Jeeps

Die 400 Milliarden Euro, die jährlich in Deutschland vererbt werden, einfach mal in einer Lotterie verlosen. Nora Abdel-Maksoud bearbeitet diese charmante Idee in einer bitterbösen Farce.

Alles nicht so einfach mit der Vermögensverteilung. Ensemble von „Jeeps“ – Foto: Thomas Aurin

DIE KRITIK

Irgendwann bricht Chaos aus. Die Armen, abfällig die „Opferwürstchen“ genannt, durchbrechen die Absperrung und fluten das Amtszimmer mit Unmengen von Plastikstühlen. Eben noch hatten sie brav in ihren orangefarbenen Overalls in einer Reihe gesessen und gewartet, dass sie aufgerufen werden. Hatten synchron genickt oder den Kopf geschüttelt, wenn vorne ihre Meinung gesagt wurde. Aber jetzt geht es ihnen über die Hutschnur. Angestachelt durch das Durcheinander, das Silke und Maud im Amtszimmer mit Pistole und Fernzünder angezettelt haben, gibt es auch für sie kein Halten mehr.

Eklig so eine schwarze Spinne auf gelben Riesenbananen.

Es ist schon eine reichlich schräge, bitterböse und ungemein komische Kapitalismuskritik, die Nora Abdel-Maksoud in „Jeeps“ dem Zuschauer um die Ohren haut. Heike M. Goetze, verantwortlich für Regie, Bühne und Kostüme, hat das in diesem Jahr für die Mülheimer Theatertage „Stücke“ nominierte Werk in temporeichen 90 Minuten mit einem großartigen Ensemble im Malersaal inszeniert. Die Lust an Überspitzung gewinnt dabei. Das beginnt schon bei dem Bühnenbild:  Links thronen fünf überdimensionale Bananen. Bananen – das waren doch vor der Wende die Willkommensgaben für DDR-Bürger, oder? Eine von-oben-herab-Geste der Westdeutschen. Gut gemeint, aber irgendwie daneben. „Willkommen“, wie es in großen Lettern über der transparenten Tür zur „Wartehalle A“ steht, ist hier offenbar aber niemand. Eine Gestalt hinter der Tür wird einfach übersehen. Sie reiht sich später klaglos bei den anderen ein, die hinter der schwarzen Absperrung auf weißen Plastikstühlen warten. Den Missklang zum Willkommen liefert auch der Spinnenmann (Simon Brusis). Eklig so eine schwarze Spinne auf gelben Riesenbananen. Sie gehören ihm, von hier aus beobachtet er das Geschehen, hier massiert und frisiert er die grell bunt gekleideten Angestellten des Jobcenters und zerbeißt einen von ihnen wie ein Vampir. 

Knicken, lochen, abheften, unterstreichen.

In dem mit einem Sitzball und Plastikstühlen möblierten Amtszimmer herrscht Armin (Daniel Hoevels). Er sieht sich als Vorgesetzten von Gabor (Jan-Peter-Kampwirth), seinen Job versteht er als „Herrschaftsausübung“ und genauso überheblich verhält er sich auch. Sein bis zum Anschlag übertriebenes Showgehabe geht Gabor gehörig auf die Neven. Der ist bei Kampwirth ein staubtrockener Angestellter. Knicken, lochen, abheften, unterstreichen – das ist die Arbeit im Büroalltag, die Gabor liebt. Und natürlich Jeeps, von denen er selbst einen besitzt. Dieser kleinkarierte Typ kann so gar nichts anfangen mit der enterbten, irgendwie vollkommen realitätsfernen, aber resoluten Silke (Angelika Richter) und der selbstbewussten, abgeklärten Harzt-IV-Empfängerin Maud (Eva Maria Nikolaus). Beide haben es ins Amtszimmer geschafft, beide fordern ein Los. Als gar nichts mehr geht, fuchtelt Silke mit einer Pistole herum, denn mit einem Fernzünder und ganz aus Versehen geht dabei Gabors Jeep in Flammen auf. Ups!

https://schauspielhaus.de/stücke/jeeps


: Jeeps

INFORMATIONEN FÜR LEHRKRÄFTE

Inhaltliche Schwerpunkte
  • Kapitalismuskritik
  • Kritik an Verwaltungsstrukturen und Ämtern
Formale Schwerpunkte
  • Überspitzung von Handlung, Figuren und Ausstattung
  • Kontrastierung der Figuren
  • Komik
Vorschlag für Altersgruppe/Jahrgangsstufen

ab 16 Jahre; Jahrgangsstufe 10

geeignet für Deutsch-, WiPo- und Theaterunterricht

Zum Inhalt

In Deutschland werden jährlich 400 Milliarden Euro vererbt durch die sogenannte „Eierstocklotterie“, d.h. wer durch Geburt schon vermögend ist (und somit das große Los gezogen hat), wird durch eine Erbschaft noch reicher. Um dieser Ungerechtigkeit zu begegnen gibt es jetzt eine Erbrechtsreform. Von nun an soll per Los entschieden werden, wer von der allgemeinen Vermögensmasse etwas bekommt. Harzt-IV-Empfänger haben die gleichen Chancen wie Enterbte, also Erbschaftslotterie statt Eierstocklotterie. Für ein Los muss man sich beim entsprechenden Amt über ein Formular bewerben, das allerdings in einem derart verqueren Amtsdeutsch verfasst ist, dass es kein Mensch versteht. Maud, eine Hartz-IV-Empfängerin, und Silke, eine Enterbte, dringen ins Amt vor und verlangen ihr Recht auf ein Los, scheitern aber an dem peniblen Angestellten Gabor. Der ist zwar nur ein kleiner Mittelständler, schwärmt aber für Jeeps und besitzt auch selber einen. Als Silke und Maud mit ihrem Ansinnen scheitern und Chaos ausbricht, muss leider auch Gabors Jeep dran glauben. 

Mögliche VorbereitungeN

Über Referate oder Vortrag: Erbrecht und Vermögensverteilung in Deutschland

Speziell für den Theaterunterricht

Übungen zur Übertreibung/ Vergrößerung 
Dein Spiegel übertreibt:

Paarweise gegenüberstehen: A macht eine Bewegung B vergrößert sie ins Gigantische >  Wechsel

Nachahmen:

Zwei Gruppen. Erster gibt Gangart vor, die anderen imitieren, dann nach hinten usw.

Vergrößern: 

Drei Gruppen. Schlange bilden, einer beginnt mit kleiner Bewegung, wird zum Ende hin immer größer.

Variation: mit Mimik

Variation: mit Geräusch 

Übertreiben/Vergrößern

Zwei Gruppen: A stellt sich gegenüber den Zuschauenden  (B) auf, Rücken zum Publikum. Spielleitung gibt Gefühl  (z.B. Wut, Freude, Trauer, Angst …) vor, das  A von innerem Tempo 1 bis Tempo 5+ ins Extreme steigern soll. Gruppe wendet sich dem Publikum zu, steigert das gefordert Gefühl von 1 auf 5+. 

Wechsel

Wirkung besprechen

Übungen zur Wirkung von Sprechweisen

Sammeln von Sätzen aus Formularen (Amtsdeutsch)  (HA)

Die Sätze auf Karten schreiben und  verteilen. Spielleitung gibt den Ton für das Vorlesen der Sätze vor:   

  • gelangweilt
  • neutral, nachrichtlich
  • stockend (nach jedem zweiten Wort Luft holen)
  • piepsig
  • schluchzend
  • zornig
  • zärtlich
  • u.ä.

Wirkung besprechen.