Eltern trennen sich und teilen die gemeinsamen Kinder untereinander auf. So läuft das eben manchmal. Nicht nur heute, sondern auch zur Zeit von Erich Kästner. Sein 1949 erschienener Roman „Das doppelte Lottchen“ beleuchtet diese Situation und wurde sofort zum Bestseller. Im Ohnsorg Studio hat Hanna Müller unter dem Titel „Das doppelte Lottchen – Dubbelt höllt beter“ ihre behutsam aktualisierte Bühnenfassung kurzweilig inszeniert.

Die Kritik
„Wenn das Ende gut ist, ist es egal, was du vorher falsch gemacht hast.“ Luises Vater Hannes meint damit zwar die Präsentation eines Songs, im Grund steht dieser Satz aber für die Wege, die er und seine Ex-Frau eingeschlagen haben. Beide haben sich vor elf Jahren scheiden lassen und die gemeinsamen Zwillinge Luise und Lotte voneinander getrennt. Luise lebt beim Vater, Lotte bei der Mutter, beide Mädchen wissen nichts voneinander. Das ändert sich erst, als sie sich zufällig im Kinderheim in Seebühl begegnen und über äußere Ähnlichkeiten und den gemeinsamen Geburtstag (14. Oktober) in der gleichen Klinik (UKE in Hamburg) erkennen, dass sie Zwillinge sind.
Gemütlichkeit gegen Rock’n’Roll
Hanna Müllers auf gut eine Stunde eingedampfte und kurzweilig inszenierte Bühnenfassung lässt zunächst Lotte (Linda Stockfleth) auftreten. Unsicher und schüchtern fragt sie das Publikum, ob jemand Seebühl kenne. Gleich darauf erscheint voller Energie Luise (Laila Richter) und stellt dieselbe Frage. Beide Mädchen haben den gleichen Text, wiederholen den Satz der anderen oder sprechen ihn gemeinsam und verweisen damit auf ihre Ähnlichkeit. Äußerlich ist das zunächst nicht unbedingt zu erkennen: Mit Zopf, grauem Strickjäckchen, Faltenrock und brav hochgezogenen Kniestrümpfen ist Lotte die Spießigkeit in Person, Luise dagegen mit wilden Locken, Lederjacke und auf die schwarzen Stiefel heruntergerutschten Strümpfe eher eine Straßengöre (Kostüm und Bühne: Telse Hand).
Kein Wunder, denn Luise lebt seit Jahren mit ihrem Vater allein auf dem Hamburger Kiez, wo ihr sehr cooler Vater (Jochen Klüßendorf) in einem Nachtclub als Musiker arbeitet. Auf der einen Seite der Bühne ist dafür ein fahrbares Podest mit Instrumenten aufgebaut, dahinter ein glitzernder Vorhang und ein Bogen mit Glühbirnen. Auf der gegenüberliegenden Seite wird die Wohnung von Lotte und ihrer Mutter (Vivien Mahler) im Schleswig-Holsteinischen Dekelsen angedeutet: Ohrensessel und Stehlampe, dazu Zeitungen an der Wand und auf dem Boden strahlen Wärme aus. Gemütlichkeit gegen Rock’n’Roll.
Nachdem sich die beiden Mädchen erkannt haben und in wilder Jagd einmal durch die Publikumsreihen gerannt sind, schmieden sie den Plan, sich auszutauschen: Lotte geht als Luise nach Hamburg, Luise als Lotte nach Dekelsen. Ein geschickter Griff vom Ohnsorg Theater, denn in Dekelsen spricht man Plattdeutsch (Fassung: Cornelia Ehlers), und Luise muss über flotte und mehrfach wiederholte Abzählreime erst einmal in die Sprache eintauchen. Wenn sie später bei der Mutter ist, übersetzt sie sich deren Anweisungen ins Hochdeutsche. Das hilft Kindern, die mit dem Plattdeutschen noch nicht vertraut sind, beim Verstehen der Szenen. Auch die Songs, die Jochen Klüßendorf als Vater später mit der ganzen Familie vorträgt, greifen diese Reime auf und vermitteln spielerisch die andere Sprache.
Wie es weitergehen soll, ist ungewiss.
„Es sind meine Kinder. Ich werde die Kinder halbieren“, kreischt die Mutter wie eine böse Hexe in Luises Traum und schwingt dabei die Kettensäge. Denn „Eltern dürfen alles!“ Der in Zeitlupe gespielte und mit Nebel untermalte Albtraum steht für die Ängste der getrennten Kinder. Gleichzeitig bildet er den Kontrast zum Ende der Geschichte. Das ist nicht wie bei Kästner ein einfach gestricktes Happy End, bei dem sich alle wieder lieb haben und erneut als Familie zusammenleben. Im Ohnsorg Studio kommen Mutter und Luise zwar nach Hamburg, weil Lotte schwer erkrankt ist. Man macht auch gemeinsam Musik. Aber wie es weitergehen soll, ist ungewiss. Die Eltern „müssen mal miteinander reden“ und verlassen die Bühne. Zurück bleiben Lotte und Luise und überlegen sich verschiedene, durchaus realistische Lösungsmöglichkeiten. Wichtig ist ihnen nur eines: Als Kinder wollen sie nicht mehr getrennt werden.
Weitere informationen unter: https://www.ohnsorg.de/events/das-doppelte-lottchen-dubbelt-hoellt-beter/
INFORMATIONEN FÜR LEHRKRÄFTE
Inhaltliche Schwerpunkte
- Getrennte Eltern, getrennte Kinder
- Welche Lösungsmöglichkeiten gibt es?
Formale SchwerpunKte
- Charakteren übernehmen Erzählpassagen
- Song als verbindendes Element zwischen beiden Parteien
- Gemeinsamer Text, mal chorisch, mal wiederholend gesprochen
Vorschlag für Altersgruppe/Jahrgangsstufe
Ab 7, eher 8 Jahre, ab Klasse 2 bzw 3
Mögliche Vorbereitungen
Unter studio@ohnsorg.de kann bei der Theaterpädagogik des Ohnsorg Theaters kostenlos ausgezeichnet aufbereitetes Material zur Vor- und Nachbereitung bestellt werden.