Aus dem Leben

Eine Mut machende Auseinandersetzung mit dem Sterben im Malersaal des Deutschen Schauspielhauses

Foto: Ensemble – Foto: Thomas Aurin

Die Kritik 

Das mit dem Tod ist so eine Sache. Ja, wir wissen, dass es eines Tages soweit ist und vielleicht ist der Tod selbst auch gar nicht das Problem. Aber was ist mit dem Weg dorthin? Dem Sterben? Was ist, wenn wir krank sind und keine Hoffnung auf Besserung besteht? Wenn wir irgendwann nicht mehr die sind, die wir einmal waren, weil das Alter unbarmherzig den Körper zerfrisst? Manchmal blitzen diese Fragen kurz auf, um dann möglichst schnell erfolgreich wieder verdrängt zu werden. Sollten sie aber nicht, finden Schauspielhaus-Intendantin Karin Beier und die Journalistin Brigitte Venator. Auf der Basis von Interviews mit Sterbebegleiter:innen, Palliativpfleger:innen, Suizidwilligen und deren Angehörigen haben sie im Malersaal des Schauspielhauses ein Projekt erarbeitet, für das sie mit den Schauspieler:innen Lina Beckmann, Markus John, Carlo Ljubek, Maximilian Schmidt und Julia Wieninger die Spitzen des Ensembles gewinnen konnten.

Plötzlich steht die Welt still

„Aus dem Leben“ lautet der doppeldeutige Titel des 135minütigen, tief berührenden und Mut machenden Abends. Denn es geht natürlich darum, aus dem Leben zu scheiden, also zu sterben, aber es geht auch darum, dass das Sterben mitten aus dem Leben geschieht und als solches im Leben mitgedacht werden muss. Dialoge gibt es nicht, dafür  Erlebnisberichte, Erzählungen einzelner Figuren. Da ist zum Beispiel der lebensfrohe Draufgänger (Carlo Ljubek). Ein leidenschaftlicher Motorradfahrer – und dann erhält er die Diagnose, unheilbar an Krebs erkrankt zu sein. Plötzlich steht die Welt still, alles muss neu, anders bewertet, geordnet werden. Was ist jetzt wirklich wichtig? 

Sie spricht nicht von Sterbenden, sondern von ihren Gästen

Da ist der pragmatische Berufsschullehrer (Markus John). Irgendwann hat er sich entschlossen hat, Sterbegleiter zu werden. Wer ihm zuhört, spürt die Hilfe und die Sicherheit, die er den Sterbenden vermittelt. Ähnlich ist es bei der Frau (Julia Wieninger). Weil sich bei ihr der Tod von Kindern „wie ein roter Faden durchs Leben“ gezogen hat, hat auch sie sich entschlossen, anderen zu helfen. Da ist auch die engagierte Palliativpflegerin (Lina Beckmann). Sie spricht nicht von Sterbenden, sondern von ihren „Gästen“ und behandelt sie entsprechend. Einen Würdeverlust kann sie bei ihnen nicht entdecken. Da ist aber auch der hilflose, sogar verzweifelte Sohn (Maximilian Schmidt), der die Entscheidung seiner Eltern, selbstbestimmt aus dem Leben zu scheiden, einfach nicht verstehen kann. 

Überbordender Genuss und Tod – zwei Seiten des Lebens 

Während der Erzählungen wird auf der rechten Bühnenseite ein üppiges Büffet aufgebaut (Bühne: Amber Vandenhoeck). Es erinnert an ein barockes Gemälde, an eine Zeit also, in der die ständig präsente Kehrseite von überbordendem Genuss und prallem Leben eben der Tod war. Der Tod als Teil des Lebens – mit dieser Vorstellung endet der Abend: Begleitet von den Klängen einer sechsköpfigen Marchin Band trägt das nunmehr bunt gewandete und mit Totenmasken ausgestattete Ensemble einen weißen Sarg herein und drapiert das reichhaltige Essen auf dem Sarg. Jetzt ist er ein festlich gedeckter Tisch. Musiker und Ensemble beginnen zu tanzen und animieren das Publikum zum Mitmachen. Wir sehen: Nicht Trauer, nichts Bleischweres, sondern Lebensfreude und Leichtigkeit angesichts des Todes.  Ein kluger, berührender, mutiger und absolut wichtiger Abend.

https://schauspielhaus.de/stücke/aus-dem-leben

INFORMATIONEN FÜR LEHRKRÄFTE

Inhaltliche Schwerpunkte

Das Recht auf Sterbehilfe, der Umgang mit dem Tod, die Arbeit und Erfahrung von Sterbebegleiter:innen und Palliativpfleger:innen

Vorschlag für Altersgruppe/Jahrgangsstufen
  • ab 16 Jahre, ab Klasse 10/11. 
  • geeignet für Theater-, Ethik-, Deutschunterricht
Zum Inhalt

Basierend auf Interviews mit Sterbebegleiter:innen, Palliativpfleger:innen, Suizidwilligen und ihren Angehörigen kommen verschiedene Figuren zu Worte, die über den Umgang mit dem Sterben und ihre Gefühle berichten.

Mögliche Vorbereitung

Das Thema sollte sehr sensibel behandelt werden. Vorab müsste klar sein, ob es in der Lerngruppe Schüler:innen gibt, die gerade jemanden verloren haben und wie sie damit umgehen. Möglich wären Recherchen zum Thema Sterbehilfe oder zum Umgang anderer Länder/ Volksgruppen mit dem Tod. Wie werden z.B. Bestattungen gefeiert/ begangen? Welche Gründe gibt es für die unterschiedlichen Traditionen?  Präsentationen und Unterrichtsgespräche könnten das Thema vertiefen

Speziell für den Theaterunterricht

Hier bietet sich vor allem eine dramaturgische Arbeit an.

Eine Sammlung verschiedener Texte zum Thema Sterbehilfe auslegen, die Schüler:innen gehen herum, lesen sie durch, markieren über einen einzuklebenden Punkt o.ä., welche Texte sie interessant finden. Aus den markierten Texten soll dann eine Art dramaturgischer Bogen entstehen – Womit fängt man an? Wie steigert man? Wie endet man? 

Möglich wäre auch, aus den Texten Dialoge zu gestalten.

Man könnte auch die Texte in Gruppenarbeit stark kürzen und die Schüler:innen diese sprechen zu lassen. Dafür müssten sie eventuell Rollenbiografien für die jeweiligen Sprecher:innen anlegen und eine Sprech- und Körperhaltung finden