHRKRÄFTE

Inhaltliche Schwerpunkte
  • Einsatz von Fantasie
  • Glaube an die eigene Kraft
  • Umgang mit schwierigen Situationen
Formale SchwerpunKte
  • Erzählen mit Hilfe von Bildern
  • Sichtbare Verwandlung in andere Figuren
  • Sichtbarmachen des Spiels als Spiel
Vorschlag für Altersgruppe/Jahrgangsstufe
  • Ab 8 Jahre, ab Klasse 3
  • Empfohlen für den Deutsch-, Sach- und Theaterunterricht sowie für den Unterricht in politischer Bildung an Grundschulen  und in der Orientierungsstufe
Zum Inhalt

Zwei namenlose Geschwister, sie heißen nur die ältere Schwester und der jüngere Bruder, haben mit ihrer Mutter eine lange Flucht hinter sich und leben nun im 14. Stock eines Hauses irgendwo in einem Land, in dem alles fremd ist und sie die Sprache nicht verstehen. In ihrer Heimat war ihre Mutter eine bekannte Zauberin, die den geheimen Namen aller Dinge kannte, das Land selbst war voller Magie und wunderschön – jedenfalls denken sich die Kinder das so aus. Als das Land von einem bösen Machthaber besetzt wurde, mussten die Kinder den Vater und alle Freunde verlassen. In ihrem neuen Zuhause hat die Mutter ihre Zauberkraft verloren und ist überwiegend traurig. Drei geheime Wörter für „Himmel“, „Vögel“ und „Schnee“ hat sie auf die Rückseite eines Formulars geschrieben. Als die Kinder diese Wörter finden, eröffnet sich ihnen mit ihrer Hilfe ein magischer Weg zurück in ihre Heimat. Dort wollen sie den Vater und alle anderen retten und das Böse bekämpfen. Aber das ist nicht so einfach, weil sie eine Reihe von Abenteuern bestehen müssen. Letztlich gelingt es ihnen jedoch, den Vater zu finden und das unterdrückte Volk zu erlösen – jedenfalls in ihrer Fantasie. Und etwas hat sich tatsächlich bei ihrer Rückkehr geändert: Die Mutter lächelt wieder.

Mögliche Vorbereitungen

Recherche zu: Flüchtlingskinder in Deutschland

Unterrichtsmaterial für Grundschulen dazu findet sich u.a. unter:

https://www.unicef.de/_cae/resource/blob/120708/e28132b0745c79bf8347263066a1362a/unterrichtsmaterial-kr-flucht-ansicht-es-data.pdf

Unterrichtsmaterial für die Sek I findet sich u.a. unter : https://www.misereor.de/mitmachen/schule-unterricht/unterrichtsmaterialien#c8937

 

Speziell für den Theaterunterricht
Fremde Sprache

Die Lehrkraft gibt der Gruppe folgende Aufgabe, nimmt aber zwei Schüler:innen zur Seite. Sie sollen später versuchen, mit Mitgliedern der Gruppe ins Gespräch zu kommen, werden aber wegen der fremden Sprache scheitern.

Aufgabe an die Gruppe:
  • Denkt euch eine Fantasiesprache aus.
  • Setzt euch einander gegenüber und sprecht in dieser Fantasiesprache miteinander,
  • Wenn ihr von einer/einem der beiden anderen angesprochen werdet, sprecht ihr nur in der Fantasiesprache oder reagiert gar nicht.

Ausführung der Übung und Besprechung: Was habt ihr empfunden?

Fremde Menschen

Die Gruppe geht mit Ausnahme von zwei Schüler:innen in Tempo vier, also eilig, durch den Raum. Jede:r hat ein Ziel und sucht sich ein neues, sobald er dieses erreicht hat. Die beiden Schüler:innen versuchen, jemanden aufzuhalten und nach dem Weg zu Schule/zum Bäcker/ zum Sportplatz o.ä. zu fragen, aber die anderen gehen einfach weiter, ohne sie zu anzusehen.

Besprechung: Was ist das für ein Gefühl?

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